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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Manchmal ist es besser, man tut nichts. Gar nichts. Das hat mir meine Orchidee beigebracht. Die hab ich gehegt und gepflegt, hab sie nach Vorschrift gewässert und ihr gut zugeredet. Aber sie wollte nicht blühen. Sie wollte nicht mal Blätter kriegen. Nur verdorrte Ästchen.

Irgendwann hab ich es aufgegeben. Habe sie einfach in eine Ecke gestellt und mich nicht mehr um sie gekümmert. Ein Jahr lang. Und jetzt hat sie plötzlich zwei neue Blüten – einfach so – ohne mein Zutun. Wunderbar!

Ist das nicht schön? Manches gelingt auch, wenn ich mich nicht anstrenge. Vielleicht gelingt es gerade deshalb. Weil ich mich nicht anstrenge. Manches blüht auf, weil ich nichts mache. Weil ich die Dinge einfach sich selber überlasse. Aber nicht nur sich selber.
Ich überlasse es auch Gott. Oder anders gesagt: Ich lege es in Gottes Hand.

Es gibt Wochen, da zermartere ich mir den Kopf darüber, was ich am Sonntag im Gottesdienst predigen soll. Aber es kommt einfach kein guter Einfall. Und wissen Sie was? Wenn ich aufhöre, darüber nachzugrübeln, dann kommt er, der Einfall. Wenn ich einen Kaffee trinken gehe und zuschaue, was die Leute so machen. Einfach so. Auf einmal ist sie da, die zündende Idee.

Eine Freundin will immer schon abnehmen. Alle möglichen Diäten hat sie schon ausprobiert. Sie hat sogar eins von diesen Fitness-Armbänder gekauft. Aber das hat sie nur noch mehr gestresst. Und vor lauter Frust hat sie noch mehr gegessen. Irgendwann hat sie sich gesagt: Jetzt reicht’s. Jetzt ist es eben so, wie es ist. Und was soll ich sagen: Da hat sie die ersten Kilos verloren.

Ist das nicht schön? Vieles funktioniert ganz ohne unser Zutun – manches funktioniert sogar besser! Probieren Sie das doch mal aus. Heute. Mal was loslassen. Aus der Hand geben. Und in Gottes Hand legen. Und darauf vertrauen, dass er was Gutes draus macht.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Die Sache mit Gott ist so ähnlich wie Tandemfahren.
Vielleicht haben Sie das schon mal gemacht. Man fährt zu zweit, aber mit einem Fahrrad. Ich mache das öfters mit meinem Mann. Jeder sitzt auf seinem Sattel, hintereinander und los geht’s.

Glauben ist für mich wie Tandemfahren. Ich sitze vorne – Gott sitzt hinten.
Das ist praktisch. Weil ich mit Gott reden kann, wann immer ich das will. Er ist ja da.

Ich muss auch keine Angst haben, dass er mir verloren geht. Und ich kann ihn auch nicht loswerden. Er bleibt immer hinter mir. Am Schönsten aber finde ich: Wenn es mal steil nach oben geht, dann tritt Gott mit in die Pedale. Gibt mir den nötigen Schwung. Und wenn es zu schnell nach unten geht, bremst er mich ab.
Das finde ich überhaupt das Schönste am Tandemfahren.

Es gibt ja Anstiege, wenn ich die sehe, steige ich schon ab. Aber auf dem Tandem nicht. Weil ich weiß: Zusammen schaffen wir das.
Es gibt Tage, die liegen wie eine Bergetappe der Tour de France vor mir. Da weiß ich morgens nicht, wie ich alles schaffen soll. Unmöglich, sag ich mir. Das schaffst du nie.

Aber irgendwie, keine Ahnung woher, krieg ich dann doch die Kraft, die ich brauche.
Vielleicht sagen Sie jetzt: Das hat doch nichts mit Gott zu tun. Das warst du selber. In schwierigen Situationen wächst man halt über sich hinaus.

Das glaube ich nicht. Und es fühlt sich auch anders an. Nicht ich wachse über mich hinaus, ich krieg ihn geschenkt, den nötigen Schwung. Wie beim Tandemfahren. Weil da jemand hinter mir in die Pedale tritt.

Ja, hinter mir. Beim Tandemfahren sitze ich nämlich vorne – und Gott sitzt hinten.
Ich lenke. Ich entscheide, ob es rechtsrum oder linksrum geht. Die Verantwortung dafür, wo es hin geht, liegt bei mir.

Aber ich bin mit der Entscheidung nicht allein. Ich habe einen Freund. Der sitzt hinter mir und hilft mir, wenn ich mich mal vertan habe mit dem Weg. Wenn ich denn höre, was er mir zu sagen hat.

 

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Morgens früh aufstehen, das gehört nicht zu meiner Lieblingsbeschäftigung. Aber was muss, das muss.  
An manchen Tagen allerdings folgt auf das Muss noch eins. Und noch eins. Da treibt ein Termin den anderen vor sich her. Und am Abend bin ich ganz geschafft. Dann würde ich zu Hause am liebsten aufs Sofa fallen und nicht mehr aufstehen. Aber auch dann hört es nicht auf mit dem Muss.

Ich muss doch noch die Zeitung lesen, ich muss doch wissen, was es Neues gibt in Rheindürkheim. Und im Garten sprießt das Unkraut – wie sieht denn das aus!
„Sag mal“, hat mich ein Kollege gefragt, „gibt es eigentlich was, was du nicht machen musst? Was du einfach nur machen willst oder machen darfst?“ Das hat mir die Sprache verschlagen.

Und ich hab begriffen: Manchmal bin ich so fixiert auf das, was ich noch tun muss oder müsste, dass ich alles andere gar nicht mehr sehen kann. Da denke ich mir sogar was Neues aus, was ich unbedingt tun muss. Stell mir vor, was die anderen sonst noch so von mir erwarten. Statt zu sagen: Hey, du hast frei!! Wozu hast du jetzt Lust?

Gibt’s eigentlich auch was, was du tun willst? Die Frage meines Kollegen hat vieles verändert. Jetzt spiele ich wieder mehr Gitarre. Das Unkraut bei uns wächst etwas höher und die Zeitung kommt ab und zu ungelesen in die Tonne. Und ich nehme mir mehr Zeit zum Beten.

Mir tut das unglaublich gut. Und ich glaube: Gott hat sicher auch seine Freude mit mir.
Nicht nur weil ich mehr bete – obwohl ihn das sicher besonders freut.

Die Bibel sagt: Gott hat uns als freie Menschen geschaffen – nicht als Arbeitsmaschinen oder Heinzelmännchen. Gott will, dass wir gerne leben. Dass wir Lust haben an dem, was wir tun und dass wir gesellig sind. Vielleicht Musik machen oder tanzen.

Ach ja – Gib’s eigentlich auch was, was Sie gerne machen wollen?
Vielleicht ist heute ja die Zeit dazu.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Seine Familie kann man sich nicht aussuchen, heißt es. Man wird in sie hineingeboren. Manche haben Glück und werden in eine Familie hineingeboren, die zusammenhält und sich gegenseitig hilft, andere nicht. Ganz egal wie es kommt – Eltern bleiben immer die Eltern ihrer Kinder und Kinder bleiben immer die Kinder ihrer Eltern.
Familie kann aber noch viel mehr sein.

Schon in der Bibel ist Familie mehr als Vater – Mutter – Kind. Da gibt es Leihmütter und Stiefväter, ungeplante Schwangerschaften und Halbgeschwister. Schon damals waren die Familienbande so bunt wie heute.

Jesus sagt einmal sogar: „Meine Familie, das sind die Menschen, die wie ich an Gott glauben und nach seinem Willen leben. Wir haben noch einen Vater – einen im Himmel“, hat Jesus gesagt. Und dass man zu ihm reden kann wie zu einem Papa. Und dass der sich genauso um uns kümmert.

Für Jesus gibt es Familie auch ohne Blutsverwandtschaft. So wie bei einer Kollegin. Ihre Kinder haben drei Opas und drei Omas. vier leibliche und zwei aus dem Nachbarhaus. Die passen auf die Kinder auf, wenn die Eltern arbeiten müssen. Sie spielen und kümmern sich um sie, als wären es ihre eigenen Enkel. Sie tun das gern. Sie haben nämlich keine leiblichen Kinder.

Eine Bekannte ist mit 15 von zu Hause ausgezogen. Die Mutter Alkoholikerin, der Vater völlig hilflos. Da ist sie einfach bei ihrer Patentante eingezogen – und bis heute ist die für sie wie eine Mutter. Es gibt so viele, die miteinander leben wie in einer Familie. Die miteinander lachen und weinen, sich gegenseitig trösten und Herausforderungen gemeinsam anpacken.

Sie sind verlässlich füreinander da – ganz ohne Verwandtschaftsbeziehung! Männer werden zu Ersatzpapas, Frauen zu Leihomas. Freunde werden zum Bruder oder zur Schwester. Das ist ein wahrer Segen! Solche Menschen wünsche ich auch Ihnen an Ihrer Seite.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Jesus war gern mit Menschen zusammen, hat mit ihnen gegessen, getrunken und gefeiert. Kein Wunder, dass einige damals gemeint haben: „Der muss ein Fresser und Weinsäufer sein! So einer will was bewegen? Der will die Welt verändern? Ausgerechnet der?

Ja, ausgerechnet der. Jesus hat nicht nur mal kurz Pause gemacht, um schnell was zu essen und zu trinken. Damit er wieder besser Wunder wirken kann. Wäre dem so gewesen, dann hätte er am Ende solcher Pausen gesagt: „So, genug geredet und genug gefaulenzt! Jetzt geht’s wieder an die Arbeit. Wo gibt’s einen Kranken zu heilen? Wen muss ich belehren, damit er sein Leben ändert?“ Aber sowas berichtet die Bibel nicht. Jesus hat auch keine „Arbeitsessen“ gehabt, wo ja bekanntlich die eigentlichen Entscheidungen gefällt werden. Sondern miteinander essen und trinken – das war für ihn was Besonderes, vielleicht sogar was Heiliges.

Weil beim gemeinsamen Essen, Trinken und Feiern immer etwas Besonderes passiert. Nicht durch große Reden sondern durch die Art, wie man zusammen ist. Da können Wunder passieren.

So wie bei Zachäus. Den konnte keiner leiden, weil er in die eigene Tasche gewirtschaftet hat. Als Jesus dem begegnet, redet er ihm nicht erst mal ins Gewissen. Von wegen: „Ich weiß, dass du die Leute betrügst. Ich aber sage dir: Hör auf damit! Dann werde ich dich auch mal besuchen.“

Nein, Jesus sagt: „Heute Abend will ich mit dir zu Abend essen.“ Und das haben sie gemacht. Haben gegessen und getrunken, geredet und sich kennengelernt. Und am Ende sagt Zachäus ganz von allein: „Ich weiß, dass ich Unrecht getan habe. Ich will meine Schuld wieder gut machen. Ich gebe den Leuten ihr Geld zurück. Mehr sogar als ich ihnen genommen habe.“

So ist das passiert, damals, zwischen Jesus und Zachäus. Und wahrscheinlich bei vielen anderen auch. Es ist beim Essen und Trinken passiert. Einfach nur beim zusammen sein. So einer war Jesus, der Fresser und Weinsäufer. Er hat nicht darauf geschaut, was einer ist oder was er darstellt vor Anderen. Er hat den Menschen kennenlernen wollen. Solche Begegnungen sind der Stoff, aus dem Wunder gemacht sind.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Ich bin kein Ehrenamtlicher, ich bin nur Nachbar“, sagt ein Mann aus unserem Ort. Dabei engagiert er sich wirklich sehr und hilft der afghanischen Familie, die jetzt neben ihm wohnt. Er hat geholfen, ihre Wohnung etwas schöner einzurichten. Tisch und Schränkchen vom Speicher, Stühle und Vorhänge von Bekannten. Jetzt repariert er die Fahrräder, wenn sie kaputt sind, oder hilft, die Briefe vom Amt zu übersetzen.

„Ich bin kein Ehrenamtlicher, ich bin nur Nachbar.“ Dieser Satz ist mir hängen geblieben. Weil er das so selbstverständlich gesagt hat. Ich bin nur Nachbar. Keine große Hilfsaktion, einfach kurze Wege von Tür zu Tür oder einmal schräg über die Straße. Nachbarschaft eben.

Ich selbst habe von Nachbarschaft schon oft profitiert. Gerade im Studium. Da habe ich unter einer Familie mit zwei Kindern gewohnt. Immer, wenn ich irgendein Werkzeug gebraucht habe, konnte ich es mir ausleihen. Und wenn ich mal mit großem Gepäck zum Zug musste, hat einer aus dem Haus mich gefahren. Dafür habe ich ab und zu auf die Kinder aufgepasst oder im Urlaub die Blumen gegossen. Das war gut für beide Seiten. Gute Nachbarschaft eben.

Bei uns im Ort erlebe ich ganz viel gute Nachbarschaft. Da kommen die Nachbarn zum Geburtstag vorbei, gratulieren und feiern mit. Man weiß, wenn jemand ins Krankenhaus gekommen ist, und holt die Post rein.

Ich bin überzeugt: die Flüchtlinge, die jetzt unter uns leben, die brauchen uns weniger als Ehrenamtliche. Sie brauchen uns in erster Linie als Nachbarn. Als Menschen um die Ecke, die ansprechbar sind. Und sei es nur für ein paar Worte zwischen Tür und Angel. Und ich glaube, das ist gut für beide Seiten.

Weil die Menschen, die zu uns kommen, natürlich auch etwas anzubieten haben. Gastfreundschaft zum Beispiel. Bei keinem Besuch bin ich bisher ohne eine Tasse Kaffee oder Tee wieder gegangen. Auch wenn ich nur einen Termin weitersagen wollte. Eine syrische Frau in unserem Ort kann sehr gut nähen, und hat das auch schon für ihre Nachbarn gemacht. Ich bin mir sicher: Wenn wir einfach nur gute Nachbarschaft pflegen, dann gibt es viel zu entdecken. Für beide Seiten.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Wind kann man nicht sehen.Trotzdem würde keiner sagen: Den Wind gibt es nicht.
Wind ist unsichtbar, so wie die Luft. Aber wir können sehen, was er bewegt: Die Blätter in den Bäumen, die Wäsche auf der Leine, das Windrad auf dem Hügel.

Und genauso ist das für mich mit Gott. Gott kann ich auch nicht sehen. Und doch bin ich überzeugt: Er umgibt uns, wie die Luft. Gott ist unsichtbar. Aber ich kann sehen, was er bewegt: Menschen zum Beispiel. Menschen, die ihr Leben ändern oder über sich hinauswachsen.So wie Jeremia, von dem die Bibel erzählt.
Als Jeremia gelebt hat, ging es vielen Menschen schlecht.
Die Mächtigen spielten ihre Machtspiele und die Schwachen mussten sehen, wo sie bleiben. Jeremia hat sich hingestellt und laut auf diese Missstände aufmerksam gemacht.

Keine schöne oder leichte Aufgabe. Eigentlich wollte Jeremia das auch gar nicht. „Ich bin viel zu jung und unerfahren“, hat er gesagt. Aber sein Glaube hat ihm Mut gemacht, den Mund aufzumachen. Sein Glaube hat ihm die Angst genommen.

Manchmal kann ich nur staunen, was Gott alles bewegt. Wenn Menschen im Gottesdienst oder in der Kirche zur Ruhe kommen. 

Wenn sie dort abschalten und aufatmen können. Wenn Menschen trotz der schweren Aufgabe, die sie vor sich haben, Vertrauen haben. Und sagen: Mein Glaube gibt mir Kraft. Ich habe keine Angst, ich schaffe das! 

Dann wirkt Gott wie ein starker Rückenwind und setzt Energie frei.Manchmal erlebe ich Gott aber auch als heftigen Gegenwind. 

Denn Gott ist ja nicht nur gut fürs persönliche Wohlbefinden. Manchmal bläst mir sein Anspruch an mich ganz schön ins Gesicht. „Teile, was du hast und hilf den Anderen! Hat Jesus gesagt. Streitet nicht drüber, wer der Größte ist. 

Das liegt mir manchmal richtig quer. Und manchmal bremst es mich aus und macht mich nachdenklich. Dann muss ich irgendwann auch mal meine Richtung ändern. Und das ist oft sehr gut und heilsam gewesen. 

Der Wind weht wo er will. Und mit Gott ist es genauso. Manchmal bläst er uns heilsam ins Gesicht, ein anderes Mal gibt er den nötigen Schwung. Heute ist er uns hoffentlich ein starker Rückenwind!

 
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Vor einer Weile bin ich in einen Streit geraten. Also nicht ich, zwei Andere haben sich gestritten. Ein Wort gab das andere. Jeder hat es besser gewusst. Und schließlich flogen die Fetzen. Irgendwann ist einer der Streithähne aufgestanden, hat sich geräuspert und gesagt: „Ich bitte euch um Verzeihung. Ich habe mich im Ton vergriffen, das tut mir leid.“ Dann war es still. Nach einer Weile hat ein Anderer gesagt: „Ist in Ordnung. Ich bin eben auch nicht immer sachlich gewesen.“
Danach ist die Diskussion versöhnlich verlaufen. Am Ende gab es sogar einen Kompromiss.
Seitdem kommt mir diese Situation in den Sinn – immer wenn es um das Thema Streit geht.
Dass sich jemand vor versammelter Mannschaft hinstellt und einen Fehler eingesteht. Dass er die anderen dafür sogar um Verzeihung bittet, das erlebe ich nicht oft. Das finde ich stark!
Und das wünsche ich mir viel öfter.
Durch seine Bitte um Verzeihung konnte der Streit beendet werden ohne dass es Gewinner oder Verlierer geben musste. Das war heilsam.
Obwohl das eigentlich jeder weiß: Es braucht viel mehr Mut, um Verzeihung zu bitten als einfach weiterzumachen nach dem Motto ‚Wie du mir so ich dir‘.
Ich glaube: Versöhnung ist nichts für Weichlinge. Es braucht Mut, sich nicht rauszureden oder seine verletzenden Worte zu rechtfertigen. Es braucht innere Größe sich hinzustellen und zu sagen: „Ich bitte um Verzeihung.“
Und es braucht nicht weniger Größe zu sagen: „Ich vergebe dir. Ich werde es zwar nicht vergessen, aber ich werde mich nicht rächen.“
Das klingt großartig, trotzdem fällt mir das nicht leicht. Als mich ein ehemaliger Mitbewohner einmal über den Tisch gezogen hat, hat mich das Monate lang wütend gemacht. Ich bin den Ärger einfach nicht losgeworden. Irgendwann bin ich in einem Gottesdienst an einer Bitte im Vater Unser hängen geblieben. Ich habe mir selber zugehört, als ich gebetet habe: Vergib uns unsere Schuld, Gott, wie auch wir denen vergeben, die an uns schuldig geworden sind.“ Auf einmal war der Ärger weg. Ich war einfach nicht mehr wütend.
Vielleicht hat Vergeben doch was mit Gott zu tun. Dass er uns schon längst vorausgegangen ist mit dem Vergeben. Wir machen es ihm nur nach.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Gute Wünsche zum Neuen Jahr – bei uns hängen die Karten noch immer an unserer Pinnwand. Immer wenn ich zum Kühlschrank gehe, schaue ich sie mir an: Da hat man uns alles Mögliche gewünscht, vor allem aber: Gottes Segen.
Viele Wünsche verstehe ich sofort: Gesundheit, Erfolg – da weiß ich, was damit gemeint ist. Aber Segen?
Was ist eigentlich Gottes Segen? Und woran merke ich, dass ich gesegnet bin?
Manchmal sagt man ja zu Leuten, denen scheinbar alles gelingt: Die sind gesegnet.
So wie eine Bekannte, die im Beruf erfolgreich ist, viel Zeit mit der Familie verbringt,
die immer gut drauf ist und scheinbar nie krank.
Segen würde dann heißen: Bei denen läuft alles glatt.
Wenn dem so wäre, wäre ich alles andere als ein gesegneter Mensch.
Bei mir läuft längst nicht alles glatt.
Was aber ist Segen dann? In der Bibel heißt es an einer Stelle:
„Gott segne dich, er lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.“
Ich mag dieses Bild. Segen heißt vor allem: Ich werde gesehen. Ich fühle mich wahrgenommen. Gott lässt sein Angesicht über mir leuchten. Er sieht hin. Und ich bin an-gesehen. Wodurch?
Die Bibel sagt: Gott sei dir gnädig. Er ist dir wohlgesonnen, egal wie es in deinem Leben gerade steht. Er sieht hin, auch wo andere gerne wegsehen.
So gesehen ist Gottes Segen geradezu eine Wohltat. Und mehr als das.
Er bewirkt, dass wir Menschen Gutes tun können.
Denn wenn ich gnädig an-gesehen bin, fällt es mir leichter auch andere so anzusehen.
Manchmal merke ich etwas von Gottes Segen.
Wenn ich genau hinschaue auf das, was oft selbstverständlich erscheint.
Wenn ich nach Hause komme und mein Mann nimmt mich in den Arm, dann ist das für mich ein Segen.
Und es ist ein Segen für mich, dass ich meine Freunde anrufen kann, wann immer mich der Schuh drückt. Und dass sie gnädig meine eine und andere Macke übersehen. Das tut mir nicht nur gut, das beflügelt mich und gibt mir Kraft.
Sodass ich vielleicht auch für andere ein Segen sein kann.
Nicht immer fällt es mir leicht, Gottes Segen wahrzunehmen.
Trotzdem bin ich überzeugt, dass er wirkt, schon jetzt am Jahresanfang!
Darum wünsche ich Ihnen Gottes Segen! Für heute und für das ganze Jahr!

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Ist das nicht wunderbar! Ungefähr 7 Milliarden Menschen gibt’s auf der Welt. Aber keinen gibt es zweimal. Jeder Jeck ist anders, sagt man. Selbst eineiige Zwillinge sind verschieden und wenn ich an unsere Tochter denke: Die hat schon als Baby ihre Eigenart.
Ich finde das großartig, denn das heißt ja auch: Keiner ist austauschbar. Jede und jeder ist einzigartig – mit eigenen Stärken und Schwächen, mit einer eigenen Geschichte und eigenen Gedanken.
Ich glaube, dass jeder Mensch von Gott einzigartig geschaffen ist, auch wenn wir uns manchmal gar nicht so einzigartig fühlen, und uns und andere gerne in Typen einteilen oder miteinander vergleichen.
Ein Freund hat neulich zu mir gesagt: „Ich finde, du bist der Typ ‚Lehrer‘. Findest du nicht auch?“ Er beruft sich dabei auf eine Typenlehre, die auf den Psychologen Carl Gustav Jung zurückgeht. 16 verschiedenen Typen stehen dabei zur Auswahl. So zum Beispiel auch der Unterhalter, der Abenteurer oder der Beschützer.
Als ich mir durchgelesen habe, welche Eigenschaften den Typ Lehrer kennzeichnen, habe ich mich an vielen Stellen wiedererkannt. An anderen Stellen aber auch gar nicht.
So ganz passt es eben nicht, Menschen in verschiedene Typen einzuteilen.
Soll es wohl auch nicht.
Aber durch die Bemerkung meines Freundes ist mir noch mal aufgefallen, wie verschieden die Menschen um mich herum sind.
Klar sind Raphi und Larissa beide unglaublich hilfsbereit.
Aber Larissa ist eher spontan, während Raphi ihr Handeln mehr durchdenkt.
Von meinen Freunden und Bekannten gleicht keiner dem anderen. Und das ist gut so!‘
In der Bibel sagt das einer so: „Ich danke dir Gott, dass ich wunderbar gemacht bin.“
Denn das sind wir: Wunderbar gemacht und einzigartig!
Sie, der Mann im Auto vor Ihnen, Ihre Nachbarin, Ihr Chef und ich auch.
Wunderbar gemacht – auch mit Bauch und krummer Nase.
Wunderbar gemacht – ob schüchtern oder schlagfertig.
Wir sind einfach einzigartig! Und heute ist ein guter Tag, das zu zeigen.

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