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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Mein Vater setzte sich, als wir klein waren, jeden Abend zu uns Kindern ans Bett. Das war ein Ritual. Er fragte uns, was wir den Tag über gemacht hätten, fragte, wie es uns ergangen sei, fragte nach den Erlebnissen, die einem das Einschlafen oder die Nacht schwer machen könnten.

Wir Kinder antworteten meist – jedenfalls, wenn nichts Schlimmes vorgefallen war - mit nur wenigen Worten. Denn wir wollten schnell zum nächsten Punkt des Abendrituals: Vater erzählte. Oder er las vor.
Das war wunderbar.

Wir tauchten ein in die Welt von Hänsel und Gretel, schüttelten den Kopf über Hans im Glück, und Hans-Christian Andersen erfüllte uns mit tiefempfundenem Mitgefühl. Heiligenlegenden spiegelten uns eine schillernde Welt vor und biblische Geschichten erfüllten uns mit großer Ehrfurcht.

Eine ganze Welt lernten wir so kennen, und die Figuren der Erzählungen lebten in uns weiter. Sie halfen uns, die Welt zu verstehen, zu verstehen, was Gut und Böse ist und Mitgefühl zu entwickeln.

Die Erzählungen haben uns Kinder verbunden mit einem ganzen Strom an Kultur, sie haben uns verbunden mit dem, woran unsere Väter und Mütter geglaubt haben und wofür sie eingestanden sind. Die Märchen, Mythen und die biblischen Geschichten haben mich zu einem Europäer gemacht und zu einem Christenmenschen. Ganz einfach: Durch erzählen.

Später dann entdeckte ich, dass auch andere erzählen können. Mein Religionslehrer in der Grundschule veranschaulichte, ja: inszenierte die Geschichten von Mose und den Israeliten. So lebendig, dass mir die Bilder, die er mit seinen Worten malte, heute noch vor Augen sind. Oder die Geschichten aus dem Neuen Testament, wie Jesus den Gelähmten am Teich Betesda heilt – ich sehe das Wasser des Sees heute noch plastisch vor Augen, als sei ich dabei gewesen.

Es ist wundervoll, wenn Menschen erzählen können und wollen. Mit ihren Erzählungen lassen sie vor uns eine Welt lebendig werden, die mit anderen verbindet, die Sinn stiftet, die ein Zuhause gibt. Ein großes Ganzes, das weit über uns hinaus geht, eine Weltordnung entsteht so, die Werte kennt wie Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Nächstenliebe.

Und es ist wundervoll, wenn heute noch, immer wieder, in den Kirchen solche Erzählungen zu hören sind. Packend erzählt, liebevoll erzählt, voller innerer Beteiligung.

Wir Christen, wir sind eine Erzählgemeinschaft. So entsteht Heimat für die Seele.
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Bei meiner Großtante stand immer so eine große Standuhr im Flur. Und zu jeder vollen und halben Stunde dröhnte der Gong durchs ganze Haus. Ich mag diese alten, mechanischen Uhren mit ihren Zeigern und runden Zifferblättern.
Manche geben ungeheuer viel Geld aus für einen Chronometer. Als ob sie der Zeit ein angemessenes Gehäuse geben wollten.
Wenn ich auf solche Uhren schaue, verliert die Zeit für mich das Bedrohliche: Jede Sekunde ist ja unwiederbringlich, sie zerrinnt, wie einem Sand durch die Finger rieselt: gleichmäßig, unaufhaltsam, still… und unauffindbar, wenn man hinterher nach ihr sucht. Nicht umsonst fürchten viele heute den Zeitverlust als eins der größten Probleme.
Die Bibel beharrt jedoch schon immer darauf: die Zeit, und zwar: alle Zeit kommt aus Gottes Hand. Gott steht am Anfang aller Zeit und allen Lebens, und Gott wird uns auch am Ende aller Tage erwarten. Und zwischen Beginn und Ende liegt die Geschichte jedes einzelnen Lebens, mit all seinen Höhen und auch seinen Tiefen, mit seinen Siegen und den Niederlagen.
Jede einzelne Lebensgeschichte ist ein Geschenk aus Gottes Hand, steht in der Bibel, wie zum Beispiel in einem Psalm, wo es heißt: „Ich aber, Herr, hoffe auf dich und spreche: Du bist mein Gott! Meine Zeit steht in deinen Händen.“
Kürzer und prägnanter kann man es kaum zusammenfassen. Warum wir ruhig bleiben können und vertrauen haben in die Zukunft: Wenn meine Zeit in Gottes Händen steht, läuft sie nicht gegen mich, sondern mit mir. Es ist geschenkte Zeit. Selbst im Blick zurück, wenn mir nicht mehr viel Zeit bleibt in meinem Leben, kann ich Gottes milde Hand entdecken: In manchem Schönen, was ich erlebt habe, sicher auch in manchem Schweren. Denn: In der Zeit unseres Lebens geht Gott selbst mit uns.
Und so verliert das Vorrücken des Zeigers seine Bedrohlichkeit. Weil wir in jeder Sekunde, ganz leise, kaum spürbar, von Gott begleitet und getragen werden.
Deshalb finde ich es schön, wenn manche sich so eine alte Regulatoruhr in den Flur stellen und so der Zeit ein besonderes Gehäuse geben.

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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Kennenlernen, so heißt das Projekt. Eine Grundschulklasse in Düsseldorf hat sich das ausgedacht. Kennenlernen der Mitschüler. Warum? Weil so viele verschiedene Nationen inzwischen an der Schule sind. Wir kennen uns ja gar nicht, haben die Kinder gesagt.
Was macht Ali, wenn er nach Hause kommt? Warum geht Yussufs Vater in die Moschee? Und wie ist das, wenn man schwarze Haut hat? Kinder sind neugierig. Und sie stellen Fragen über Fragen.
Kinder wollen wissen: Wer seid ihr, woher kommt ihr, wie lebt ihr zu Hause? Was esst ihr, welche Musik hört ihr, was denkt ihr über die Deutschen?
Und dann haben sie sich gegenseitig nach Hause eingeladen. Haben die fremden Speisen probiert. Haben den Klang der fremden Sprachen gelauscht. Haben einander ihre Musik vorgespielt…
Am Ende dieser Kennenlerntage haben die Kinder einander etwas ganz Typisches mitgegeben: Fotos von der Heimat der Eltern, traditionelle Kleider und Musik.
Und sie haben miteinander eine Landkarte gemalt und alle Orte eingetragen, aus denen die Kinder kommen. Und so wussten sie am Ende sogar, wo die Hauptstadt von Senegal liegt und dass sie Dakar heißt.
Mit all dem haben sie am Ende eine kleine Ausstellung in der Schule gemacht, und ein „Fest der Kulturen“ gefeiert. Dabei wurde afrikanisch gekocht und deutsch, also: Yams-Wurzeln mit Huhn und Sauerkraut mit Rippchen.
„Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du“ - beschreibt das die Bibel.
Das heißt doch: der Fremde ist gar nicht so fremd. Wenn du weißt, was er liebt und hofft, was er isst und wie er schläft, dann erkennst du dich selbst. Und du begreifst, dass Gott ihn liebt so wie dich. Und so kannst du deinem Nächsten auch mit Liebe und Achtung begegnen.
Kinder verstehen das und fragen nach.
Übrigens gibt es derzeit einen Preis für solche Aktionen von Kindern: Deutscher Kinderpreis. Schauen Sie mal nach: www.deutscherkinderpreis.de
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Ich bin dann mal weg“, sagen jetzt viele… und machen sich auf den Weg. Zu Fuß. Sommerzeit ist Wanderzeit. Es muss ja nicht der berühmte Jakobs-Pilgerweg sein, auch hier in der Heimat gibt es genug zu entdecken.
Mein Weg führt mich über eine Autobahnbrücke hinüber in den Wald. Für ein paar Augenblicke bleibe ich auf der Brücke stehen und schaue hinunter: Autos rasen in beide Richtungen.
Wenn man selber drin sitzt, merkt man es nicht so, aber hier oben auf der Brücke, mit etwas Abstand, kommt es mir irre vor, als wären alle gejagt oder auf der Flucht.
Hinter der Autobahn steigt die Böschung steil an, der Fußgängerweg schlängelt sich den Hang hinauf und verliert sich dann im Wald.
Der Weg, den man Schritt für Schritt zurücklegen muss, das ist ein uraltes Gleichnis für unser Leben. Im Zeitalter der rollenden Räder und der Düsentriebwerke droht es in Vergessenheit zu geraten.
„Schmal ist der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden“, so hat das Jesus in der Bibel gesagt. Ein hartes Wort, ich weiß, aber auf unseren modernen Autobahnen mit ihrem rasenden Verkehr kann ich diesen Weg nicht finden. Wohl aber abseits der Straßen, auf manchem schmalen Pfad: Rechts und links Gebüsch, Dornen, Brennnesseln, Heckenrosen.
Auf solchen Pfaden muss man auf jeden Schritt achten. Und es geht nur langsam voran; steil hinauf, dann wieder bergab. – Oft ist es traumhaft schön, bisweilen aber auch öde und trostlos.
Immer wieder neue Ausblicke, bald hinter jeder Biegung. Das Ziel ist noch weit, aber man sagt, es sei dort traumhaft schön. Also gehe ich und hoffe, dass es stimmt!
Das Gleichnis vom Lebensweg, viele haben darüber nachgedacht. Auch Jesus. Alle kommen zu dem Schluss: Das Leben – das erfüllte, sinnvolle Leben findet man nicht, wenn man fährt, wo alle fahren und läuft, wo die Masse läuft. Und man erreicht sein Ziel auch nicht 180 Stundenkilometern, quasi auf der Autobahn oder als Überflieger. Man muss seinen Weg selber gehen, Schritt für Schritt. Es ist mühselig, aber wir werden dafür belohnt. Nicht erst am Ende, schon unterwegs.
Manchmal, wenn mein Weg besonders schön war, hab ich gedacht: Der Weg ist das Ziel. Aber, dann glaube ich es doch nicht. Es gibt noch ein Ziel, am Ende, ein endgültiges. https://www.kirche-im-swr.de/?m=1663
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Stairway to heaven“, so heißen die Stromschnellen im Köprülü Nationalpark in der Türkei. Stairway to heaven – also: „Treppe zum Himmel“.
Dort verbringt ein Freund in diesem Jahr seinen Urlaub, Abenteuer Urlaub: Im Schlauchboot zwischen scharfkantigen Felsen, schäumenden Fluten und aufspritzendem Wasser.
Er will es noch mal richtig krachen lassen, will was erleben, sagt er, so lang er noch kann - gesundheitlich und so.
Dagegen ist nichts zu sagen.
Allerdings frage ich mich schon: Ob mein Freund wirklich Augen hat, für das, was er sieht? Wenn er ständig gegen Stromschnellen kämpfen muss und vielleicht auch gegen seine Angst? Ob er wirklich spürt, wie sich die Welt anfühlt, da draußen jenseits des reißenden Flusses, dort in der Türkei?
Sicher wird er viel erleben - aber was nimmt er davon mit nach Hause? In seinen Alltag? „Erlebnisurlaub“...
Es gibt etwas, das reicher macht und tiefer geht: Ich meine: Erfahrung.
Erfahrung meint, ich schaue genau hin, ich spüre ganz tief rein, und ich bin offen mit allen Sinnen: sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen – und ich bin bereit, mich davon berühren zu lassen, drüber nachzudenken und mich darüber auch zu verändern.
Denn die Erde, die sollst du nicht bezwingen, sagt die Bibel, sie gehört Gott:

„Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel und die Erde und alles, was darinnen ist, das gehört Gott, deinem Herrn.“ …heißt es in der Bibel. [5.Mose 10,14]

Das ist eher ein sanftes Umgehen mit der Welt – und hat wenig zu tun mit dem Rausch des Abenteuers. Erfahrung, das heißt: Ich lasse den anderen er selber sein, ich lasse die Welt gewähren, ohne sie zu unterwerfen.
Man kann es auch so sagen: Bei Erfahrung, da geht es nicht so sehr um den Nervenkitzel als vielmehr um den inneren Menschen. Der darf sich berühren lassen, darf sich verändern, darf wachsen. Solche Erfahrung macht reifer und einsichtiger.
„Stairway to heaven“ – „Treppe zum Himmel“ heißen die Stromschnellen dort in dem Fluss in der Türkei. Ich denke: Man muss nicht dorthin…, es geht auch hier, wunderbare Erfahrungen zu sammeln….und dem Himmel näher zu kommen.
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

„Lasset die Kinder zu mir kommen“, hat Jesus gesagt. Welch eine Einladung! Was uns vielleicht selbstverständlich erscheint - für die damalige Zeit war das unerhört. Denn zur Zeit Jesu liefen Kinder nur irgendwie mit und haben meistens eben gestört. Erst mit Eintritt ins Erwachsenenalter - damals mit 12 Jahren - nahm man ein Kind als eigenständigen Menschen und Persönlichkeit wahr.
Und wie ist das heute, bei uns?
„Also, für die Kinder ist mir nichts zu teuer.“ so heißt das oft. „Bei den Kindern, da ist Beste gerade gut genug…“ Und es regnet Kleider, Spielzeug und Handys. Und vor allen Dingen regnet es Taschengeld.
Doch für die Kinder scheint es nicht „das Beste“ zu sein. Ein Junge sagte kürzlich im Fernsehen: „Ich finde, die Erwachsenen sollten einem erst einmal zuhören!“ Er war 12 Jahre alt und fühlt sich allein. Mutterseelenallein.
Zuhören? Das sitzt! Es ist, als ob auch wir die Kinder immer noch so behandeln, als würden sie nicht dazu gehören. Als würden wir nicht mit ihnen reden, sondern allenfalls über sie. Als würden wir nicht mit ihnen zusammen leben.
Kinder brauchen aber ein Gegenüber. Sie brauchen Gesprächspartner und sie brauchen Begleitung. Sie wollen mit anderen etwas Sinnvolles tun und sie wollen Lob und Anerkennung bekommen, wenn sie etwas angepackt haben.
Um das zu unterstützen, hat jetzt die Evangelische Kirche – gemeinsam mit anderen Hilfswerken – den „Deutschen Kinderpreis“ ausgerufen.
Es ist wunderschön, wenn man sich gemeinsam für etwas engagiert: Die Großen gemeinsam mit den Kleinen.
„Wir suchen Menschen, die solche Ideen umsetzen, die Kindern Vertrauen in die Zukunft zu geben“ heißt es in der Begründung des Deutschen Kinderpreis.
Kinder lernen am guten Beispiel: Wenn sie sehen, wie wir Erwachsene Verantwortung für andere übernehmen. Und Kinder lernen am besten, wenn man ihnen zuhört und etwas mit ihnen gemeinsam macht.
Wenn Sie eine Idee haben, dann schauen Sie doch mal vorbei auf der Internetseite www.deutscherkinderpreis.de
„Lasset die Kinder zu mir kommen“, hat Jesus gesagt, „denn ihnen gehört das Himmelreich.“
Und dieser Himmel, der leuchtet in den Augen der Kinder. Wenn wir ihnen aufrichtig und als Partner begegnen, können wir ihn sehen.
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Ja, es gibt ein zweites Leben. Im Internet heißt es "Second Life".
Second Life ist im Moment das angesagteste Spiel im Netz. So etwas wie die aus dem Fernsehen bekannte Lindenstraße. Nur mit dem Unterschied, dass hier jeder seine Rolle selbst erfinden kann. Über drei Millionen Menschen tummeln sich da, die Mitgliederzahl wächst rasant. Man muss sich nur im Netz registrieren lassen, gibt sich einen neuen Namen, und schon beginnt das so genannte „neue Leben“.
Alles, was ich schon immer haben wollte, hier kann ich es kaufen. Und was mir im wirklichen Leben nicht gelungen ist, dort kann ich es sein. Endlich kann ich mein Leben selber gestalten!
Doch dann, beim genauen Hinschauen, entdeckt man: Bei Second Life wiederholt sich das sattsam Bekannte. Diskos, Partys und Propaganda. Die üblichen Markennamen herrschen, und alles zwängt sich in Designerklamotten und fährt dicke Luxusschlitten.
Das Spiel setzt auf die Hoffnung, einmal - wenigstens in der virtuellen Welt - der Gewinner zu sein. Doch der Stachel des Ansporns, das sind Neid und Konkurrenz… und die Angst, doch nicht der Größte zu sein.
Aber - kennen wir das nicht im wirklichen Leben schon zur Genüge? Bringt das nicht hier schon eine öde Leere mit sich?
„Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und zwar in Fülle!“ sagt Jesus in der Bibel. „Fülle“, das ist bei ihm keine Frage der Quantität, oder der Menge an Konsumgütern. „Fülle“, das ist, wenn ich mich geborgen fühle in meinem Leben. Wenn ich das genießen kann, was ich habe – und sei’s auch wenig.
Und „Fülle“, das sind Freunde. Gute Freunde, bei denen ich mich geliebt, geschätzt, geachtet weiß. „Fülle“ ist Qualität! Ist Liebe, ist gegenseitige Wertschätzung.
Und dazu ist Jesus gekommen. Um uns zu zeigen, dass Gott uns allemal schon liebt. Noch bevor wir bewiesen haben, was wir alles so auf die Beine stellen und leisten… Wir Christen versuchen uns gegenseitig diese Fülle zu sein: Jeder ist angenommen, so wie er ist. Von Gott geliebt.
Das ist das andere, das wirklich zweite, second life. Um glücklich zu sein im Leben, da braucht es keinen Besitz. Sondern Gemeinschaft und Liebe.
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Kirchtürme prägen noch immer unsere Dörfer und Städte.
Wer sich von außen einem Dorf nähert, der weiß: Da, wo der Kirchturm steht, da ist die Mitte.
Der alte Ortskern ist da, mit seinen Geschäften, seinen Straßen und Plätzen. Manchmal auch ein Brunnen oder ein Bach.
Die Menschen haben eng gewohnt früher, dicht an dicht. Und oft haben sie den Ort geradezu um die Kirche drum herum gebaut.
Mit beiden Beinen fest auf der Erde stehen. Wissen, wo man herkommt, wo man hingehört, wissen, wo man zu Hause ist.
Kirchtürme sind so etwas wie ein Sinnbild dafür. Ein Sinnbild, dass die Seele eine Heimat braucht, dass das Leben einen Grund benötigt.
„Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr,
meine Seele verlangt und sehnt sich nach dir“, so hat man das in der Bibel damals umschrieben, dieses Gefühl, bei Gott ein Zuhause zu haben.
Wo finden wir heute unsere Heimat? Unseren Grund?
Wo ist unsere Seele zuhause?
In den Städten überragen die Tempel der Wirtschaft und des Geldes mit ihren hohen Türmen manches Stadtbild. Die Scheiben glänzen in der Sonne. Und die Kirchen verschwinden dahinter, fast wie Erinnerungsstücke aus früheren Zeiten.
In diesen modernen Wirtschaftstempeln regiert das Geld. Sie wollen ein Sinnbild der Sicherheit sein. Doch es regiert noch etwas in ihnen und das sind Sorge und Angst. Denn die Banken-Türme, das sind Trutzburgen. Wer in ihnen haust, der hat viele gegen sich. Geld ist sicher notwendig zum Leben, aber Geld allein macht nicht glücklich, denn wer Geld hat, der hat viele Feinde.
Wo ist meine Seele zuhause? Wo finde ich Heimat und Grund?
„Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr“, heißt es im Psalm. Vielleicht ein wenig blumig beschrieben, aber das heißt doch: Bei Gott ist jeder willkommen. Und es tut unendlich gut, dort seine Seele zu bergen: Im Schatten der Kirchtürme. Da finden sich ganz viele und ganz unterschiedliche Menschen ein. Menschen, die mit all ihren Unterschieden dennoch gleich sind vor Gott. Kaum zu glauben, wenn man an die Trutzburgen aus Glas und Beton denkt, die die Menschen auseinander sortieren in Gewinner und Verlierer.
Vor Gott sind wir alle gleich, gleich schutzbedürftig, bedürftig einer Heimat für die Seele. Und so sind wir miteinander verbunden und füreinander da.
„Wie lieblich sind deine Wohnungen, Herr…“, die Kirchtürme prägen noch immer unsere Dörfer und Städte. Gott sei Dank!
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Ich bin gerne auf Friedhöfen: Die Ruhe, die Abgeschiedenheit. Der Lärm der Welt tritt zurück. Der mir liebste Ort der Ruhe: Das ist jenes Familiengrab auf dem Friedhof meiner Heimatstadt.
„Hier ruht in Gottes Ewigkeit“ steht da auf einem Grabstein, und darunter der Name.
Wenn man sich umschaut, sieht man, wie sich die Generationen hier gegenseitig die Hand geben: „Philipp“ heißen die Männer mit Vornamen, und das seit bald 200 Jahren.
Und wenn die Sonne scheint, kann man sich hier ausruhen auf der steinernen Bank. Sie ist für die Besucher aufgestellt, als werde man erwartet.
„Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit… in Ewigkeit“, so heißt es im Vater Unser. Das wird spürbar auf der Bank zwischen all den Toten: Gott war da, bevor ich gewesen bin, er wird da sein, längst nachdem ich vergangen bin und mein Leib hier in der Erde liegt bei den anderen. So, als ob ich erwartet werden würde am Ende, willkommen geheißen. Nicht nur von all den Verwandten da mit dem Vornamen Philipp, auch von Gott, der mich erwartet. Da, unter den Zweigen bei den alten Bäumen. - Ewigkeit.
Und mehr noch: Während ich hier sitze, spüre ich: Er ist da. Ist bei mir, wie er bei den ganzen Vorfahren ist und war, und auch bei denen, die da hinten auf dem Friedhof die Gräber herrichten und sich um ihre Verwandten sorgen.
Ein Engel steht auf einem Grabstein, mit einer Trompete, erhoben. Er singt, er verkündet den Sieg. Nicht den Sieg der Menschen, die darunter liegen, auch wenn die sich das manchmal gewünscht hätten: Er singt von der Auferstehung, am Ende der Tage: Den Sieg des Reiches Gottes, den verkündet er. Dass Christus lebendig ist und dass er alle befreien wird.
Ich sitze unter dem Engel und denke darüber nach, wie das ist. Vielleicht so ähnlich wie hier zwischen all den Toten: Geborgen, geschützt in Gottes Hand. In Ewigkeit.
Ein ganz neues, ein anderes Leben ist das. Es macht mich frei und offen und macht mich gelassen und zuversichtlich. Es hilft mir, Anteil zu nehmen am Schicksal anderer: So wie ich mich beschützt und umsorgt fühle, so kann ich auch andere schützen, und sie umsorgen kann ich.
Dein ist das Reich und die Kraft… herrlich, diese Ewigkeit. Amen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=500
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Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Sein zu wollen wie Gott, das ist unsere größte Versuchung. Sein zu wollen wie Gott Das heißt: Über andere Richter sein, über sie verfügen und sie beherrschen, sich selbst erlösen.
Täglich begegnet uns diese Versuchung, und sie begegnet im Spiel.
Und das Spiel ist „saubillig!“ und verspricht „sauviel Spaß!“… Jugendliche und Kinder wissen am besten, worum es dabei geht: „Ich bin doch nicht blöd.“ Es geht um Waffen, und die Spiele wollen die jungen Menschen verführen: sie sollen Scharfschützen werden, Soldaten, Killer. Ja, natürlich: Nur im Spiel.
Und führe uns nicht in Versuchung, heißt es im Vater Unser.
Vor ein paar Wochen hat das Spiel Opfer gefordert: Ein 18jähriger Schüler aus dem westfälischen Emsdetten kündigt im Internet einen Amoklauf an. Er schleppt schweres Waffengerät in seine Schule und schießt um sich. Nach dem Amoklauf bringt sich der Schütze um. Game over. Eine Szene wie in den Ballerspielen, die er so geliebt hat.
Sein zu wollen wie Gott – andere richten, über das Leben Herr sein. Ich frage mich, wie es dazu kommt, dass ein solches „Spiel“ Wirklichkeit wird. Wie es die Welt der Phantasie, der Netze, der Computer und Kopfhörer verlässt und grausame Realität wird.
Wenn es in der Schule schon seit Jahren schief läuft, wenn die Eltern nur mit sich selber beschäftigt sind oder nicht da, wenn Freunde fehlen, gute Freunde, und wenn ich keine Aussicht habe, in diesem Leben meinen Platz zu finden, Ausbildung, Arbeit, Hoffnung, Sinn... Dann bin ich sehr alleine, sehr verletzbar und dann wünsche ich mir, dass meine Kraft riesig wird, und ich wünsche mir, dass ich alle strafen kann, alle, die mich in meinem Leben so übel behandelt haben. Klein, gekränkt, hilflos, ohnmächtig bin ich…, und führe uns nicht in Versuchung,
Aber es geht doch weiter im Vater Unser, Gott sei Dank: sondern erlöse uns von dem Bösen, heißt es da.
Zuwendung, Beziehung, Achtsamkeit erlösen von diesem Drang, sein zu wollen wie Gott. Wir wissen es. Wer sich geborgen fühlt, der muss nicht als Scharfschütze durch die Welt laufen und auch nicht als Rächer.
Deshalb ist das Beste, was wir unseren Kindern sagen können und den Jugendlichen: Ich bin bei dir, ich liebe dich, ich passe auf dich auf.
„Erlöse uns von dem Bösen“- ich würde so weiter beten:
Du, Gott, sei unser Vater und Beschützer. Gib uns einen Platz, wo wir uns sicher und geborgen fühlen. Wo wir klein sein können, ohne uns zu schämen, wo wir einander annehmen in unserer Schwäche, ohne Angst zu haben. Schenke uns Heimat bei dir und voreianander. Dass wir dazu gehören. Amen.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=499
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