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SWR4 Sonntagsgedanken

Teil 1: Liebe

„Vor sieben Jahren hat unser gemeinsamer Weg begonnen. Es ist nun an der Zeit, den nächsten Schritt zu gehen: Wir heiraten“. So oder ähnlich beginnen die Briefe, die zur Hochzeit einladen. Gerade jetzt im Mai beginnt wieder ganz besonders „die Saison“ der Hochzeiten. Die Sehnsucht nach erfüllter Liebe hat aber keine Zeit, keine Saison. Sie ist uralt und immer gegenwärtig. Quer durch die Kunst, die Literatur, die Wissenschaft und auch die Religionen: Eine Geschichte, ebenso tragisch wie glücklich. Doch was ist Liebe?

Die Popsängerin Nena versucht in ihrem Lied „Liebe ist“ eine Antwort:

„Liebe will nicht,
Liebe kämpft nicht,
Liebe wird nicht,
Liebe ist.

Liebe sucht nicht,
Liebe fragt nicht,
Liebe ist, so wie du bist.“

„Die Liebe ist geduldig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. (...) Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf.“

Ach, das haben Sie bei Nena so noch gar nicht gehört? Naja, zumindest der Schluss ist aus der Bibel. Und da heißt es im ersten Korintherbrief im Kapitel 13:

„Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke. Und wenn ich prophetisch reden könnte und alle Geheimnisse wüsste und alle Erkenntnis hätte; wenn ich alle Glaubenskraft besäße und Berge damit versetzen könnte, hätte aber die Liebe nicht, wäre ich nichts.“

Diese Stelle aus der Bibel wird immer wieder gerne bei Hochzeiten gelesen, ein Klassiker. Man kann sich das richtig auf der Zunge zergehen lassen: Wenn ich noch so toll wäre, noch so angesehen, reich und mächtig, noch so unabhängig und abgesichert. Wenn alles stimmen würde in meinem Leben, aber ich könnte nicht lieben und würde nicht geliebt, dann wäre alles umsonst.

Und immer wieder die Frage: Was ist Liebe?

Schon die Griechen haben früh unterschieden zwischen der Liebe, die auf das Erotische zielt, der Liebe zu einem Freund und der Liebe, die noch tiefer in die Seele trifft, die Nächsten-Liebe, wie es im Christentum dann heißt. Die Caritas, christliche Nächstenliebe, ist zentral für die Botschaft von Jesus. Sie meint den liebend-barmherzigen Blick für die Ausgestoßenen, die Ausgegrenzten, die Unbeachteten und Lästigen, die am Rand. Und die soll ich auch lieben? Jesus geht sogar noch weiter, wenn er von seinen Jüngern sogar die „Feindesliebe“ erwartet. Jeden Menschen also zu lieben, ohne Vorleistung und ohne Gegenleistung, also ohne dass es sich im materiellen Sinn „lohnt“. Gar nicht so einfach!

Teil 2: ...und dann tu, was du willst !

In einem Quiz wurden einmal Passagen aus dem Erotik-Roman „50 Shades of Grey“,  mit Zitaten aus der Bibel zusammengebracht – sodass die Kandidaten raten sollten: Ist das jetzt ein Satz aus diesem Roman oder sind es Sätze aus der Bibel? Da heißt es zum Beispiel – wohlgemerkt: in der Bibel:

Mit Küssen seines Mundes bedecke er mich. /
Süßer als Wein ist deine Liebe.
(...) Schön bist du, meine Freundin, / ja, du bist schön.
Hinter dem Schleier / deine Augen wie Tauben.
Rote Bänder sind deine Lippen/
lieblich ist dein Mund. (…)
Deine Brüste sind wie zwei Kitzlein,
wie die Zwillinge einer Gazelle, die in den Lilien weiden.

Ob Roman oder Bibel. Schön und gut. Aber wie sieht das heute aus, das mit der Liebe? Bei mir vor der Haustür? Da gibt es Lieblosigkeit allenthalben, Beziehungen gehen auseinander, Liebe stirbt ab, versandet still oder wandelt sich gar in Hass. Ehen werden geschieden, Nachbarn beäugen sich misstrauisch, verdächtigen einander, Kollegen erleben Mobbing, ganz zu schweigen von den Dramen, die sich bei nicht erfüllter Liebe und enttäuschten Gefühlen abspielen. Für den, der sich nach Liebe sehnt und das genaue Gegenteil erlebt, klingt es wie Hohn und schulzig-verkitscht, wenn da von den erfüllenden Gaben der Liebe die Rede ist.

Und doch: niemand bleibt ungeliebt. Denn niemand kann aus der Liebe Gottes herausfallen. Er hat schon längst „Ja“ zu jedem einzelnen Menschen gesagt, zu seinem Leben, zu seinem konkreten Weg. Und dieses Ja bleibt, egal durch welche Höhen und Tiefen das Leben dann verläuft, wo es hinführt und wie lieblos es sich manchmal anfühlt. Das ist oft genug sehr schwer zu glauben, und doch hilft es dem, der das glauben kann. Das schützt auch nicht vor Enttäuschungen und Rückschlägen. Aber es kann auch tröstend sein.

Die Liebe beginnt damit, sich selbst so anzunehmen, wie man ist. Schwer genug. Aber das macht frei für den liebevollen Blick auf den anderen. Nicht nach Hierarchie und Ansehen, schon gar nicht weil ich etwas dafür als Gegenleistung erwarte. Sondern einfach um des anderen willen. Wer geliebt wird und liebt, erträgt das Leben mit seinen Herausforderungen besser. Wer liebevoll auf den Tag blickt, auf das Gelungene und die Fehler, der kann den Tag später getrost zurücklegen in Gottes Hände, ohne Gram und Frust, mit Liebe eben.

Liebe macht verletzlich und trotzdem auch unschlagbar stark. Sie wird mehr, wenn man sie verschenkt. Klingt ganz schon paradox: Liebe durchbricht eben alle Gesetzmäßigkeiten.

Der Kirchenvater Augustinus hat dafür im vierten Jahrhundert eine simple Formel gefunden, die heute ebenso schlicht wie richtig ist. Er sagt: „Liebe, und dann tu, was du willst!“ Genau so.

 

 

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SWR4 Sonntagsgedanken

I. Teil: Der "Flachlocher"

 Im ersten Moment musste ich an Loriot denken. Es war nach dem Gottesdienst. Firmung. Dann kamen die Grußworte. Ein vornehmer, älterer Herr überbrachte die Glückwünsche der Pfarrgemeinde und überreichte jedem Firmling ein kleines Geschenk: Etwas Praktisches, wie er sagte: Es war ein Bürolocher, genauer: ein „Flachlocher“. Daran ein kleines Lineal und darauf der Satz: „Gott bringt Ordnung in dein Leben!“ Wie bei Loriot – hier unfreiwillig komisch. 

Das ist also das Geschenk der Gemeinde für die Firmlinge. Junge Leute, gerade mal vierzehn, fünfzehn, voller Lebensfreude und Tatendrang; Lust, Neues auszuprobieren, Grenzen auszutesten, den lebendigen Geist zu spüren. Und dann als Geschenk ein Lineal und ein Flachlocher. 

Der vermeintlich erhobene Zeigefinger an „die Jugend“ wurde aber immer kleiner, je länger ich darüber nachdachte. Da steckt vielleicht noch mehr Symbolik dahinter, als es zunächst scheint; vielleicht zuerst die Selbsterkenntnis: Ja, wir bohren manchmal mit hohem Aufwand ziemlich dünne Bretter. Da ist so ein „Flachlocher“ gerade richtig. Manches ist allzu flach und platt, auch wenn es noch so fromm daher kommt. Ganz zu schweigen von manchen Stammtisch-Plattitüden, die vermeintlich christlich-abendländische Ordnung dazu missbrauchen, um gegen Menschen anderer Religionen zu polemisieren. 

Und dann: Ein Locher locht. Und er hinterlässt Löcher. Da fehlt dann etwas – im Papier, auch wenn es noch so ordentlich aussieht. Und übertragen: Es fehlt etwas in der Gemeinde, in der Gemeinschaft, am Arbeitsplatz, wenn wir mit unseren engen Vorstellungen – von Ordnung, Regel und Verhalten – andere ausschließen. Ich denken etwa an die wiederverheiratet Geschiedenen, an die Homosexuellen und an Menschen, die bei uns Asyl suchen, um nur drei Beispiele zu nennen. Mit Bürokratie, Verordnungen und Dogmatik begegnen wir denen, die unsere Solidarität suchen, nicht unsere Besserwisserei. Und dann fehlen welche in der Gemeinschaft und in der Kirche. Was manche vielleicht als Ordnung und geregelte Abläufe sehen, als ordentliche Lebensläufe ohne Brüche, das hinterlässt doch Löcher. Da fehlt jemand, der eigentlich dazugehört. 

Ja, es steckt auch eine tiefe Sehnsucht dahinter. Wer auf Ordnung pocht, der ist oft zutiefst verunsichert. Der braucht Orientierung, um besser klar zu kommen im Leben. Wer Ordnung sucht, der sucht auch Verlässlichkeit und ein Netz, das ihn auffängt. Doch wo kommt diese Ordnung her? Sind es selbst gemachte Gesetze, sind es DIN-Normen und geregelte Abläufe allein? Vielleicht bringt der „Flachlocher“ mit dem Aufdruck „Gott bringt Ordnung in dein Leben“ ja noch so manche überraschende Erkenntnis...

2. Teil: Die "andere Ordnung Gottes"

Denn vielleicht ist der Satz „Gott bringt Ordnung in dein Leben“ ja auch eine wohlmeinende Mahnung, dass „Gottes Ordnung“ so ganz anders ist als wir uns das vorstellen. Dass bei aller buchhalterischen Engstirnigkeit, die uns manchmal plagt – gerade auch in unserer Kirche – dass gerade da das eigentliche Maß nicht vergessen wird: Gott ist es, der wirklich Ordnung in unser Leben bringt. Gerade er. Weil seine Maßstäbe nicht unsere Maßstäbe sind. Das zeigt er uns nicht zuletzt an Weihnachten. 

In der katholischen Kirche endet heute offiziell der Weihnachtsfestkreis. Aber das, worum es an Weihnachten geht, das dauert an. Denn da wird ja nicht die süßliche Romantik mit Lametta und Lichterglanz gefeiert. Die endet spätestens, wenn der Baum abgeholt wird und in den Schredder kommt. 

Die Geburt Jesu, die wird an Weihnachten gefeiert. Und da ging es ziemlich ungemütlich zu: Das Himmelbett ist eine Krippe. Der „Wohlfühlbereich“ ist ein Viehstall, weil in der Herberge kein Platz für sie war. Die Familie mit ihren unehelich-„irregulären“ Verhältnissen ist schon bald auf der Flucht, weil es dem Kind an den Kragen gehen soll. Die ersten Gratulanten sind Hirten, die Tagelöhner für andere. Nicht unbedingt die beste Gesellschaft. Das sieht nicht nach wohlfeil-frommer Weihnachtsromantik aus. Damals wie heute. Wenn wir Weihnachten wirklich ernst nehmen, dann müssen wir auch die Not der Menschen heute ernst nehmen. Wenn wir das Kind in der Krippe in unser Haus lassen, müssen wir auch die Flüchtlinge heute bei uns willkommen heißen. Wenn wir die „Heilige Familie“ besingen, dürfen wir die Lebensrealität von Familien heute nicht vergessen. Wenn wir uns am Kulturgut der Sternsinger freuen, dann können wir nicht gegen die Menschen aus dem Morgenland sein. Wie absurd! 

Als Kind in der Krippe wird der Messias geboren. Gott wird Mensch, einer von uns. Der Höchste – ganz unten. Und doch und gerade deshalb ist er der Erlöser. Er sprengt nämlich alles Verstehen und alle Begrenztheit. Er ist ganz anders als wir uns das vorstellen. So erlöst er uns aus unserer ängstlichen Enge, damals wie heute. Gott ist es, der Ordnung bringt in unser Leben, seine andere Ordnung, in der es wirklich Weihnachten wird. 

Und auch wenn die Weihnachtszeit heute nach dem katholischen Kalender endet: Mit dieser Frohen Botschaft bleibt es das ganze Jahr weihnachtlich: Gott ist Mensch geworden, mit seiner anderen Ordnung erlöst er uns aus aller menschlichen Enge und Ängstlichkeit. Alle Jahre wieder. Gott sei Dank!

 

 

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SWR4 Sonntagsgedanken

 Teil 1 – Farben – machen das Leben bunt

Welche Farbe hat eigentlich ein Denkmal? Also, wenn ich an Denkmäler und Statuen denke, dann sind die meist steingrau – Gebäude etwa - oder Figuren berühmter Persönlichkeiten auf einem Sockel. Heute ist „Tag des Offenen Denkmals“ und da geht es um das Thema Farben. Denkmal und Farben? - Das passt, sagen die Veranstalter. Denn „Farben können Geschichten erzählen“. Schon von frühester Zeit an haben Farben das Leben der Menschen im wahrsten Sinn des Wortes bunt gemacht. Die Höhlenmenschen haben Farben hergestellt aus dem, was sie an Blättern, Erde, Früchten und anderem gefunden haben. Und haben damit von ihrem Leben erzählt. Mit solcher Farbe haben sie ihre Geschichten an den Höhlenwänden aufgemalt: Das, was sie unmittelbar betraf, die Tierjagd etwa. Es sind Werke für die Ewigkeit. Farben haben schon immer auch eine wichtige Rolle bei der Kleidung gespielt: Die kostbarsten Farben waren den Herrschern vorbehalten: Purpur etwa. Schlichtes grau oder braun war eher etwas für Ärmere. Und wer heute etwas auf sich hält, der muss sich in der „Modefarbe“ kleiden – ob im Frühjahr oder Sommer, im Herbst oder im Winter: Farben bestimmen die Natur durch den Jahreslauf, sie sind das Spiel von Licht und Dunkel.

Und auch die Bibel ist voller Farben. Ganz am Anfang schon, als Gott in die Finsternis das Licht erschafft und so Tag und Nacht entstehen, die Grundordnung unseres Tageslaufs. Das Wort „Farbe“ sucht man in der Bibel allerdings fast vergebens. Aber einzelne Farben kommen natürlich immer wieder vor und haben ihre Bedeutungen: Das Rot des Blutes, das saftige Grün der Wiesen und Felder und viele andere Farben - bis hin zum Regenbogen, der mit seinen schillernd-bunten Farben ein Zeichen für die Verbindung von Himmel und Erde ist – als Zeichen, dass Gott die Menschen nie vergisst. So beschreibt es die Bibel. Der Regenbogen erinnert an den Bund, den Gott mit den Menschen geschlossen hat: Ich bin immer bei euch; ich lasse euch nicht allein, so trostlos und grau euer Leben auch erscheinen mag.

Auch in der Kirche gibt es solche „Farbenspiele“: Durch das Jahr kann man in den Gottesdiensten erkennen, welche „Jahreszeit“ gerade ist: An normalen Tagen im Jahr trägt der Priester im Gottesdienst etwa grüne Gewänder, auch das Tuch am Altar und manchmal auch die Gewänder der Messdiener sind entsprechend angepasst. Im Advent und in der Fastenzeit ist diese Farbe violett, an Feiertagen festlich-weiß oder golden, bei Beerdigungen und traurigen Anlässen schwarz. Wenn es um die Erinnerung an diejenigen geht, die für ihren Glauben Blut vergossen haben, ist die Farbe rot. Der Papst trägt weiß, Kardinäle rot, Bischöfe violett und so weiter.

Der Mensch zeigt durch Farben seine Stimmung. Farben begleiten uns durch das Leben. Sie tun uns gut. Sie bieten Abwechslung. Und sie erinnern uns daran, dass Gottes Schöpfung mehr zu bieten hat als unser Alltagsgrau. Gott sei Dank!

Teil 2 – Mit Farben die Kirche neue entdecken

Heute ist Tag des Offenen Denkmals. Und das Thema dabei sind die Farben. Auch viele Kirchen sind Denkmäler – und mehr: Sie sind lebendige Erinnerungsorte, in denen das Leben mit all seinen bunten Facetten spielt. Und so geht es auch in den Sonntagsgedanken um Farben und das, was sie mit uns Menschen – und mit den Denkmälern, die wir bauen, machen.

Im Bistum Mainz gibt es eine Aktion mit dem Namen „Glaubensfeuer“, dabei geht es auch um Farben. Mit Scheinwerfern wird dabei ein Kirchenraum in unterschiedliches Licht getaucht. Je nach Farbe erscheint der gleiche Kirchenraum ganz unterschiedlich. Dazu gibt es Musik und biblische Texte, die von Feuer, Licht und Wasser erzählen: Von der Erschaffung der Welt oder vom brennenden Dornbusch, der feurig-rot von einer Begegnung mit Gott kündet. Mit moderner Licht- und Showtechnik wird der Kirchenraum lebendig. Raffinierte Spots sorgen für wechselnde Farben und Formen an den Wänden, Säulen und Decken. So kann man den Kirchenraum besonders intensiv erleben und es entstehen phantasievolle Bilder. Und plötzlich ist es nicht mehr nur ein Event, sondern wird zum spirituellen Erlebnis.

„Glaubensfeuer“ ist dabei ganz bewusst als Name gewählt. Es geht darum, das zu entdecken, was in mir noch brennt. Der Funke der Sehnsucht, den viele – auch so genannte „Kirchenferne“ – gerade mit einem Kirchenraum verbinden. „Glaubensfeuer“ ist eine Entdeckungsreise zum eigenen Innern. Und auch zu dem, wie Kirche sich heute präsentiert: Grau und fahl wie manche Kirchenwände, oder eher bunt und feurig, wie es in der Lichtinstallation zum Ausdruck kommt. Auch mal tiefblau als Oase des Innehaltens und der Ruhe. Und mal brennend rot und gelb. Das „Glaubensfeuer“ ist ein Experiment. Es experimentiert aber nicht nur mit Licht und Musik und Raum und Klangfarben, sondern mit dem, wonach Menschen sich sehnen. Und es fragt mich und andere: Ist bei dir in Sachen Glauben schon der Ofen aus? Oder wofür brennst du eigentlich? Und so wird durch Farbe und Licht der Kirchenraum zu einer besonderen Erlebnisstätte des Glaubens. Zu einer wirklichen Neuentdeckung dessen, was eigentlich vertraut ist.

Dazu braucht es nicht immer die Scheinwerfer und Showeffekte. Da reicht vielleicht schon ein Sonnenstrahl durch ein buntes Kirchenfenster. Vielleicht passiert das heute auch beim „Tag des Offenen Denkmals“: dass die Besucher von Kirchen diese Orte in einem neuen Licht sehen. Ich wünsche mir, dass sich viele Kirchen bunt präsentieren, nicht nur im wörtlichen, sondern auch im übertragenen Sinn. Dass sie zu Erlebnisorten des Glaubens werden. Dass sie Farbe ins Leben bringen. Und dass sie offen sind für das, was Menschen suchen; offen für ihre Sehnsüchte und Sorgen, für ihre Anliegen und Fragen. Sie sind herzlich eingeladen zur Entdeckung: nicht nur heute, am Tag des Offenen Denkmals.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=18272
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SWR1 Begegnungen

Thomas Gerdon ist Lichtdesigner. Er hat schon große TV-Shows ins rechte Licht gesetzt. Und jetzt kümmert er sich in einem neuen Projekt um Kirchenräume. Darüber hat sich Michael Kinnen von der Katholischen Kirche mit ihm unterhalten.

Teil 1

„Glaubensfeuer“ – so heißt das neue Projekt von Thomas Gerdon, das er zusammen mit dem Bistum Mainz in Kirchengebäuden veranstaltet. Dabei habe ich ihn kennen gelernt. Beim „Glaubensfeuer“ geht es darum, mit Bibeltexten, aber vor allem mit Licht- und Toneffekten den Kirchenraum ganz neu zu erleben.

Es sollte im Prinzip ein modernes, auch mit einem Teil von Eventcharakter ne Sache sein, sollte aber auch gleichzeitig keine reine Belustigung sein. Also es sollte schon was mit Kirche, mit Inhalt zu tun haben, sollte aber so modern und aufregend sein wie es eben nur in diesem Kontext sein kann.

Beim Spiel von Licht und Dunkel, von Farben und Effekten kommt Bewegung in den Kirchenraum. Dann wirkt der Raum und der vorgelesene Bibeltext umso mehr. Dann wird „Kirche“ lebendig. Aber, so sagt mir Thomas Gerdon,…

In dem Kirchenraum die Besonderheiten zu finden und die zu den richtigen Zeiten und im richtigen Kontext dann auch hervorzuheben, oder etwas in den Hintergrund zu stellen, das ist auch nicht immer ganz einfach.

Glaubensfeuer ist eine Entdeckungsreise nicht nur im Kirchenraum, sondern zu sich selbst und den eigenen Sehnsüchten. Und im Innern von Jedem und Jeder sieht es mal so aus: Grau und fahl wie manche Kirchenwand, und mal bunt und feurig-rot und gelb, wie es in der Lichtinstallation zum Ausdruck kommt. Und auch mal tiefblau als Oase des Innehaltens und der Ruhe. Der Lichtdesigner Thomas Gerdon kann hier zeigen, was er kann.

Wir wollen ja das wirklich so machen, dass die Leute sagen, boah, sowas hab ich noch nicht gesehen, wow, das ist toll. Aber trotzdem kein „Deutschland sucht den Superstar“-Geblinke da veranstalten.

Das Glaubensfeuer ist ein Experiment. Es experimentiert aber nicht nur mit Licht und Musik und Raum und Klang, sondern lenkt den Scheinwerfer auch auf die eigene Sehnsucht. Und es fragt mich und andere: Ist bei dir in Sachen Glauben schon der Ofen aus? Oder wofür brennst du eigentlich? Erlebt er da selbst auch spirituelle Momente beim Glaubensfeuer, frage ich den Lichtdesigner Thomas Gerdon:

In dem Moment kann ich mir Spiritualität – ich würde sagen – „nicht leisten“. Wenn man natürlich nachts drin sitzt und sieht, wie der Raum sich verändert, dann ist das auf jeden Fall ne tolle Sache. Aber die wirklich spirituelle Auseinandersetzung damit – dafür braucht man ja auch Ruhe und Konzentration, und Platz im Kopf. Dafür fehlt leider ein bisschen die Zeit.

Während der Aufführung muss er sich konzentrieren auf die Regler am Mischpult, die Scheinwerfer und die Musik. Das macht er, damit die Besucher der Kirche das „Glaubensfeuer“ genießen können, zur Ruhe kommen, den Kirchenraum auf sich wirken lassen und Spiritualität neu erleben.

Und wenn Sie dann da reingehen und diese Gestaltungmöglichkeiten haben, wenn man auf einmal Deckenmalereien sehen kann, die ansonsten komplett untergehen. Und das da oben anfängt zu leben, indem man noch ein bisschen Struktur drauflegt, das Ganze ein bisschen bewegen lässt, und das wirklich lebendig wird, das ist spannend und faszinierend.

Teil 2:

Meterhohe Feuersäulen, Scheinwerfer, Bodennebel: Das Glaubensfeuer ist oberflächlich betrachtet ein Event. Aber eben nur oberflächlich. Denn bei vielen, die das erleben, tut sich was im Innern. Sie erleben „Kirche“ neu. Der Glaubensfunke springt über.

Es gibt Leute, die sagen: Es war sehr modern und ich hatte am Anfang Angst, oh, was macht ihr mit unserer Kirche. Aber als ich es dann erlebt hab, Wow! – Das ist sehr schön, weil das zeigt, dass es funktioniert, dass man diesen Grat getroffen hat zwischen modern aber trotzdem noch inhaltlich mit Kirche verbunden, also nicht kitschig.

Sicher, es gibt auch Kritiker. Die fühlen sich an eine Disko erinnert, wenn sie Fotos vom „Glaubensfeuer“ sehen. Momentaufnahmen. Wer aber mal dabei war und die Dynamik erlebt hat, der spricht ganz anders davon. Das weiß auch Thomas Gerdon.

Es ist nicht üblich, dass die Leute in der Kirche klatschen. Und siehe da: Die letzten Schlussakkorde waren zu Ende, es gibt in der Musik einen relativ deutlichen Abschlag, und es gab lange, tosenden Applaus: Das war eigentlich eine schöne Rückmeldung, eigentlich die schönste.

…denn das hat wirklich neue Perspektiven eröffnet. Manchen bleibt es fremd, weil sie sich eine Kirche wünschen, die in gewohnten Riten Sicherheit bietet. Manche entdecken bei solchen modernen Kunst-Installationen aber gerade den Funken neu, der überspringt und zur Feuersäule wird, die brennend für Glaube und Kirche begeistert. Thomas Gerdon:

Also ich bin jetzt schon ein bisschen älter, aber wenn ich jetzt 18-jährige, 19-jährige Teenies auf der Straße anspreche, glaube ich nicht, dass die meisten überhaupt damit rechnen, dass man sowas in der Kirche erleben kann, das es sowas gibt. Und wenn dann bei so einer Veranstaltung die Leute noch bis raus auf die Straße, sogar auf den Treppen noch stehen, um das zu erleben, das ist – finde ich – ne ziemlich tolle Sache.

Es geht darum, das zu entdecken, was in einem noch brennt. Der Funke der Sehnsucht, den viele - auch so genannte „Kirchenferne" - gerade mit einem Kirchenraum verbinden. Das öffnet Türen, das öffnet Horizonte. Das macht den Glauben lebendig und entzündet das „Glaubensfeuer“ neu. Und das erlebt auch Thomas Gerdon so: Das Ergebnis kann sich sehen lassen:

Ich glaube, dass das Resultat auch ne ziemlich tolle Sache ist, mit der man eigentlich erstmal so nicht rechnet. Und eben den Leuten dann zu zeigen: wir können viel mehr – oder: Kirche kann viel mehr sein als man denkt: Das ist ne schöne Geschichte.

 

Infos: www.glaubensfeuer.com

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SWR1 Begegnungen

Michael Schieferstein ist gelernter Koch. Als „FoodFighter“ setzt er sich gegen Lebensmittelverschwendung ein und wehrt sich gegen einen „globalen Wegwerf-Wahnsinn“. Darüber hat sich Michael Kinnen von der Katholischen Kirche mit ihm unterhalten. 

Teil 1 Berufung zum „FoodFighter“ 

Es ist Fastenzeit. Viele verbinden das mit Verzicht auf Süßigkeiten und weniger Essen. Michael Schieferstein ist gelernter Koch. Er hatte tagtäglich mit Essen und Genuss zu tun. Und dann hat er mit einem Freund eine Weltreise gemacht und nachgesehen, wo die Lebensmittel herkommen, die er verarbeitet. Das hat ihn erschüttert. 

Dort hab ich die Armut direkt vor meinen Augen gehabt. Ich hab gesehen, wie Menschen in so großen Lagern arbeiten mussten, die mit Plastikkoppeln so gekoppelt waren, dass noch nichtmal diese Giftgase, das heißt diese Pestizide, wo sie das Gemüse oder was auch immer behandelt haben, dass das gar nicht abziehen konnte – und die Menschen dort diese Gase eingeatmet haben, und die meisten waren nach zwei bis vier Monaten, kann ich so schätzen, dass es so war, die sind elendiglich dran krepiert, verreckt.  

Das hat sein Leben verändert. Er wollte nicht mehr mitmachen in dem System von immer Billiger und immer Gieriger. Ich treffe ihn in einer Schulküche in Mainz, wo er Grundschülern einen bewussteren Umgang mit den Lebensmitteln beibringen will. Und da spricht er, der Koch, gegenüber mir, einem „von der Kirche“, von seiner „Berufung“.

Durch meine Berufung, wie ich jetzt einfach so sagen muss: Ich bin einfach ein Kämpfer und ich kann nicht anders als das Thema hier so anzugehen, damit endlich auch die Politiker wach werden und die Industrie auf die Knie gezwungen wird. Hier können die Verbraucher auch viel verändern, deswegen sind wir in diesem Projekt. Weil wir müssen das Elend an der Wurzel bekämpfen.

 Und das beginnt schon im Grundschulalter und davor. Wenn Kinder Lebensmittel nur verschweißt aus der Tiefkühltruhe und dem Kühlschrank kennen, wo sie immer und zu jeder Jahreszeit verfügbar sind, kann keine wirkliche Wertschätzung für die Nahrung entstehen. Das will Michael Schieferstein ändern. Eines seiner Themen: Der Wegwerf-Wahnsinn. Wenn das Mindest-Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist, wird vieles weggeworfen, selbst wenn es noch bestens genießbar wäre. Beispiel Salz:

Wie kann ich einem Salz ein Mindesthaltbarkeitsdatum geben, wo das schon 1,6 Mio. Jahre in einem Berg gelegen hat? Auf einmal wird’s abgebaut, kommt in den Handel rein und dann ist es auf einmal nach anderthalb Jahren abgelaufen. Das geht gar nicht. Weil Sie könnten’s danach nochmal ne Million Jahre liegen lassen, das heißt, es könnten Ihre Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großkinder danach auch noch verwerten und es wäre noch genauso lecker, wie wenn ich es gerade gemacht hab.

Wir werfen zuviel weg, weil wir den Wert nicht wert-schätzen. Das betrifft nicht nur Lebensmittel, das geht bis hin zur Wertschätzung des Lebens selbst, wie Papst Franziskus einmal gesagt hat. Wir müssen also zurück zu einer neuen Achtung der Lebensmittel als „Mittel zum Leben“. Dafür setzt sich Michael Schieferstein ein.

Da sind wir dann wieder da, wo wir vor 40 Jahren mal waren. Selbst beim Brot hat meine Oma das letzte Stück noch verwertet und hat daraus – wenn’s sein muss – noch nen „Armen Ritter“ gemacht – oder irgendwas. Es ist schon wichtig, dass wir einfach nochmal mehr Leidenschaft zu den Nahrung wieder kriegen, und nicht einfach kaufen….

...kaufen und dann wegwerfen. Das führt in keine gute Zukunft. Und das will Michael Schieferstein ändern. 

 

Teil 2: Was kann jeder Einzelne tun? 

Wir werfen viel zu viel weg, das noch gut ist, Beispiel Nahrung. Die Welternährungsorganisation FAO spricht von jährlich 1,3 Milliarden Tonnen essbarer Lebensmittel, die produziert und sinnlos weggeworfen werden. Das geht bei uns Verbrauchern zu Lasten des eigenen Geldbeutels, wenn wir was kaufen, was wir am Ende gar nicht essen, und was dann in der Tonne landet. Viel mehr noch aber geht es zu Lasten der Ressourcen, die verschwendet werden – und das müssen die ausbaden, die eh nicht genug haben, sagt Michael Schieferstein.

Gehen wir mal genauer: Ägypten. Wie kann ich Kartoffeln in Ägypten waschen lassen? Die Menschen haben dort sowieso kein Trinkwasser mehr. Diese Massenverschwendung – nur weil ich da vielleicht nochmal fünf Euro mehr Umsatz machen kann. Das kann ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Und deshalb versuche ich die Menschen aufzuklären, mehr regional zu bleiben.

Und da beginnt es schon, was jeder Einzelne tun könnte. Wer regionale Produkte kauft, vermeidet lange Transportwege, spart Energie und schont das Klima. Es geht aber nicht nur um „Öko-Aktivismus“, Christen würden eher von der „Bewahrung der Schöpfung“ sprechen. Michael Schieferstein will grundsätzlich etwas ändern:

Selbst wenn ich das Geld besitze, kann ich doch nicht hingehen und alles kaufen und wegschmeißen. Und dann kommt dazu: Wenn ich ein Joghurt kaufe, das 39 Cent kostet, oder 29 Cent oder 49 Cent: Was erwarte ich, was da drin ist? Wenn ich im Winter ein Erdbeerjoghurt kaufe: Wo sollen die Erdbeeren herkommen? Keiner überlegt sich, wo die Erdbeeren herkommen. Es gibt keine Erdbeeren in der Zeit!

Michael Schieferstein brennt für seine Sache, das merke ich ihm an. Das hört man auch, wenn er so schnell spricht, kaum Atem holt und seine Stimme sich fast überschlägt, wenn er redet. Für ihn ist Lebensmittelverschwendung eine schwere Sünde. Das regt ihn auf. Das will er ändern. Es geht ihm dabei um eine globale Ethik – die aber auf dem eigenen Teller beginnt. Und das muss man lernen. Deshalb trainiert der Koch Michael Schieferstein schon die Jüngsten, etwa in einer Mainzer Grundschule:

Und dann sitzen sie in der Gruppe, sie lernen Gemeinsamkeit, sie lernen, sich in der Gruppe zurechtzufinden - wie sagt man – in der Gruppe zu arbeiten, Projektarbeit zusammen zu machen und dann noch gemeinsam zu essen, mit Liebe zu essen, mit Genuss, die lecken sogar den Teller ab.

Wenn Kinder lernen, wie wertvoll das ist, was Gott in seiner Schöpfung  für alle bereithält, dann erinnern sie sich vielleicht auch als Erwachsene noch daran. Das können sie dann auch an ihre Kinder weitergeben. So wie es Michael Schieferstein tut, als Christ, als Koch und als Familienvater.

Ich möchte, dass meine Kinder auch in 30 Jahren noch Nahrung auf dem Tisch haben. Und momentan ist der Stand so, dass ich das nicht garantieren kann. Und deswegen kämpfe ich so aus Überzeugung. Und deswegen möchte ich, dass viele Menschen das Bewusstsein auch wieder kriegen, an ihre Kinder denken und an die Zukunft; vielleicht an ihre Enkel denken, weil dort wird das Problem kommen. Wir selber werden das nicht mehr erleben. Aber wenigstens zu wissen, dass meine Kinder noch versorgt sind, das möchte ich meinen Kindern noch auf den Weg geben. Und das ist der Grund, warum ich den Kampf so aufgenommen habe.

 

 

Infos: www.foodfighters.biz

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SWR1 Begegnungen

Viele kennen ihn aus der Fernsehfastnacht: Andreas Schmitt aus Mainz. Messdiener Schmitt Dort spielt er den lustigen „Obermessdiener vom Dom“. Aber auch beruflich und privat hat er viel mit Kirche und Glaube am Hut. Darüber hat sich Michael Kinnen von der Katholischen Kirche mit ihm unterhalten. 

Teil 1.  Humor in der Fastnacht – Humor in der Kirche 

Ich treffe Andreas Schmitt in seinem Büro im Bischöflichen Ordinariat in Mainz. Dort ist er in der EDV-Abteilung und kümmert sich um Internetverbindungen. Dabei sind ihm die Verbindungen zu Menschen noch lieber. Und dazu nutzt er die Fastnacht. Kirche und Fastnacht, das gehört ohnehin zusammen: Die ehemals „urkatholischen Gegenden“ wie Mainz, Köln oder Düsseldorf: das sind die närrischen Hochburgen. Noch einmal so richtig feiern vor der Fastenzeit – daher kommt die Fast-Nacht“. Und nicht nur deshalb sind auch dieses Jahr wieder Kirchenthemen in seinen Büttenreden dabei, sagt Andreas Schmitt 

Klar, der Papst hat ausgerechnet an Rosenmontag sein Amt niedergelegt, es wurde erstmals jetzt auch wieder ein Südamerikaner in dieses Amt gewählt. Ein Finther ist Kardinal geworden, was uns Gonsenheimer natürlich am meisten ärgert. Da hat man natürlich eine gewisse Steilvorlage – und Limburg hat im sarkastischen Sinne gesagt dem Ganzen ja die Krone aufgesetzt. (20“)

Die Schlagzeilen um Tebartz-van Elst in Limburg sind bekannt. Für Andreas Schmitt ist es aber wichtig, nicht einfach auch noch draufzuschlagen. Gehässig zu sein – das kippt leicht; denn in „gehässig“ steckt ja das Wort „Hass“. Das passt nicht zum lebensfrohen Andreas Schmitt – und auch nicht zur Meenzer Fassenacht.

Es ist alte Mainzer Tradition, die Kunst des Redners zu beherrschen: nicht mit dem Schwert alles in Fetzen zu schlagen, sondern mit dem Florett klein gezielte Stiche zu setzen, die so ein bisschen prickeln und kitzeln, aber nicht wehtun. Und das muss einem gelingen können. (13“)

Auch ich kann über manches in der Kirche nur den Kopf schütteln. Aber: Der Fastnachts-Narr hält den Spiegel vor. Das ist, denke ich – ganz kirchlich - eine Chance, sich zu bessern und zur Umkehr. Mit dem Narrenspiegel in der Hand begibt sich Andreas Schmitt als Mainzer auch nach Limburg:

Es ist ja jetzt Blödsinn für mich, da aufzuzählen die Millionen, die da angeblich geflossen sind, sondern ich muss da ganz anders rangehen. Und mit der größte Brüller in diesem Jahr ist dann natürlich, dass mich fiktiverweise der Kardinal Lehmann nach Limburg abordnet mit der Maßgabe, dass ich eigentlich ein lustiger  Lausbub bin, der dort die  Leute wieder zum Lachen bringt; und dass ich auch von meiner Figur her der Einzige bin, der dort die Badewanne ausfüllen kann. Das ist natürlich ein Schlag. Da fetzt der Saal. (28“)

Auch Selbstironie gehört dazu. Wer Humor hat, nimmt sich selbst nicht so wichtig, will nicht Maß aller Dinge sein. Es geht Andreas Schmitt nicht um den moralinsauer-erhobenen Zeigefinger des Besserwissers, auch wenn manche gerade das mit der Kirche verbinden. In der Fastnacht darf es entspannter zugehen. Und so klingt es auch, wenn Andreas Schmitt als Obermessdiener in die Bütt geht. Seine „missionärrische Botschaft“ dabei: Dorthin gehen, wo die Menschen sind – ganz im Sinne von Papst Franziskus:

(Mitschnitt Büttenrede) „Das ist Kirche nach außen, so klingt die Ode. Denn der Herr hat das Lache uns niemals verbote. Drum hab ich heut Abend die Zeit mir genomme. Morje früh wird von euch ohnehin keiner komme.“ (16“)

 

 

 

Teil 2:

Gestern in Rom: Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, gebürtiger Mainzer aus Finthen -  ist zum Kardinal berufen worden. Ein Finther wird Kardinal! Und das eine Woche vor Fastnacht, wo so mancher „Finther“ sein närrisches Fett wegkriegt. Das lässt den kirchlichen Fastnachter Andreas Schmitt nicht kalt, gerade, wenn er auf der närrischen Bühne steht:

(Mitschnitt Büttenrede) „Im Vatikan kein unbedeutender Sohn, das ist der Chef von der Glaubenskongregation. Da stellt sich die Frage: Was kommt danach? Papst Benedikt hatte den Posten ja aach. Zum Geburtshaus des Papstes kann man in wenigen Jahr’n – bequem von Mainz-Hauptbahnhof mit der Straßenbahn fahr’n.“ (21“)

Mit Wortwitz und Humor nimmt Andreas Schmitt so manches kirchliche Ereignis auf’s Korn. Und bleibt dabei auch selbstironisch. Seine rundliche Figur strahlt schon rein äußerlich eine Komik aus, wenn er mit betont gemessenen Schritten im angedeuteten Messdienergewand auf die Bühne kommt. Und doch ist er keine bloße Witzfigur, sondern zeigt auch Tiefgang:

Wie hat meine Oma immer gesagt: ‚Wenn der liebe Gott nicht gewollt hätte, dass du so bist, wärst du anders‘.  Und danach lebe ich. Sie war auch eine sehr gläubige Frau – und da habe ich für meine privaten und beruflichen Erfahrungen viel aus dem Glauben mitgenommen. Und dann kann man da ganz entspannt dranrangehen. (15“)

Wer den Glauben ernst nimmt, der ist humorvoll. Klingt vielleicht paradox. Ist aber wahr: Wer humorvoll ist, weiß, dass nichts hier auf der Erde endgültig ist; der nimmt nichts zu bierernst und wird nicht verbissen. Wer glaubt, dass sogar der Tod nicht das letzte Wort hat, der kann in heiterer Gelassenheit alles ertragen. - Das ist echter Humor, der weit mehr ist als schenkelklopfende Kalauer. Aber auch die dürfen in der Fastnacht mal sein. Zum Beispiel, wenn Andreas Schmitt erklärt, dass ein Weihbischof kein Wein-Bischof ist. Alles schon erlebt. Die besten Fastnachts-Geschichten schreibt ohnehin das Leben selbst, meint Andreas Schmitt.

Der ehemalige persönliche Referent vom damaligen Weihbischof Rolly (...), der hat mir mal erzählt, dass sie in der Tat auf einer Podiumsdiskussion im Badischen waren. Und da ist ja der evangelische Glaube verbreiteter und man kennt die katholischen Amtstitel nicht so  – und da stand dann tatsächlich „Weinbischof“ Wolfgang Rolly – Das ist natürlich, haha, so was muss man einbauen, klar. (23“)

Fest eingebaut ist im Programm von Andreas Schmitt auch die Werbung für den Mainzer Dombauverein. Und auch ein Gebet für seinen Bischof, den Mainzer Kardinal Lehmann, darf nicht fehlen. Da spielt Andreas Schmitt nicht nur die Rolle des Obermessdieners, da ist er ganz er selbst – ein lebensfroher Katholik aus dem Bistum Mainz:

(Mitschnitt Büttenrede) „Und ihr kommt schneller in den Himmel hinein, werdet ihr heut Abend noch Mitglied im Dombauverein. Und danket dem Herrn auf jeden Fall – für unser’n lieben Bischof Karl. Er lobt mich bis in des Gewandes Zipfel. Und sagt immer: Bub, du bist mit Abstand der Gipfel. Das war’s, Adieu, helauluja...“ (32“)

 

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SWR1 Begegnungen

Er ist Korrespondent des ZDF für Kirchenfragen: Jürgen Erbacher aus Mainz. Und es war ein spannendes Jahr 2013, das er erlebt hat: mit einem neuen Papst, der vieles neu und anders macht: Jürgen Erbacher beobachtet und berichtet. 

 Teil 1.  – Wie ein „Vatikankorrespondent“ arbeitet… 

Ich treffe Jürgen Erbacher im 10. Stock des ZDF-Hochhauses auf dem Mainzer Lerchenberg. „Dem Himmel so nah“, denke ich, als ich in den Aufzug steige: Das passt ja zu seiner Arbeit. Wer zum ZDF kommt, muss am Pförtner vorbei, bekommt einen Tagesausweis, kann nicht einfach so reinmarschieren. Das ist wohl wie im Vatikan. Und doch ist der weit weg. Um da an Informationen zu kommen, muss man wohl direkt vor Ort präsent sein. Das geht nicht nur von Mainz aus. Also geht es abends in die Pizzeria in Rom zum Hintergrundgespräch – oder gibt es gar Seilschaften, die Infos weitertragen?

Nein, ich würde nicht sagen, in Seilschaften aktiv zu sein, aber natürlich trifft man sich mit dem ein oder anderen doch auch mal zu einem Mittagessen, einem Abendessen. Ja, es braucht eine gewisse Vertrauensbasis, damit das Gegenüber auch weiß: ok, da kann ich jetzt Dinge einfach erzählen, die nicht gleich am nächsten Tag irgendwo in der Zeitung stehen, im „Papstgeflüster“ stehen, aber die für den Journalisten einfach wichtig sind als Hintergrund, damit man bestimmte Dinge, wenn sie dann offiziell passieren, auch entsprechend einordnen kann.

Ein bisschen wie ein politischer Korrespondent in Berlin vielleicht. Und doch ganz anders. Muss sich ein Kirchenreporter eigentlich kritisch von der Kirche absetzen, um zu rechtfertigen, dass er nicht etwa der verlängerte Arm des Vatikans ist? Wie erlebt Jürgen Erbacher das?

Nein, ich glaube, man muss nicht kritischer sein. Ich glaube aber, dadurch dass man die Zusammenhänge nochmal mehr kennt, mehr in die Kirche hineinschaut, erkennt man vielleicht manche Punkte, die als kritisch anzusehen sind, die ein Kollege, der sich mit dem Thema Kirche und Vatikan gar nicht so beschäftigt, die der auf den ersten Moment gar nicht sieht.

Auf seinem Schreibtisch auf dem Mainzer Lerchenberg liegen Fachbücher, hinter ihm im Regal ist eine kleine Bibliothek, Lexika und auch eigene Bücher, die er über den Papst und den Vatikan geschrieben hat. Jürgen Erbacher ist ein Vatikan-Kenner. Wenn er auf das Jahr 2013 zurückblickt: Wie wird es wohl in die Kirchen-Geschichte eingehen, will ich von ihm wissen…

Also ich glaube, rückblickend wird man schon sagen: 2013 ist ein Jahr gewesen, dass die katholische Kirche radikal verändert hat. Das ist jetzt glaube ich zu früh zu sagen, in welche Richtung es sie verändert hat. Das liegt nicht nur allein an Papst Franziskus, der jetzt sehr positiv überall wahrgenommen wird, sondern es liegt auch mit an Benedikt XVI., der mit seinem Amtsverzicht überhaupt erst das alles möglich gemacht hat, was man jetzt seit März erlebt und beobachten kann.

Teil 2: Welche Rolle der Glaube spielt

 Papst Franziskus twittert, der Papst telefoniert, der Papst gibt Interviews: Diese direkte Kommunikation aus dem Vatikan ist neu und ungewohnt, auch für Journalisten, die sich seit Langem mit dem Vatikan befassen. Und wie ist es eigentlich, als Katholik über seinen eigenen „Chef“ zu berichten?

Ich glaube, dass das kein Problem ist, wenn man – sag ich mal - Katholik-Sein in eine Sinne versteht, wie ich es eben verstehe, dass es nicht heißt, in blindem Gehorsam einer bestimmten Person hinterherzulaufen. Und da gibt ja gerade Papst Franziskus ja quasi eine Steilvorlage, wenn er sagt: Naja, Ja-Sager um mich herum, das kann ich eigentlich gar nicht leiden; ich brauche die kritische Auseinandersetzung

 Nicht nur Ja-Sager, das gilt auch für den Glauben: Immer nur „Ja und Amen“, das geht nicht. Auch das Fragen und Suchen gehört zum Glauben, sonst verkommt er zur Besserwisserei. Jürgen Erbacher ist Katholik. Wie wirkt sich eigentlich seine Arbeit als Journalist auf seinen Glauben aus? Verändert sich der durch die Einblicke in das Innere der Kirche?

Ich lerne bei ganz vielen Ereignissen, bei denen ich dabei bin, wie faszinierend dann doch irgendwie der katholische Glaube ist. Also: dieses heilige Jahr 2000 mit diesen ganzen Veranstaltungen, die sehr unterschiedlich waren: die einen waren sehr schrill, sehr laut. Aber wenn Sie dann mal auf dem Petersplatz sind, oben auf den Kolonnaden stehen: Pfingstvigil, es ist dunkel und Sie haben auf dem Petersplatz 50000, 60000 Kerzen: Das sind so Dinge, wo ich sag: das ist schon schön, das so erleben zu können…

 …und das zeigt auch die Vielfalt des Glaubens, sagt Jürgen Erbacher. Aber: Je mehr Einblicke man hat, desto mehr sieht man natürlich auch die Schwächen. Und auch die gibt es natürlich in der Kirche.

 Also das Beispiel 2010, der Missbrauchsskandal. Wenn man dann sieht, dass es auch drei Jahre später immer noch Kirchenführer gibt, die da nicht so davon überzeugt sind, dass man Dinge klar aufarbeiten muss. Das ist dann schon ein Ärger wo man kopfschüttelnd dasteht und irgendwie sagt: Also eigentlich müsste man vielleicht jetzt auch persönlich irgendwie diesem Laden den Rücken kehren. (23“)

 Aber auf der anderen Seite gibt es dann auch wieder die positiven Erlebnisse, sagt der Journalist Jürgen Erbacher.

 Sei es jetzt, dass man selbst irgendwie ganz angerührt ist oder dass man sieht: auf Papstreisen, in Rio, Weltjugendtag jetzt, dass es so viele Menschen gibt, die aus dieser Institution jetzt irgendwie auch Kraft schöpfen, dass diese positiven Dinge am Ende doch überwiegen.

Auch das ist eine Bilanz für das Jahr 2013. Am Neujahrsmorgen geht der Blick natürlich auch nach vorn. Ich frage den Vatikankenner: Was erwartet uns wohl 2014 vom Papst?

Ich glaube, der Papst wird diese Themen, die man bei uns als die heißen Eisen bezeichnet, die wird er nicht vergessen, wie man am Beispiel Wiederverheiratet-Geschiedene sieht, aber er setzt natürlich eine andere Agenda. Diese Themen: soziale Gerechtigkeit, das Thema Armut, Flüchtlinge und so weiter. Und ich glaube in dem Bereich werden wir noch ein paar interessante Dinge von ihm erleben.

Also zuversichtlich in die Zukunft! Auf ein gutes neues Jahr! Jürgen Erbacher wird darüber berichten.

 http://blog.zdf.de/papstgefluester/

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SWR1 Begegnungen

Eberhard Hüser aus Mainz: Im Berufsleben war er bis zu seiner Pensionierung im Mai Personalchef des Bistums. In seiner Freizeit fährt er seit mehr als 20 Jahren jeden Sommer nach Lourdes in den französischen Pyrenäen. Doch nicht als Reiseleiter, sondern um in der Krankenstation mitzuhelfen. Warum er von den kranken Menschen mehr lernt als von manchem Professor, darüber hat sich Michael Kinnen von der Katholischen Kirche mit ihm unterhalten.

 Teil 1. Lourdes fasziniert – wenn die Sehnsucht kommt 

Ich treffe Eberhard Hüser in seinem Büro in Mainz. In Gedanken ist er schon bei seiner nächsten Lourdes-Wallfahrt. Über 20 mal schon war er dort. Jedes Jahr. Und es fasziniert ihn immer wieder. Dabei ist das alles andere als ein Urlaub, was ihn dort erwartet: 

Sie nehmen sich Urlaub, um anderen Menschen zu helfen. Salopp könnte ich sagen: Die nehmen sich Urlaub, um andere zu duschen oder den Po abzuwischen  

Mit anderen unterstützt Eberhard Hüser kranke und behinderte Menschen in Lourdes, hilft ihnen in den Bädern, beim Essen und begleitet sie dorthin, wo sie selbst nicht hinkommen. Der ehemalige Personalchef ist Dienstleister – und gleichzeitig Schüler...:

Ich lerne von deren Leben, wie die mit ihrem Leben und den Konflikten umgehen,  wie sie mit dem Rollstuhl umgehen, wie sie mit der Scheidung umgehen, wie sie mit der Krankheit: Da drin noch Mut zu finden, danach Sehnsucht zu haben in Lourdes und mit denen unterwegs zu sein, bereichert mich sehr.  

Unterwegs sein mit anderen, Begegnungen, die bereichern. Das klingt alles sehr fromm. Und wer an Lourdes denkt, der hat vielleicht betende und singende Menschen vor sich, rosenkranzbetende Senioren. Aber Eberhard Hüser sieht das anders: 

Das sind Menschen wie du und ich. Ganz normale Leut, aber Menschen mit viel Sehnsucht. Das ist vielleicht der Unterschied: viel Sehnsucht!  

Die Sehnsucht. Mhh. Sehnsucht hab ich auch: Nach einem gelingenden Leben, nach Liebe, Freundschaft, Gesundheit und Glück. Aber muss ich dazu nach Lourdes pilgern? Was passiert da überhaupt in Lourdes? Eberhard Hüser erzählt mir von einer Frau, mit einem Gesicht, dem man Leiden und Krankheiten ansah. Die Spuren eines leidvollen Lebens. Sie kam nach einer Lourdeswallfahrt wieder nach Hause...

 ...und der Taxifahrer hat sie dahingebracht. Und da hat sie ihm gesagt: Jetzt hupen Sie mal. Und aus allen Türen, die da in diesem Ensemble waren, kamen Leute gerannt und sagten: Was ist denn mit dir? Du hast ja ein ganz anderes Gesicht bekommen. Sie strahlte einfach. Und wahrzunehmen: Da ist ein anderes Gesicht zurückgekommen, das ist eine Kostbarkeit.  

Passieren in Lourdes Wunder? Immer wieder liest man davon. Ich tue mich damit etwas schwer. Was sind schon Wunder? Vielleicht kann mir Eberhard Hüser das beantworten?

Was sind Wunder?Es passieren ganz viele, aber es werden nur wenige anerkannt. Diese strahlende Frau, von der ich eben erzählt habe, ist für mich so eine Art von Wunder.  

Ja, schon, ein Wunder des Alltags, so wie man sich über die kleinen Dinge des Lebens freuen kann. Aber geht es in Lourdes nicht um „richtige“ Wunder? Also etwas, wo man das Gefühl hat: Da wirkt Gott jetzt ganz konkret? 

Ich frage mich dann einfach: Warum diese Zeichen? Wunder oder Zeichen: Diese Zeichen? Damit sie mich vielleicht auch erschüttern, dass manches von Vorgefertigtem, was Gott so tun, einfach nicht passt. Ich krieg ihn nicht eingepackt in einen Betonkasten, er tut doch, was er will. Und oftmals erleb ich das. Und das ist auch ein wichtiger Wert von Lourdes. 

 Musik 

Teil 2. Im Leiden lernen – und den Himmel träumen 

Lourdes öffnet den Blick für neue Perspektiven. Und es passieren Dinge, die man zuerst gar nicht für möglich gehalten hat, sagt Eberhard Hüser. 

Ich erlebe Männer, die zunächst aussehen wie ein Pfau. Ich denke an eine Soldatenwallfahrt, wo Schwarze mit weißer schicker Admiralsuniform oder so was ähnlichem kamen. Und auf einmal stehen sie im Lendenschurz vor dem Bad und sollen still sein und überlegen, warum sie in das Bad gehen - und die Tränen kullern. Das lässt mich nicht kalt. Nackt vor Gott stehen. Ist das erbärmlich. Oder ist nackt vor Gott stehen der einzige, vor dem ich das darf?  

Eberhard Hüser ist keiner, dem man Sentimentalitäten nachsagt. Und doch merke ich ihm an, dass ihn das berührt hat, was er in Lourdes erlebt. Er hilft kranken und behinderten Menschen. Dabei ist er es, der lernt – von seinen Exerzitienmeistern, wie er sie nennt. 

Die müssen mir nichts sagen. Die müssen mir keinen religiösen Vortrag über eine Bibelstelle halten. Aber wie sie ihren Glauben leben. Oder wie dieser Mensch mit seinen Tränen seine Erbärmlichkeit zeigt, gestattet mir auch, zu meiner Erbärmlichkeit zu stehen. 

Das ist nicht das „Rummel-Lourdes“ der Touristen und Souvenirjäger. Das gibt es auch, aber das sieht Eberhard Hüser nicht mehr. Für ihn ist die Begegnung mit Menschen wichtig, die wie er Sehnsucht haben. Und die findet er nicht nur in Lourdes. Am Beginn seines Berufslebens hat er mal als Krankenhausseelsorger gearbeitet. Später war er Personalchef. Heute, im Ruhestand, engagiert er sich auch in der Hospizarbeit, verwaltet eine Stiftung. Und denkt an Menschen, die an der Schwelle des Lebens zum Tod stehen. Eine alte Frau zum Beispiel, die schon sehr krank war: 

Und dann sagt sie: Manches in der Bibel verstehe ich nicht. Da steht: Klopfet an und es wird euch aufgetan, bittet und es wird euch gegeben. Das funktioniert nicht immer. Tja, da sitzen sie mittendrin in einer Kostbarkeit, wo diese Frau über ihre Sehnsucht vom Sterben spricht: Klopfet an: Sie will zu Gott. Ich glaube, wichtig ist, dass wir uns angewöhnen aufmerksam zu sein: Was steht denn in dem kleinen Nebensatz, der da gerade gesagt wurde.  

Hinhören auf die kleinen Kostbarkeiten. Das beeindruckt mich. Wie oft überhöre ich im Alltagsrauschen diese kleinen Dinge, weil sie nicht laut und schrill genug daher kommen? Wenn jetzt die triste Zeit des Novembers beginnt, die Totengedenktage, das Düstere: Dann brauche ich solche kleinen Kostbarkeiten umso mehr. Damit der Tod und die Trauer nicht das letzte Wort haben. Aber was kommt dann? Eberhard Hüser erzählt mir beim Abschied von einer sterbenden Frau. Die erzählte ihm... 

Ich habe geträumt, dass ich ein langes weißes Kleid anhatte mit einem Stehbündchen – das musste sie immer haben, war ihre Mode. Ich war auf einem großen Fest mit ganz vielen Menschen. Ja, mein Mann war auch noch da, der war schon lange tot. Und er spielte wie immer Karten. Das machte nichts, ich konnte ihm das lassen. Sie hat ihren Himmel geträumt: Es sind viele Menschen da, die sie nicht kennt, aber alle sind freundlich. Sie können sich mit ihren Marotten ertragen, sie kann auch die Marotte des Kartenspiels ertragen, was sonst nicht ging. Das ist Himmel: ganz einfach ausgedrückt .

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