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SWR4 Abendgedanken RP

Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl machen, das war ihr Trauspruch vor 50 Jahren. Vor ein paar Wochen haben sie die Goldene Hochzeit gefeiert. Sie haben sich an ihren Kindern und an der Enkelschar gefreut, an den vielen Gratulanten, Bürgermeister, Gesangverein, Bauernverein.
Als Gemeindepfarrer war ich dabei, sie haben um eine Andacht gebeten. Ich kenne das Ehepaar schon lange. Und es hat mich selbst sehr bewegt.
„Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren..." mit dem Lied haben wir angefangen, das können alle mitsingen. Ein Psalm, ein Gebet, die Ansprache wieder zum Trauspruch, ein Segensgebet für beide, ich lege ihnen die Hände auf, Tränen in den Augen, das Vater unser, der Segen und dann: „Nun danket alle Gott...", auch das singen alle mit.
50 Jahre zusammen: Die Nachkriegszeit, die Landwirtschaft hat nicht mehr gereicht, so ist er in die Fabrik gegangen, Vierfachschicht, das wurde gut bezahlt. So konnte er auch noch die Landwirtschaft nebenher weiter betreiben. Derweil hat sie das Regiment im Haus geführt, sie war den drei Kindern eine gute Mutter, die die aber auch gefordert hat.
Dann ist zwischendurch das gemeinsame Leben in der Routine erstarrt, es gab mächtige Spannungen. Die Pflichten standen im Vordergrund, die Vierfachschicht brachte immer wieder den ganzen Tageslauf durcheinander, auch sonntags musste gearbeitet werden, um das Pensum zu schaffen. Sie haben das alte Haus renoviert, jahrelang. Es ist ein Schmuckstück geworden, jetzt hat er's im Kreuz. Sie hat zwei schwere Operationen mitgemacht und ist auch nicht mehr so fit.
Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl machen , das war ihr Trauspruch. Hat Gott es wohl gemacht?
Im Grunde ist alles gut gegangen. Selbstständige Kinder, die wissen, was sie im Leben wollen, Gott hat es wohl gemacht.
Die Enkel, zwei mit dramatischen Kaiserschnitten zur Welt gekommen, und jetzt werden die ersten schon konfirmiert, Gott hat es wohl gemacht.
Die schwere Operation mit anschliessender Reha, auch das wurde mit Gottes Hilfe überstanden.
Befiehl dem Herrn Deine Wege und hoffe auf ihn, er wird's wohl machen. Es ist ein Hoffnungswort, das immer wieder für jede Lebensphase neu buchstabiert werden muss, damit man auch in den schlimmeren Fügungen Spuren entdeckt.
Wie lange Gott ihnen noch gemeinsame Jahre schenken wird? Er weiss es.

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SWR4 Abendgedanken RP

Was passiert, wenn 30 Pfarrerinnen und Pfarrer sind mit ihrem Propst, nach Rumänien fahren, um die deutschen und rumänischen Kirchen und Konfessionen kennenzulernen?
Birgit Hamrich ist Pfarrerin und Studienleiterin in Panrod im Taunus. Sie stammt aus Siebenbürgen.

Birgit Hamrich:
Mein Anliegen ist es, unseren Kolleginnen und Kollegen hier zu zeigen, dass „evangelisch sein" auch ganz anders geht, als wir es hier ....kennen und zwar als Minderheitenkirche selbstbewußt „evangelisch sein" leben und bei unseren Kollegen in Rumänien empfinde ich es oft so, dass die viel stärker Kirche für andere sind

Siebenbürgen ist eine wunderbare Kulturlandschaft in Rumänien. Seit über 850 Jahren wohnt dort eine deutschsprachige Minderheit. Sie haben dort das Land kultiviert, haben sich in Dörfern, Städten und besonders in Kirchenburgen organisiert. Über 180 Kirchenburgen gibt es. Die Siebenbürger Sachsen sollten die Grenzen vor kriegerischen Angriffen bewahren und wurden in der Reformation größtenteils evangelisch. Als Minderheit in Rumänien waren sie immer wieder Bedrohungen ausgesetzt, wechselten die Staatlichkeit zwischen Österreich, Ungarn und Rumänien. Zuletzt unter dem Regime des Diktators Ceausescu wurden die Menschen dort unglaublichen Repressalien ausgesetzt.
Heute sind die siebenbürger Deutschen in Rumänien eine wichtige Minderheit, die das Erbe der Reformation bewahrt und durch ihre reiche Kunst und Kultur großen Einfluss ausübt.
Raimar Kremer ist Pfarrer der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und stammt aus Siebenbürgen. Die evangelische Kirche in Rumänien hat sich verändert, meint er.

Sie ist sehr klein geworden, sie hat noch genau 13 500 Gemeindemitglieder und vierzig Pfarrer, die große Distanzen auf sich nehmen müssen, um diese Gemeindeglieder zu versorgen, ein Gottesdienst zu halten, eine Beerdigung, meist auch zweisprachig, also Deutsch und Rumänisch und das wollten wir den Kolleginnen und Kollegen aus der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau einmal zeigen.

Raimar Kremer und Birgit Hamrich sehen noch eine Besonderheit an den Siebenbürgern. Sie leben als Deutschrumänen mitten unter den Rumänen. Und die sind in der Regel Mitglied der orthodoxen Kirche, in der das ausgesprochen männliche Priester- und Patriarchentum , die Ikonen und die als göttlich verehrte Liturgie im Gottesdienst eine große Rolle spielen:

Birgit Hamrich
Die Siebenbürger als Minderheit nicht nur als deutschsprachige Minderheit in einem anderssprachigen Umfeld, sondern auch was ihren Glauben anging oder vielmehr ihre Konfession anging. Also in einem orthodoxen Umfeld „evangelisch sein" zu leben, dass sich doch der orthodoxen Kirche gegenüber abgrenzt, anders ist.

Aber Siebenbürgen bedeutete zuerst einmal die alte Heimat für viele Deutsche, die heute unter uns hier leben. Wie sie ihr Land erlebt haben und was sie damit immer noch verbindet, darüber mehr nach der Musik

Teil II
SWR 4 Blickpunkt, eine Studienreise von evangelischen Pfarrern nach Siebenbürgen in Rumänien. Was haben sie dort vorgefunden?

Viele Menschen sind vor und besonders nach der Wende aus Siebenbürgen ausgewandert. Petra Schneider kam 1982 nach Deutschland und erinnert sich an das Spielen auf den Strassen von Mediasch mit seiner riesigen Kirchenburg, von allen Seiten kamen Kinder und beteiligten sich an den Wasserspielen am Strassenbrunnen. Und sie hat eine Erinnerung an die Disziplin, die der rumänische Staat ihnen abverlangte.

Also, ich hab nur die erste Klasse in der deutschen Schule in Rumänien besucht und die einprägsamste war tatsächlich dieses Aufstellen in einer Reihe in Klassenreihen im Hof in Uniform und dann die Flagge wurde gehisst und die Hymne wurde gesungen also auf Rumänisch, das ist auch, darum kann ich sie zum Teil auch noch, das ist total erschreckend, aber es ist tatsächlich so.

Sie selbst kann ausser den Teilen der Nationalhymne kein Rumänisch mehr. Als sie nach Deutschland kam, erlitt sie fast so etwas wie einen Schock, es war:

Kalt, kalt, also es war, gut es war auch November, muss man ja sagen, aber es war auch diese emotionale Kälte, die hier mir entgegengeschlagen ist, dieses jeder für sich, jeder guckt auf sein's, und das kenn ich so von Rumänien gar nicht.

In Rumänien, in Siebenbürgen hatte sie ihre Familie und in der siebenbürgischen Verwandtschaft fühlt sie sich auch heute noch wohl. Und wenn die dann unter sich ist, klingt das so:

Petra Schneider:
„Für uns ist es immer eine Freude, wenn wir zusammen in der Familie sind, wir sind dann glücklich, wenn wir unsere Sprache sprechen, das macht mich eigentlich glücklich!"

Auch Pfarrerin Birgit Hamrich erinnert sich an ihre Kindheit in Siebenbürgen. Besonders der Reformationstag in der großen Kirche mit der ganzen Gemeinde ist ihr im Gedächtnis geblieben, stehend wurde der lutherische Choral: „Ein feste Burg ist unser Gott" gesungen und sie hatte deshalb von ihrer siebenbürgischen Gemeinde die feste Überzeugung:

Ich hatte als Kind wirklich den  Eindruck, dass sie unerschütterlich in ihrem Vertrauen auf Gottes Schutz da stehen und das ist ein Bild, dass mich begleitet.

So hat sie ihre Kirche, ihre Kirchenburg von Grund auf lieben gelernt:

Es ist die Kirche wo ich konfirmiert worden bin und wo ich dann später auch getraut worden bin, wo unsere Tochter getauft wurde, und zwar ist das ‚ne helle Kirche, ‚ne große Kirche mit selbstverständlich der Kirchenburg, was aber das besondere für mich in dieser Kirche ausmacht, ist die Jesus-Statue: Ein Jesus der da steht mit ausgebreiteten, einladenden Armen. Und da fühl ich mich angenommen und gut aufgehoben.

Und gerade das möchte die Pfarrerin auch ihren Kolleginnen und Kollegen in Rheinhessen vermitteln. Wie die darauf reagierten, davon erzähle ich Ihnen nach der nächsten Musik

Teil III
Pfarrerinnen und Pfarrer aus Rheinhessen besuchen die evangelische Kirche in Siebenbürgen in Rumänien. Was hat Eindruck hinterlassen? Dr. Ernst Fellechner, Pfarrer an der Saalkirche in Ingelheim:

Da ist mir besonders aufgefallen, wie kreativ diese Kirche mit den Sparzwängen umgeht, dass wir vielleicht sogar in unsre eigene Zukunft schauen, wenn auch wir stärker sparen müssen

und Propst Michael Karg bewegt etwas anderes:

Dort haben wir Pfarrer kennengelernt, deren Gemeindegliederzahlen nun rapide runtergegangen sind und die sagen: Wir schauen nicht auf die Zahlen, sondern wir schauen auf die Aufgaben, die wir haben, und wir haben genug zu tun und man merkt es ihnen auch an, dass sie sehr freudig und sehr bewußt an diese Aufgaben heran gehen. Das ist etwas, was ich sehr wichtig finde, was wir wahrgenommen haben, was sicherlich bei denen, die es wahrgenommen haben, auch weitergehen wird.

Wie freudig die Siebenbürger evangelische Kirche den Menschen in Schule und Gemeinde, in Krankenhaus und Gefängnis beistehen, mit der ganzen Kraft ihrer evangelischen Überzeugung, das haben die Pfarrerinnen und Pfarrer aus Siebenbürgen mitgenommen. Das macht ihnen auch Mut für ihre eigenen  Aufgaben. Pfarrer Dr. Ernst Fellechner kehrt bewegt und berührt nach Rheinhessen zurück.

Für mich ganz persönlich ist irgendwo wichtig geworden, mit welcher geistlichen Traditionsverbundenheit die einfach über diese 700 Jahre durchgehalten haben und ich glaube, diese Kraft könnte sie auch in die Zukunft tragen.

Und er wünscht dieser evangelischen Kirche, der evangelischen Minderheitenkirche im rumänischen Umfeld mit den vielen Gebäuden, Pfarrhäusern und Gemeindehäusern und  den wenigen Menschen, die darin arbeiten,  etwas, zu dem er auch beitragen will.

Ernst Fellechner: Kontakte knüpfen, Kontakte halten, nicht so in dem Sinne, dass wir das Vorbild sein und wüssten, wo's lang geht, sondern lernen, partnerschaftlich von beiden Seiten, es müsste ein geistlicher Austausch stattfinden und natürlich ein finanzieller Transfer, vielleicht ist es auch möglich stärker die Pfarrer auszutauschen hinüber und herüber  und insofern dann wirklich voneinander zu lernen.

Eine evangelische Kirchengemeinde in Rheinhessen hat bereits eine große Spende für den Wiederaufbau der zum Weltkulturerbe gehörenden Kirchenburg von Deutschweisskirch überbringen lassen. Und nun soll auch weiter gesammelt werden für die Bedürfnisse der Menschen in Rumänien im Umfeld der siebenbürgischen Gemeinden. Gesammelt für ein Hospiz in Herrmannstadt, für Strassenkinderprojekte und für diakonische Aufgaben in einem sich rapide verändernden Staat.

Was Christinnen und Christen verbindet hier oder in Siebenbürgen, das fasst Birgit Hamrich so zusammen:

Birgit Hamrich
In einer Gesellschaft, wo nur noch Leistung zählt, finde ich, ist es unendlich wichtig, einen Ort zu haben, wo ich so sein darf, wie ich wirklich bin und dass ich liebend angeschaut werde und das möchte ich gerne vermitteln durch die Botschaft, die wir haben, Gottes liebevollen und zärtlichen Blick, dass die Menschen diesen Blick spüren, und sich angenommen fühlen, so wie sie sind, mit all ihren Schwächen und all ihren Stärken, mit ihren liebenswerten und unmöglichen Seiten, die sie haben.

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SWR4 Abendgedanken RP

Sommer, Sonne, blühende Gärten, blühende Parks, die evangelische Kirchengemeinde Engelstadt in Rheinhessen lädt im Sommer zu Gottesdiensten in private Gärten, in den Park oder den Friedhof ein, mit großem Erfolg. Den eigenen Garten öffnen, um die Nachbarschaft und die ganze Gemeinde zu empfangen und miteinander Gottes Schöpfung zu feiern, das ist das Ziel dieser außerordentlichen Gottesdienste.

Teil I
Heute von den Gottesdiensten im Freien am ungewohnten Ort, in den privaten Gärten oder auf dem Friedhof der Gemeinde Engelstadt in Rheinhessen, der kürzlich wunderbar parkähnlich umgestaltet wurde. Wie kam Pfarrer Hartmut Lotz auf die Idee?

Hartmut Lotz: Die Idee stammt aus dem Jahr 2005, zusammen mit meiner damaligen Vikarin ging es dadrum, im Sommer besondere Angebote für die Gemeinde zu machen, die etwas von dem normalen Gottesdienstgeschehen abweichen.

Und beim Sammeln von Ideen blieb es nicht stehen. Beispiele von Gartengottesdiensten aus Norddeutschland ermutigten Pfarrer und Vikarin. Sie dachten sich:

Hartmut Lotz: Vielleicht könnt man das machen, dass wir das hier auch in Privatgärten einmal anbieten, wäre ‚ne schöne Idee. Und wir haben's versucht und wir hatten sofort vier oder fünf Angebote von Menschen, die gesagt haben: Ach, das find ich ja wunderbar, dass endlich mal ‚en Gottesdienst bei mir zu Hause stattfinden kann.

Und was könnte das Besondere an diesen Gottesdiensten sein, was ist das, was Menschen besonders im Gottes freier Natur anspricht, habe ich Pfarrer Lotz gefragt.

Hartmut Lotz: Das Besondere liegt darin, dass wir tatsächlich Gottesdienst feiern an Orten, die Menschen selbst auch heilig sind, die Gartengrundstücke sind sehr sehr schön gepflegt in einem wunderbaren Zustand und Menschen haben ja diese Gärten als Rekreationsraum geschaffen.

Und die Idee hatte Erfolg, Hartmut Lotz, der Kirchenvorstand, die Kirchengemeinde, sie waren alle überrascht, welche große Resonanz diese Idee gefundet hat.

Hartmut Lotz: Zu diesen Gottesdiensten kommen in aller Regel hier im Dorf zwischen 60 und 100 Personen. Das bedeutet, wir haben eine ganz andere Gottesdienstbesucherzahl wie in den normalen Sommergottesdiensten, wo es ja doch eher weniger wird. Und das liegt sicherlich dadran, dass diese Gärten Anziehungspunkt bieten, es ist etwas fürs Auge, es ist zugleich etwas, wo die Botschaft von Gott dem Schöpfer noch einmal ganz anders zum Klingen kommt, wenn ich tatsächlich eine wunderbare gestaltete Natur vor mir habe.

Den letzten Gartengottesdienst hat Pfarrer Lotz mit Hans Inks vorbereitet, der seinen Garten dafür zur Verfügung gestellt hat.

Teil II
Gottesdienste im Freien erfreuen sich großer Beliebtheit. In diesem Sommer setzt der Pfarrer von Engelstadt in Rheinhessen diese Idee mit seiner Gemeinde um - mit großem Erfolg. Der letzte Gottesdienst fand im Garten von Hans Inks statt.

Hans Inks: Ich bin Neubürger von Engelstadt und ich finde, das jeder seinen Beitrag für diese Gemeinde machen sollte und seine Tür und seinen Hof aufmachen sollte für die Nachbarschaft und die Gemeinde.

Sein Garten ist eine Besonderheit, er schmiegt sich an einen kleinen Hang, von der Terasse aus geht man auf eine Wiese, Blumenrabatten schmücken die Wiesenränder und unter einem großen Baum ist ein Baumhaus errichtet für die Kinder der Nachbarschaft und seine Enkel, die in nullkomma nichts in das Haus und in den Baum klettern können. - ein Paradies auch für Kinder.

Hans Inks: Meine Frau und ich, wir fühlen uns so wohl in unserem kleinen Garten, wir sagen immer, das ist unser kleines Paradies und am liebsten gehen wir gar nicht raus in Urlaub in den Sommermonaten, weil unser Garten so schön ist, und ich glaube, dass die Menschen, die auch diesen Garten sehen, tun auch dieses Gefühl haben, etwas Schönes zu sehen und gleich ihre Herzen und ihre Gedanken ein bisschen frei machen.

Hans Inks kommt aus Amerika, er ist in Engelstadt verheiratet und lebt als amerikanischer Soldat im Ruhestand hier bei uns in Deutschland. Er hat viel von der Welt gesehen, kann ganz spannend von seinen internationalen Einsätzen erzählen. In den letzten 15 Jahren war er  immer wieder in humanitären Einsätzen zum Aufbau ziviler Strukturen im Kosovo, im Irak und anderswo. Er braucht seinen Garten und er braucht seine Kirchengemeinde, um wieder Kraft tanken zu können für die Aufgaben, die ihn immer wieder an seine persönlichen Grenzen führen inmitten des menschlichen Leides, das ihm dort begegnet ist
Inzwischen ist er auch Mitglied im Kirchenvorstand in Engelstadt.
So ein Gottesdienst, meint Pfarrer Hartmut Lotz bedarf eigentlich keiner großen Vorbereitung von seiten der Gartenbesitzer

Hartmut Lotz: Wir führen kurz vorher, vor dem Gottesdienst ein Gespräch, was für ein Thema wir in diesem Garten nehmen möchten und dann sorgen die Gartenbesitzer dafür, dass ein paar Bänke im Garten stehen, ein kleiner Tisch als Altar hergerichtet wird, alles andere ist eigentlich Sache der Kirchengemeinde, wir bringen ein kleines Kreuz mit, ein paar Kerzen noch dazu, Blumenschmuck ist im Garten in aller Regel vorhanden und so ist der Aufwand eigentlich recht minimal.

Und was war jetzt für diesen vergangenen Gottesdienst das besondere Erlebnis, wieder sind ja fast einhundert Menschen gekommen.

Hartmut Lotz: Es ist immer wieder das Erstaunen über die Schönheit jetzt in einer gestalteten Natur Gottesdienst erleben zu können, unser Standard-Lied ist: „Geh aus, mein Herz, und suche Freud", und das passt in diese Sommerzeit hinein und die Menschen sagen: Hier haben wir das Lied zum ersten Mal richtig verstanden.

Und der nächste Gottesdienst wird am kommenden Samstag auf dem Friedhof in Engelstadt neben der Mauritiuskirche gefeiert.

Teil III
Gottesdienste in freier Natur, in Engelstadt in Rheinhessen hat man damit seit einigen Jahren sehr gute Erfahrungen gemacht. Ende August gibt es jetzt den ersten Gottesdienst auf dem Friedhof in Engelstadt.
Um diesen Friedhof hat es seit Jahren erhebliche Diskussionen gegeben. Die einen wollten gar nichts ändern, so verfielen die nicht mehr gepflegten Gräber immer mehr und es gab Wildwuchs an Bäumen und Sträuchern. Andere wollten radikale Änderungen, die alten Gräber sollten weg, eine moderne Urnenwand sollte errichtet werden,
Dann unternahm der neue Bürgermeister von Engelstadt, Christoph Neuberger, einen Versuch, zwischen den Fronten zu vermitteln. Und er hat es geschafft mit Hilfe der Kirchengemeinde, nicht zuletzt von Pfarrer Hartmut Lotz, wurde das große Ziel ins Auge gefasst und nun umgesetzt.

Christoph Neuberger: Es wurden die Wege neu gemacht, es wurde von den alten, entfernten Gräbern wurden die Grabsteine in ein Denkmalfeld gestellt und vor dem Denkmalfeld wurde bepflanzt und um das Denkmalfeld auch. Und dadurch hat sich das Erscheinungsbild des Friedhofs geändert, vier Parkbänke stehen jetzt auf dem Friedhof und laden die Menschen zum Verweilen ein.

Jetzt ist es geschafft und der Gottesdienst soll viele Menschen einladen, ihren persönlichen Eindruck von dem gelungenen Werk zu bekommen.

Christoph Neuberger: Für mich persönlich steht eigentlich Dank an erster Stelle, es war auf dem Engelstädter Friedhof eine richtige große Baustelle, man kann's nicht anders nennen, es war ‚ne richtige Baustelle, es wurden 150 Tonnen alte Grabsteine und Beton bewegt, als die Gräber entfernt wurden und ich bin dankbar.

Weil es wirklich ein schöner Garten ist, es ist ein schöner Park geworden. Hartmut Lotz merkt an:

Hartmut Lotz: Friedhofsgärten sind ja im Grunde genommen die ältesten Gärten, die wir in unsrer Kulturgeschichte vorweisen können und da war es eigentlich selbstverständlich zu sagen, in diesem Garten sollte auch ein Gottesdienst stattfinden, um diese neue Gartenanlage auch würdigen zu können und darin einen Gottesdienst zu feiern, der natürlich viel mit Erinnerung zu tun haben wird.

Ein schön gestalteter würdiger Friedhofsgarten, ein Ort zum Verweilen, Gedenken und Erinnern, ein Ort an dem mancher Streit zwischen Familien und den Angehörigen aus der Vergangenheit zur Ruhe kommen kann ist jetzt entstanden, den die Bürger auch schon nützen, wie Christoph Neuberger weiß.

Christoph Neuberger: Für die Leute steht das Gedenken und die Besinnung an erster Stelle und der sonntägliche Kirchgang wird dann auch zu einem Besuch an den Gräbern der Angehörigen genutzt, weil halt die Kirche, weil der Friedhof direkt neben der Kirche ist. „Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser lieben Sommerzeit an deines Gottes Gaben" Das werden die Besucher des Gottesdienstes auf dem Engelstädter Friedhof singen, zwischen blühenden Geranien, Tagetes, Begonien, Lilien und Cosmea auf den Gräbern der Angehörigen. Der Tod ist nicht das Letzte, er wird überstrahlt von der Schönheit von Gottes Schöpfung und dem in den blühenden Pflanzen anschaulich gewordenen Glauben an die Auferstehung der Toten. Kommen Sie doch einfach dazu.

Christoph Neuberger: Der Gottesdienst ist am Samstag, den 28. August um 18 Uhr auf dem Friedhof in Engelstadt.

Die Kirchengemeinde, Pfarrer Hartmut Lotz und besonders der Bürgermeister Christoph Neuberger laden sie alle herzlich ein.

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SWR4 Abendgedanken RP

Priestertum aller Gläubigen- so hat Martin Luther das begründet, wenn Laien Verantwortung in der Kirche übernehmen und hohe kirchliche Ämter bekleiden. Uli Röhm wurde kürzlich zum Präses, also zum Vorsitzenden des evangelischen Dekanats Ingelheim gewählt. Von Beruf ist Uli Röhm Fernsehjournalist und hat das Magazin WISO im ZDF gegründet mit anderen. Und jetzt engagiert er sich auch auf dem Podium des ökumenischen Kirchentages in München. Wie ist das, wenn  ein Laie seine Energie und sein Fachwissen in die Kirche einbringt?
Uli Röhm wohnt in Jugenheim, einem kleinen rheinhessischen Dorf  mit einer großen barocken Kirche. Kürzlich wurde er in der Dekanatssynode, dem regionalen Kirchenparlament, zum Präses, also sozusagen zum regionalen Parlamentspräsidenten. Warum er sich hier in hohem Maße ehrenamtlich engagiert?

 Hier wohn ich, hier leb ich!

Von Beruf ist Uli Röhm Wirtschaftsjournalist. Er hat das Verbrauchermagazin WISO im ZDF mitbegründet. Und da gibt es durchaus Parallelen zwischen der Arbeit für dieses Verbrauchermagazin und der evangelischen Kirche, meint er.

WISO will seinen Zuschauern Zusammenhänge zwischen Wirtschaft und Sozialem aufzeigen und Verständnis wecken, warum manche politische Entscheidung in dem Sozialbereich nicht immer populär sein können. Als Wirtschaftsjournalist in einem Verbrauchermagazin steh ich doch auch auf Seiten der Verbraucher und ich denke es ist wichtig, wenn wir Journalisten Partei nehmen für die Benachteiligten, wenn wir den Schwachen zu ‚ner Stimme verhelfen.

Den Schwachen zu ner Stimme verhelfen, das ist ein Ziel, das er sowohl als Fernsehjournalist wie als Präses der evangelischen Kirche hat.

 Fernsehredaktionen und Kirchen haben eine Gemeinsamkeit: Beide wollen eine Botschaftverbreiten und jeder versucht, möglichst viele Menschen zu erreichen, deshalb müssen sich beide Gedanken machen: Wie bring ich meine Botschaft an die Frau oder an den Mann. Fernsehredaktionen sind allerdings technisch gesehen benachteiligt, denn die Zuschauer haben eine Fernbedienung und können sich wegzappen, wenn ihnen das Programm nicht passt. In der Kirche aufstehen und rausgehen ist schon schwieriger.

Mit überzeugenden Argumenten für den eigenen Standpunkt werben, das möchte Uli Röhm als Fernsehjournalist wie als Präses der evangelische Kirche in der Region Ingelheim.

 Ich denke, die Kirche muss sich in den politischen Raum mehr öffnen, sie muss sich einbringen in das gesellschaftliche Leben, wir haben auch Werte, die wir vermitteln können, auf die die Gesellschaft dringend angewiesen ist und ich glaube auch, erwartet.

Im Raum der Öffentlichkeit muss man kämpfen, um sich Gehör zu verschaffen, da muss man mit provokanten Aktionen auftreten oder politische Macht anstreben, meint er. Aber nicht so wie in manchen Talkrunden, wo sich der durchsetzt, der andere unterbricht und sich in Szene setzt. Denn  es geht auch anders, meint Uli Röhm.

Durchsetzen sollte sich die Kirche auch, das kann manchmal mit Argumenten oder mit guten Beispielen sein. Ich glaube es ist wirksamer, beispielhaft aufzutreten als mit Macht und Druck etwas versuchen durchzusetzen.

In der nächsten Woche beginnt der ökumenische Kirchentag in München, da ist er auch als Moderator dabei. Was er da erleben möchte und wie er dabei mitarbeitet, darüber mehr nach der Musik

2. Teil
Uli Röhm ist Fernsehjournalist und Vorsitzender der Dekanatssynode Ingelheim. In der nächsten Woche wird er beim ökumenischen Kirchentag in München mitwirken. Aus Überzeugung:

Kirchentage sind für mich das einzige Format in unserer Gesellschaft, bei dem über gesellschaftliche, politische Themen offen debattiert wird, bei denen auch unterschiedliche politische Positionen zur Diskussion gestellt werden können und stehen und bei denen auch politische Gegner miteinander reden, wo ausgeredet werden kann und wo manchmal mehr als drei Stunden aufmerksam zugehört wird und das scheinen auch viele junge Leute zu schätzen, die ich vermehrt bei Kirchentagen sehe und zähle

Schon die Vorbereitung war spannend. Denn die beiden Konfessionen- evangelisch, katholisch- sind doch sehr verschieden.

Wenn Protestanten und Katholiken gemeinsam planen, merkt man, welche großen Unterschiede es zwischen den beiden Kirchen doch immer noch gibt. Ich habe den Eindruck, manchmal beneiden uns die katholischen Brüder und Schwestern, in welcher Freiheit wir Protestanten planen und arbeiten können ohne Bischof, der uns führt und lenkt. Auf örtlicher Ebene ist das weniger zu spüren, aber weiter oben schon und ich wünsche mir eigentlich, dass sich das ändert.

Evangelische Kirchentage haben schon immer eine besondere Atmosphäre, hier spürt man, wie die Gesellschaft sich verändert. Hier wird debattiert: Wie könnte die Zukunft unserer Gesellschaft aussehen?

 Es gibt einen Begriff beim Kirchentag, der heisst Zeitansage, und alle großen gesellschaftspolitischen Veränderungen sind durch Diskussionen auf den Kirchentagen angestossen worden, das geht um die Aussöhnung mit dem Osten, Dritte - Welt - Themen, Friedensinitiativen, ökologisches Bewusstsein, das war sehr wohl gesetzt und wirkt in die Gesellschaft, in die Politik in unser Land rein mindestens für den evangelischen Kirchentag.

Als Fernsehjournalist ist Uli Röhm mit Großveranstaltungen vertraut. Zu solchen Podiumsdiskussionen kommen manchmal 8 - 10.000 Menschen, bei bekannten Politikern sogar bis zu 20 000. Zwei solcher Großveranstaltungen moderiert er auf der Bühne.

Die eine handelt von Armut und Familien, inwieweit Familien Armutsfaktor sind, die andere ist ‚ne Wissenschaftstagung, Inwieweit lässt sich durch Wissenschaft diese Welt in Prognosen steuern und lenken.

Armutsfaktor Familie. Darüber hat Uli Röhm geforscht und zum Beispiel herausgefunden: die Aufzucht von Schweinen wird wirtschaftlich als Beitrag zum Bruttosozialprodukt honoriert. Die Erziehung von Kindern nicht. Dem wird seine Podiumsdiskussion auf dem Kirchentag in Müchen nachgehen.

Dort gibt es drei Vertreter, eine kirchliche, das ist die Bischöfin Jepsen aus Hamburg, es ist der ehemalige Präsident der Caritas, der kommt aus Leipzig und ‚en Oberbürgermeister aus Ulm, Ivo Gönner, die dann praktisch darüber berichten sollen, wie lässt sich das Problem lösen?

So engagiert sich Glaube in der Welt. Aber was ist das für ein Glaube, von dem Uli Röhm, der Fernsehjournalist, getragen ist?

3. Teil
Jedes Parlament hat einen Vorsitzenden. Das Parlament der Evangelischen Kirche im Bezirk Ingelheim am Rhein wird geleitet von dem Fernsehjournalisten Uli Röhm, also einem Laien. Als so genannter Präses hat er großen Einfluss auf das Geschick der Kirche in der Region mit nahezu 40.000 evangelischen Christinnen und Christen.

Der Präses einer solch kleinen Dekanatssynode steuert die Welt bestimmt nicht, aber wenn ich mir das Ergebnis betrachte, das manche Wissenschaftler uns präsentieren, hab ich auch manchmal Zweifel, von wem diese Personen tatsächlich geleitet sind.

Wissenschaftliche Forschung, wissenschaftliche Zukunftsvoraussagen, Wirtschaft, die die Menschen ausser acht lässt, und nur die Produkte sieht, das kann ohne christlichen Glauben mehr schaden als nutzen.

 Ich glaube, Wissenschaftler können ein paar Handwerkszeuge liefern, aber die Vorgabe, wohin gesteuert wird, was das Ziel dieser Gesellschaft sein muss, das muss sich aus anderen Werten herleiten, das kann man wissenschaftlich bestimmt nicht definieren.

Durch seine Arbeit in der Kirche sieht er denn auch deutlicher die Grenzen seiner Arbeit als Journalist.

Also den Anspruch halt ich für viel zu überhöht  zu meinen, ein Fernsehmagazin könnte sich mit dem, was ‚ne Kirche liefert vergleichen lassen, da is ‚en Fernsehmagazin ‚en Serviceteil irgendwo, das auch nicht unbedingt Werte in dem Sinn, wie ich ‚se aus dem Glauben beziehe oder durch ‚ne Kirche bekomme, vermitteln kann.

Uli Röhm hat den Gottesdienst neu als Kraftquelle entdeckt. Allerdings eher den traditionellen Gottesdienst, der nicht den Aufgeregtheiten eines nach Neuigkeiten gierenden Fernsehens nachläuft und versucht, eine Konkurrenz zu der bunten Bilderwelt der Medien zu sein, er hält viel vom Wort, von der gut vorbereiteten niveauvollen protestantischen Predigt, die nachhaltige Wirkung erzielt.

Wenn ich an einen Gottesdienst denke, ist mir die Predigt wichtiger als ,ne Liturgie, wenn man so was überhaupt gewichten kann von dem Punkt. Ich habe durch ‚ne intellektuelle Ansprache teilweise mehr Impulse, die zu ‚ner Veränderung von Verhalten oder von Leben führen.

Und hier zeigt sich der Fernsehjournalist dann doch als leidenschaftlicher Protestant, für den eine gute und geistig herausfordernde Predigt doch das Wichtigste im Gottesdienst ist. Und er freut sich, dass er als Nicht- Theologe und Laie  in dieser Kirche ein großes Mitspracherecht hat. Und ich freue mich, dass Leute wie Uli Röhm unsere Kirche bereichern.

Ehrenamtliches Engagement in der Politik, in der Kirche oder in Gewerkschaften ist keine einseitige Angelegenheit, man trifft mit anderen interessierten, engagierten Menschen zusammen und das ist spannend, man lernt selber viel und das ist auch ‚ne Bereicherung‚ ‚ne persönliche, und wenn man ‚en Projekt abgeschlossen hat, verschafft das sogar noch eine unheimliche Befriedigung.

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SWR4 Abendgedanken RP

In Jugenheim in Rheinhessen, einem kleinen 1500 – Seelendorf nahezu ohne Geschäfte, gibt es seit einigen Monaten wieder einen Einkaufsmarkt, einen so genannten Cap-Markt. Hier arbeiten Menschen mit einem HandyCAP mit, Mitarbeiter mit einer Behinderung. Dieser CAP Markt bietet für die Einwohner dieses Dorfes und einiger Nachbardörfer einen besonde-ren Service: nicht nur Lebensmittel, auch Mittagessen, Kaffee und Kuchen werden in freund-licher Umgebung angeboten. Gelebte und erlebte Nächstenliebe in einem Dorf- darum geht es heute im Blickpunkt Kirche.

Teil 1
Der CAP Markt - der etwas andere Lebensmittelmarkt in Jugenheim in Rheinhessen Denn hier arbeiten Menschen mit Behinderung mit anderen Mitarbeitern zusammen. Für das Dorf ein Lebensmittelpunkt mit über 1600 Artikeln des täglichen Bedarfs. Außerdem ein Mittags-tisch und ein Café.

Margit Eckstein:
Da wir auch hier des Bistro haben mit Kaffee, Kaffeestückchen, die Leute sitzen dann gern, erzählen, trinken Kaffee, wir haben sehr viel, die ihr Mittagessen hier essen bei uns im Markt, die es gar net nach Hause holen, also das ist schon, ist schon toll.

Margit Eckstein ist Jugenheimerin und als Verkäuferin im Markt tätig. Sie sieht tagtäglich die Attraktivität des Marktes.
Und die Kunden sind begeistert, nach einer langen Zeit ohne Lebensmittelmarkt kann man im Dorf sich wieder selbst versorgen. Helmut Wolf ist einer der Kunden, die sich über den neuen Markt freuen. Was gefällt ihm?

Helmut Wolf:
Das er übersichtlicher ist ... Man kriegt das auch, wo man in großen Läden bekommt und derselbe Preis und brauch net wegzufahrn.

Eine Besucherin kommt sogar von weither zum Laden wegen der gemütlichen Dorfatmo-sphäre. Was hält sie vom Angebot, was hält sie davon dass hier behinderte Mitarbeiter mit pädagogisch geschulten Verkäuferinnen und Verkäufern zusammenarbeiten?

Christine Weyers meint:
Die Leute sind sehr nett, sehr freundlich, Preise sind auch in Ordnung und die haben auch vom Ort die Waren, also das heisst das Brot und die Wurscht, Wein und so und das find ich sehr gut ...Merkste gar net, die sind sehr freundlich, gar net, also wirklich gar net.

Ein neuer Lebensmittelpunkt für das Dorf mit einer zu Fuß erreichbaren Versorgungsmög-lichkeit für alle Einwohner. Wie kam es dazu? Vor einigen Jahren schon schloss der letzte Lebensmittelmarkt im Dorf, eine Bäckerei versorgte die Menschen mit dem nötigsten. Arzt, Apotheke, Schule, größere Einkaufsmöglichkeiten, sie gibt es erst einige Kilometer weiter in Nachbardörfern oder in der Landeshauptstadt Mainz.
Menschen ohne Auto sind aufgeschmissen, alte Menschen können nicht für jeden Einkauf, jeden Arzt- oder Behördenbesuch mit dem Bus in die Nachbardörfer oder zum Sitz der Ver-bandsgemeinde fahren. Die ortsnahe Versorgung war schwer und fast unmöglich. Da bot sich überraschend die neue Möglichkeit mit den CAP-Märkten.

Michael Plamann, der stellvertretende Leiter des Marktes berichtet:
Die CAP-Märkte sind dafür da, die Nahversorgung zu machen und es ist ein persönliches Gefühl, das Miteinander mit den Kunden ist schon sehr viel deutlicher, als wenn sie in einem großen anonymen Markt irgendwo in der Stadt arbeiten. Man kennt fast jeden, der hier rein-kommt.

Das Ladengebäude gehörte der Kommune Jugenheim, es wurde mietfrei zur Verfügung ge-stellt und jetzt ist der Laden sozusagen das Wunder von Jugenheim. Denn jetzt können alle zu Fuss wieder das Notwendige einkaufen.

Darauf ist Michael Plamann stolz:
Wir haben wirklich ganz viele Kunden, wir haben Leute, die kommen zwei Mal am Tag ... wir sind ein Dorfmittelpunkt zum Teil auch.

Aber wie funktioniert der Laden- und vor allem die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern mit einem HandyCap und denen ohne? Darüber mehr nach der Musik.

Teil 2
Das Ziel der Cap-Märkte ist es, Menschen mit Behinderungen einen Arbeitsplatz zu beschaf-fen, und zwar dauerhaft. Denn Behinderte haben mit dem in Anführungszeichen „normalen“ Arbeitsmarkt oft schmerzliche und verletzende Erfahrungen gemacht. Hier sollen sie direkt mit den Kunden zu tun haben und dabei so ganz nebenbei die Akzeptanz von benachteilig-ten Menschen verbessern helfen. Menschen mit Handycap ins Gemeindeleben zu integrie-ren ist für das Dorf auch wichtig. Denn hier gibt es seit Jahrzehnten eine Behinderteneinrich-tung der Niederramstädter Diakonie, die tagtäglich das Leben von zum Teil schwerstbehin-derten Menschen begleitet.

Was es heißt, wenn Behinderte und Nichtbehinderte zusammenarbeiten, weiß Michael Pla-mann, der stellvertretende Leiter des Marktes:
Die Beeinträchtigungen, die wir hier haben, sind ja sehr unterschiedlich und daher ist auch die Anforderung sehr verschieden. Man kann davon ausgehen, dass man jeden Tag neue Herausforderungen hat, das ist spannend, das ist eine interessante Tätigkeit.

Was sind die typischen Belastungen, die so ein integratives Modell für die nicht behinderten Mitarbeiter mit sich bringt? Dazu meint Michael Plamann, stellvertretender Leiter des Mark-tes:

Die Mitarbeiter lernen etwas, man gibt sich viel Mühe und investiert viel Energie daherein und hat das Gefühl, man hat einen guten Lernerfolg und zwei Tage später: „Hab ich noch nie was von gehört“ es ist einfach vergessen wieder. Das ist ein typisches Problem, was wir oft haben....Das ist etwas, woran man sich gewöhnen muss, also es ist eins von vielen.

Margit Eckstein ist Verkäuferin im Markt. Sie hat vorher noch nicht mit behinderten Men-schen zusammengearbeitet. Für sie ist das eine Herausforderung, der sie sich gern stellt.

Ja,man muss schon ab und zu mal bisschen mehr drauf schauen, was sie arbeiten, wie sie arbeiten, aber ansonsten ein wunderschönes Arbeiten, muss ich sagen.

Jennifer Klein gehört zu den Mitarbeiterinnen mit Handycap, das heißt, sie braucht Hilfe und Anleitung. Sie liebt ihren Arbeitsplatz, weil der ihr viele neue Kontakte zu Jugenheimer Mit-bürgern beschert. Und sie arbeitet gern mit den nicht behinderten Kollegen zusammen.

Super, also man kann nichts anderes sagen, es ist ein Verlass auf jeden, jeder einzelne auf den anderen und ein super Miteinander, also keiner, der gegen den anderen geht oder hintenherum, so was überhaupt nicht, ... jeder hilft dem anderen, egal, was passiert.

Geduld und Stehvermögen, das brauchen Michael Plamann, Margit Eckstein und die übrigen Mitarbeiter schon im Umgang mit ihren Kollegen mit Handycap. Aber es ist eine Tätigkeit, die sie voll ausfüllt, die ihrem Leben auf ganz neue Art Sinn verleiht. Weil ihr CAP Markt gelebte Nächstenliebe ist.

Teil 3
Mitarbeiter mit Behinderung arbeiten mit solchen ohne Behinderung zusammen. Und sichern so ganz neben bei die Nahversorgung in einem Dorf, in dem es vorher kaum noch Geschäfte gab.
Ein Lebensmittelmarkt mit behinderten Mitarbeitern und heilpädagogisch geschulten Mitar-beitern- das begeistert die Jugenheimer. Außerdem bildet der CAP_ Markt so etwas wie ei-nen neuen Dorfmittelpunkt.

Michel Plamann ist stellvertretender Leiter des Marktes. Aber er ist nicht nur Marktleiter.

Ursprünglich gelernt hab ich mal Koch, ich habe dann über Weiterbildung pädagogische Zusatzausbildungen gemacht und habe auch eine Zusatzausbildung in Richtung Lebensmit-telverkauf gemacht.

Seine heilpädagogische Zusatzausbildungen kann Michael Plamann gut gebrauchen, denn die Zusammenarbeit mit Menschen, die unterschiedliche Behinderungen haben, erfordert Geduld und die Fähigkeit, etwas immer und immer wieder ohne Aufregung zum wiederholten Mal zu erklären. Das ist auf dem so genannten ersten Arbeitsmarkt mit seinem permanenten Leistungsdruck nur schwer möglich. Und das macht Michael Plamann Freude an dieser täg-lichen Herausforderung

Das Verbinden von einer sinnvollen Tätigkeit im Sinne von Menschen unterstützen, Hilfe leisten können und gleichzeitig eine ganz normale Tätigkeit in Anführungsstrichen, die mir die Möglichkeit gibt, in einem wirtschaftlich geführten Betrieb zu arbeiten, diese Verbindung davon ist das Interessante hier.

In einem gut geführten Betrieb dieser Art haben alle Mitarbeiter etwas davon. Die Mitarbeiter ohne Behinderung können andere Mitarbeiter integrieren, ihnen beistehen, um das gemein-same Ziel, einen Lebensmittelmarkt für alle im Dorf zu gewährleisten. Er muss sauber und übersichtlich sein, ansprechend gestaltet sein und ein umfassendes Angebot bereit halten.
Jennifer Klein, Mitarbeiterin im Markt mit Handycap, sieht einen klaren Vorteil für die Jugen-heimer Bürger:

Nicht mehr fortfahren, im Ort was zu haben, halt auch die Unabhängigkeit wahrscheinlich grad auch für die älteren Leute, denn die älteren nützen das doch ganz viel und das Mittag-essen ist halt auch für die älteren Leute, denke ich, ne Supergelegenheit

Ältere Menschen gehen täglich mehrfach in den Laden, manchmal nur für Kleinigkeiten, die sie vergessen haben, alleinstehende Menschen nehmen dort in der Gesellschaft der Dorf-gemeinschaft ihr Essen ein oder lassen es sich mitbringen, die Gewerbetreibenden holen sich hier schnell einen warmen Snack in ihrer kurzen Arbeitspause. Und, was Margit Eck-stein in ihren Arbeitsverhältnissen auf dem normalen Arbeitsmarkt nie erlebt hat.

Da gibt’s eigentlich keinen Neid oder Konkurrenzkampf in dem Sinne wie es, sag ich mal, bei normalen Menschen, in Anführungsstrichen normalen Menschen ist, aber ansonsten es ist wirklich ein tolles Arbeiten. Ich hab schon mehrmals gesagt: Ich hab noch nie so ent-spannt gearbeitet wie hier.

Sie kann etwas geben und es kommt etwas zurück, Wärme, Anerkennung für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit einer Behinderung, die sonst auf dem Arbeitsmarkt keine Chance ha-ben, auch Hilfe für die älteren Mitbürger in Jugenheim kann sie geben, sie kennt ja die meis-ten.
So wird aus einem schlichten Lebensmittelladen ein Ort gelebter Nächstenliebe.
ein neuer Mittelpunkt in einem kleinen Dorf wie Jugenheim in Rheinhessen. Ich wünschte, es gäbe mehr solcher Läden in unseren Dörfern.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=7615
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SWR4 Abendgedanken RP

Mustafa Yilmaz stammt aus der Türkei und lebt in Deutschland. Er ist Christ und arbeitet als Küster an der evangelischen Laurentiuskirche in Wörrstadt. Daraus ergeben sich viele interessante Begegnungen in der Kirche.
Türkische Namen verbindet man oft mit dem islamischen Glauben. In Wörrstadt gibt es einen Küster, der stammt aus der Türkei und ist Christ: Mustafa Yilmaz. Seit einigen Jah-ren ist der 33jährige nun schon Küster der evangelischen Laurentiuskirche in Wörrstadt mitten in Rheinhessen. Ortspfarrer Stefan Koch ist stolz, ihn als Küster zu haben:

Stephan Koch
Unser Küster ist Mustafa Yilmaz und er ist hauptamtlich hier tätig. Zu seinen Aufgaben gehört es natürlich, die Kirche herzurichten für die Gottesdienste, aber auch für die vielen Konzerte, die wir hier haben und in unserer Kirche ist es sehr schön: Sie ist keine kleine Kirche, sie ist eher größer, aber sie ist nicht so ein langer Bau, so dass die Men-schen weit verschwinden, wir können sehr schön, - auch wir haben einzelne Stühle, kei-ne Bänke, - das jeweils für den einzelnen Gottesdienst, für das Konzert individuell gestal-ten, das tun wir miteinander und entwerfen auch miteinander die Vorstellung, wie die Menschen sitzen, wie sie die Kirche erleben sollen.

Sie ist groß und doch gemütlich, die alte Laurentiuskirche. Seit fast 1000 Jahren steht sie in Wörrstadt, Generationen von evangelischen Christen sind in ihr getauft, konfirmiert und getraut worden, zahlreiche Konzerte finden das Jahr über dort statt. Das fordert viel logistisches Geschick, da muss viel vorbereitet werden. Mustafa Yilmaz ist ständig gefor-dert und hat viel zu tun, wie Pfarrer Stephan Koch weiß.

Stephan Koch
Er reinigt die Kirche natürlich auch, er läutet die Glocken, er bereitet das Abendmahl, die Taufen vor, er schmückt die Kirche, außerdem haben wir noch ein großes Gemeinde-haus mit vielen Veranstaltungen, da ist er auch tätig, ... kehrt die Strasse, reinigt das Gebäude, schließt auf und zu, sorgt auch für die Heizungsanlage.

Überall ist er im Einsatz, ein Allrounder sozusagen, er muss theologisch Bescheid wissen, er muss ein guter Handwerker sein, die Elektronik der Heizung verstehen und ein guter Akustiker für die Mikrofone in der Kirche sein. Drei Pfarrer gibt es, die in dieser Kirche Gottesdienst halten und der Kirchenvorstand ist auch an den Wochenenden in der Kirche beschäftigt. Und der Küster ist so etwas wie der gute Geist für alle. Weshalb Pfarrer Ste-fan Koch stolz auf ihn ist.

Stephan Koch
Ich schätze seine aufrichtige Art sehr, seinen Fleiß und seine Zuverlässigkeit.

So wie er denken sie alle, die in dieser Kirche arbeiten.

Teil II

Mustafa Yilmaz
An meinem Beruf lieb ich besonders ein Teil auch die Gemeinde mit begleiten zu dürfen ganz kurzes Beispiel und zwar ein kleines Kind, das immer „Du“, Mustafa gesagt hat, kommt auf einmal und sagt plötzlich: „Sie“, weil es halt größer geworden ist und denkt, es müsste jetzt „Sie“ sagen zum Beispiel, oder ein junger Mann, der vor paar Jahren noch gemeint hat, er wird nie ‚ne Frau finden und so, und Gott will wahrscheinlich nicht, dass er ‚ne Frau findet, hat dann hier doch in der Kirche irgendwann geheiratet und ich durfte dazu die Glocken anmachen. Also das ist ganz schön also die Menschen so zu erleben, die Veränderung der Menschen, weil Treffpunkt Kirche: halt: Immer wieder zurückkommen.

So beobachtet er die Menschen, begleitet sie bei den verschiedensten Anlässen in der Kirche und hat ein offenes Ohr für manche Anfrage aus der Gemeinde. Sie merken schon, er stellt nicht nur Mikrofone auf, läutet die Glocken und repariert die Heizung, er hilft auch mit im Jugendclub, richtet die Räume mit ein und motiviert die Jugendlichen, in ihrer Kirche mitzumachen.
Er beruhigt die aufgeregten Brautpaare und gibt Hinweise zum Verhalten für Taufeltern, Konfirmanden und Trauernde. Von der nahen Gesamtschule werden Schulabschlussgot-tesdienste angeboten, auch hier steht er Lehrern und Pfarrern mit Rat und Tat zur Seite
Über all den vielen persönlichen Ratschlägen und praktischen Handreichungen aber weiß er, dass der Geist, der in einer Gemeinde herrscht, das Wichtigste ist. Mustafa Yilmaz ist ein frommer Mann, der seine Aufgabe vor allem aus seinem christlichen Glauben heraus versteht.

Mustafa Yilmaz
Ja, der Umgang mit den Menschen, und einfach auch das Teil so zu leben, wie es vielleicht Jesus auch erwartet.

Beides ist wichtig, mit den Menschen liebevoll umzugehen, die in die Kirche kommen und auch den Küsterdienst als christliche Lebensaufgabe zu begreifen, nämlich so zu leben, wie es Jesus gemeint hat: liebevoll und zugewandt zu sein mit den Menschen, die einem begegnen. Das macht Mustafa Yilmaz, wenn er als Küster unterwegs ist.
So wie am vergangenen Sonntag, als in seiner Gemeinde die neuen Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorsteher in ihr Amt eingeführt wurden. und das war in Wörrstadt ein großes Ereignis. Bei der Einsegnung war Mustafa Yilmaz besonders aufmerksam.

Mustafa Yilmaz
Ja, man kann so ein bisschen was spüren, dass einige aufgeregt sind, so die Einsegnung so, das ist spürbar

Seine Kirche- das ist für ihn ein Ort, an dem immer etwas Besonderes stattfindet. Und sie ist ein Ort der Ruhe, an dem man alles, was einen bedrückt, hinter sich lassen kann.

Mustafa Yilmaz
Ja, die Kirche, ja ist ein Ort, wenn man reinkommt, wo man sich einfach fallen lassen kann, also ich mag diesen Raum sehr, er gibt mir Frieden.

Teil III

Mustafa Yilmaz- der Mensch, der so einen Namen trägt, den vermutet man eher in einer Moschee. Aber mitnichten. Mustafa Yilmaz ist Küster der Laurentiuskirche in Wörrstadt. Weil er sich einfach mal um eine freie Küsterstelle beworben hat.

Mustafa Yilmaz
..damals in der Zeit, wo ich einen Job gesucht habe oder ‚ne Arbeit gesucht habe, war ich arbeitslos gewesen, hab mich ganz normal daraufhin beworben und mir da eigentlich weniger Gedanken darum Gedanken gemacht, was ich da machen müsste oder muss, und dazu kam ich zu diesem Job.

Naja, ganz so einfach war das nicht. Mustafa Yilmaz ist evangelischer Christ, der seinen Glauben nicht verschweigt. Außerdem ist er umfassend handwerklich gebildet. Trotzdem musste er sich in viele Aufgaben erst einarbeiten. Das hat ihm der Kirchenvorstand zu-getraut und wurde nicht enttäuscht. Mustafa Yilmaz liebt seinen Beruf, auch weil er so abwechslungsreich ist.

Mustafa Yilmaz
Es ist sehr vielfältig, von A – Z, von Kaffee kochen bis Rasen mähen, alles mögliche muss man, teilweise vielleicht sogar auch ein bisschen, auch Seelsorge, man wird doch ab und zu mal auch gefragt, also wird wahrgenommen, also ist alles wirklich querbeet dabei.

Für ihn ein Traumjob, den er noch möglichst lange ausüben möchte.

Mustafa Yilmaz:
Der Job wird nie langweilig und ich kann mir vorstellen, den Job so lange wie möglich zu machen, so Gott will.

Einmal gab es eine Situation, in der er als Küster besonders gefordert war. Noch gar nicht so lange ist es her, da haben sich Neonazis in Wörrstadt zu einer Demonstration angekündigt. Das hat unter der Bevölkerung viel Aufregung verursacht. Polizei und hunderte von Menschen waren vor Ort, die Situation war spannungsgeladen, denn es standen sich zahlreiche Menschen als Demonstranten und Gegendemonstranten gegenüber. Pfarrer Stephan Koch erinnert sich noch gut daran:

Stephan Koch
Vor etwa einem Jahr war hier eine Demonstration von Neonazis und es gab eine Ge-genkundgebung hier zwischen den beiden Kirchen, die evangelische und die katholische Kirche stehen in Wörrstadt nebeneinander und wir haben, der katholische Kollege und ich bei dieser Gegenkundgebung gegen die Neonazis auch gesprochen und auch ein Gebet und dann kam das „Vater unser“ und da fiel mir ein, dass ja jetzt ein Türke die Glocke dazu anmacht und das hab ich ganz spontan gesagt: Ich freue mich sehr, das jetzt unsre Glocke zum „Vater unser“ von einem Türken eingeschaltet wird und dann gab es einen Riesenapplaus und eine große Begeisterung und für Mustafa etliche Interviews, ich glaub auch beim Fernsehen.

So stand er plötzlich im Mittelpunkt, der Küster Mustafa Yilmaz. Weil er die Glocke zum öffentlichen Gebet des „Vater unsers“ geläutet hat, wurde er so etwas wie ein Symbol der Versöhnung und der Verständigung zwischen den Kulturen, und so ein Symbol gegen nationalsozialistisches und ausländerfeindliches Denken.
Eigentlich liegt ihm das gar nicht, so in der Öffentlichkeit zu stehen, er ist zufrieden, wenn er seine Arbeit tun und so den Menschen in der Gemeinde helfen kann.
Es macht ihn zufrieden, sagt er.

Mustafa Yilmaz
...…, wenn die Leute sonntags aus der Kirche gehen glücklich teilweise, also gehen sie glücklich ‚raus und nehmen was mit, das gibt mir dann auch Selbstbestätigung und Freude, wenn ich das miterleben kann ganz ehrlich gesagt. https://www.kirche-im-swr.de/?m=7085
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SWR4 Abendgedanken RP

SWR 4 Blickpunkt: heute zur Frage: Spielen christliche Werte bei der Führung von öffentli-chen Ämtern und Betrieben eine Rolle? Helfen sie dabei, der Verantwortung gerecht zu wer-den?
Ralf Spiegler ist Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nieder-Olm. Sein Aufgabenbereich in sehr vielfältig:

das umfasst die Verwaltung der Ortsgemeinden mit allen Problemen, Kindergärten, Stras-senbau, Erweiterung der Gemeinden, es geht um Schulen, es geht um Feuerwehr, es geht um Schwimmbad, es geht um Wasser, Abwasser, das ganze, breite Betätigungsfeld all des-sen, was die Bürger direkt berührt.

Über 300 Mitarbeiter arbeiten in den Einrichtungen der Verbandsgemeinde. Viele Verwal-tungsvorschriften gilt es zu beachten. Die Verwaltungsbeamten arbeiten mit den Angestellten zusammen, und um dies durch gute Personalführung zu fördern, muss Ralf Spiegler häufig weitreichende Entscheidungen fällen.
Anders sieht die Verantwortung aus, wenn man eine Schule leiten muss. Bettina Gerhard steht als Leiterin der Georg- Forster Gesamtschule täglich vor wichtigen Entscheidungen.

Wenn Sie mich nach meiner Verantwortung in dieser Rolle und in dieser Position fragen, dann brauchen Sie sich eigentlich nur vor Augen zu halten, dass wir fast 1000 Schülerinnen und Schüler haben, für deren Bildung und Erziehung wir über einen langen Zeitraum 6 bzw. 9 Jahre zusammen mit den Eltern verantwortlich sind. Das stellt uns jeden Tag vor große Herausforderungen, aber es ist eine Aufgabe, die uns auch viel Freude bereitet.

Ein Betrieb anderer Art ist ein Zimmereibetrieb. Bernd Süssenberger ist Handwerksmeister und Chef eines 20 Mann- Betriebes im rheinhessischen Jugenheim. Auch er hat eine hohe Verantwortung.

Ich würde die Verantwortung an drei Punkten festmachen:Erstens die Verantwortung gegen-über der eigenen Familie, die natürlich in solch einem Handwerksbetrieb voll eingebunden ist. Genauso, denke ich, hat man die Verantwortung für seine Mitarbeiter, die sich natürlich auf das betriebswirtschaftliche Geschick ihres Chefs ein Stück weit verlassen und davon ausgehen, wenn sie Überdurchschnittliches für den Betrieb leisten, der Chef ebenso für sie da ist. Und als drittes steht die Verantwortung gegenüber unserem Handwerk und somit un-serer Kundschaft, die ein Anrecht hat auf saubere, ordentliche und termingerechte Arbeit.

Und der Landrat eines großen Landkreises, womit setzt er sich Tag für Tag auseinander? Claus Schick, Landrat des Kreises Mainz-Bingen

Es ist eine Verantwortung in mehrfacher Hinsicht, zunächst einmal haben die Bürgerinnen und Bürger den Landrat gewählt in der Erwartungshaltung, dass er als Leiter der Verwaltung als Dienstleister für sie agiert, dafür sorgt, dass die Bürgerinnen und Bürger sich beim Land-kreis, bei den Mitarbeitern gut aufgehoben fühlen, dass sie wissen, sie werden sach- und fachgerecht beraten. Der zweite Punkt, er hat natürlich gleichzeitig auch Verantwortung den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber, dass sind ungefähr 750 Personen an der Zahl. Auch dafür hat man natürlich Verantwortung.

Jeder der vier hat seine besondere Verantwortung. Und die besteht darin, Menschen zu füh-ren, für deren Wohlergehen Entscheidungen zu treffen. Nach Recht und Gesetz zu entschei-den. An welchen Wertvorstellungen sie sich bei ihren Entscheidungen orientieren und wie ihnen das hilft, darüber mehr nach der Musik

Teil 2

Menschen mit hoher Verantwortung und Führungsaufgaben tragen oft schwer an der Aufgabe. Denn von ihren Entscheidungen hängt viel ab und sie müs-sen sich in ihren Entscheidungen tagtäglich bewähren. Spielen christliche Werte dabei eine Rolle?
Ein praktisches Beispiel gibt Ralph Spiegler, der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nie-der-Olm, seine Mitarbeiter überwachen den ruhenden Verkehr und müssen dabei auch Bussgelder verhängen. Und, jeder von uns kennt das, man sieht das nicht ein, man hat doch gerade nur mal eben was geholt und schon ein Knöllchen, das kann doch nicht wahr sein. Und wenn dann der Bürgermeister ein guter Bekannter, ja ein Freund ist? Da begibt man sich leicht aufs Glatteis. Ralph Spiegler ist da absolut korrekt, wie er sagt. Und dann kommt es auf eine ethisch fundierte Entscheidung an

Nehmen Sie die Frage der Knöllchen: Ein guter Bekannter kommt zu mir und sagt: Herr Spiegler, meinetwegen auch Ralph, ich hab da ‚n Knollen, Du weißt ja, kann man das net zurücknehmen? Das ist weniger ein ethisches Problem als die Frage: Wie geh ich mit mei-nen Mitarbeitern um. Ich versuche einen sehr vertrauensvollen Umgang mit meinen Mitarbei-tern, versuche, Ihnen auch Verantwortung zu übertragen, schicke sie raus, beispielsweise, den Verkehr zu kontrollieren und wenn ich jetzt das Strafticket zurücknehme, sagt der Mitar-beiter und zwar zu Recht, möglicherweise nicht in dieser Wortwahl, aber er sagt zu Recht: Chef, Du gibst mir Vertrauen, schickst mich raus, und zweifelst dann meine zu Recht getrof-fene Entscheidung an, dann könnte er durchaus sagen: Chef, mach’s in Zukunft selbst.

Der Chef hätte in den Augen der Mitarbeiter an Wertschätzung verloren, wenn er einerseits den Mitarbeitern Aufgaben anvertraut, die er anschliessend eigenmächtig zu nichte macht. Es ist ein spannungsgeladenes Verhältnis in so einem öffentlichen Amt.
Was sind die typischen Konflikte, in denen sich eine Schulleiterin bewähren muss? Da geht es vor zum Beispiel darum, Schülern die Grenzen der Mitbestimmung aufzuzeigen. Und das so, dass die Schüler das verstehen und annehmen können, meint Bettina Gerhard, Schullei-terin der Georg-Forster-Gesamtschule in Wörrstadt.

Jugendliche möchten gern das Gebäude und ihre Räumlichkeiten in eigener Verantwortung haben, dass heisst das sie gerne z. B. ein Pausenradio hätten oder dass sie Graffiti-Wände besprühen wollen oder dass sie sich in der Pause möglichst überhaupt nicht aus dem Ge-bäude raus begeben wollen.

Aber das ist weder für die einzelnen Schüler gut, noch für die Schule als Ganzes. Also müs-sen Regeln beschlossen werden, die Schüler müssen mitbeteiligt werden an der Kontrolle und Einhaltung dieser Regeln. Schließlich trifft sie das im späteren Leben noch viel mehr als in dem geschützten Raum der Schule.
Wie ist das nun bei einem Landrat? Oft ist er die letzte Instanz, wenn es zum Beispiel über Gehen oder Bleiben von abgelehnten Asylbewerbern geht. Landrat Claus Schick steht dann vor dem Dilemma: da ist einerseits das Gesetz, das in bestimmten Fällen ganz klar eine Ausweisung vorschreibt.

… andererseits kennt man die Not der Menschen, die dann davon betroffen sind, da gabs dann ‚ne ganze Reihe von Fällen, die äußerst schwierig waren, aber ich bin da sehr gut beraten worden, auch von, nicht zuletzt auch von dem Beauftragten der evangelischen Kirche, ein hoch engagierter Mann, der wirklich einen tollen Auftrag da erfüllt hat und der uns auch geholfen hat dabei.

Drei Beispiele: Das Knöllchen, das man so eben einmal den Verbandsbürgermeister bittet, zu zerreissen, oder die Regeln für Heranwachsende und schliesslich, und dabei geht es manchmal buchstäblich um Leben und Tod, die Abschiebe-- oder die Bleibeentscheidung eines Landrats, der als Amtsperson an Recht und Gesetz gebunden ist, und menschlich oft anders entscheiden würde.
Welche Werte sind es, die die Chefs brauchen. Finden sie Halt in ihrem Glauben in ihren Wertvorstellungen? Darüber mehr nach der Musik

Teil 3

Chefs großer Einrichtungen tragen eine große Verantwortung für das Leben von Mitarbeitern und Mitmenschen. Was leitet sie bei ihren alltäglichen Ent-scheidungen? Welche Werte sind ihnen dabei wichtig?
Bernd Süssenberger, der Chef eines großen Handwerksbetriebes in Jugenheim in Rhein-hessen hat da klare Vorstellungen:

Natürlich sind für mich die christlichen Wertvorstellungen wichtig, die haben wir ja schon als Kinder im Elternhaus vorgelebt bekommen, und ich denke, Zuverlässigkeit oder Beständig-keit, Ehrlichkeit, Pünktlichkeit oder Kameradschaft oder der Mensch als solches sollten ei-gentlich immer im Vordergrund stehen.

Das ist die eine Seite: Die Eltern haben christliche Werte wie Glaube und Nächstenliebe, Ehrlichkeit und Kameradschaft vorgelebt, das haben die Kinder übernommen. Sie haben es auch zum Beispiel im Religionsunterricht, im Kindergottesdienst und im Konfirmandenunter-richt an den Geschichten mit Jesus kennengelernt.
Der Betrieb der Familie Süssenberger ist vom Vater auf den Sohn vererbt worden und der Sohn will ihn auch an seine Kinder weitergeben, das hat er sich fest vorgenommen und die Kinder sind da mit einbezogen. Aber, man macht auch Fehler. Und wie mit Fehlern umge-gangen wird, dazu hat Bernd Süssenberger auch seine christlich begründete eigene Mei-nung:

Ein Betrieb in unserer Größenordnung basiert einfach auf gegenseitigem Vertrauen, ich ma-che Fehler, in der Familie werden Fehler gemacht, und so werden auch im Betrieb Fehler gemacht. Wichtig ist, wenn man einen Fehler macht, dass man dafür grad steht und dafür einsteht und den wieder wegmacht.

Fehler wieder gut machen, Fehler wieder wegmachen, das erfordert Mut und Selbstkritik, Wahrheitsliebe und die christlichen Tugenden, von denen die Bibel redet: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Demut. Die Bibel nennt sie die Früchte des Glaubens. Das schliesst nicht aus, und das muss ein Chef ja auch tagtäglich tun, dass er Mitarbeiter motiviert, ermahnt, auch Kritik an ihnen übt und als freundlicher, be-stimmter und in den Grenzen des Möglichen gerechter Vorgesetzter handelt.
Wie ist das, wenn man eine Schule zu leiten hat? Bettina Gerhard, Leiterin der Gesamtschu-le Wörrstadt

Wenn Sie an Menschenrechte, Bürgerrechte und ähnliches denken, und diese Fragen von Gerechtigkeit, Toleranz, Mitmenschlichkeit sind die Werte, die uns in unserm täglichen Han-deln immer eine wichtige Orientierung liefern.

Und ob man das nun ausspricht und bekennt, dass man als Christ handelt, das tun ja nur wenige öffentlich, oder ob man es einfach mit in das alltägliche Handeln hineinnimmt, das sei dahingestellt. Die Werte wie Gerechtigkeit, Toleranz, Mitmenschlichkeit, sie sind für mich Teil der Liebe Jesu zu den Menschen. diese Werte sind eng mit dem christlichen Glauben ver-bunden. Ob als Chef einer öffentlicher Verwaltung, einer Schule oder eines Betriebes, - bei meinen Gesprächspartnern spielte die christliche Wertorientierung eine große Rolle bei der Bewältigung ihrer alltäglichen Aufgaben. Und sie sind im normalen Alltagsgeschäft unserer Entscheidungsträger viel wichtiger als uns so manche Skandale in den Medien uns glauben machen wollen.
Wie sagt doch Jesus in der Bergpredigt: „Behandelt die Menschen so, wie ihr selbst von ih-nen behandelt werden wollt – das ist es, was das Gesetz und die Propheten fordern.“ https://www.kirche-im-swr.de/?m=6746
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SWR4 Abendgedanken RP

Jugend hat keine Tugend, sagen manche. Jugendliche hätten keine Werte, schon gar keine christlichen. In der Schule habe ich als Lehrer die Entdeckung gemacht: Jugendliche haben durchaus Tugenden und haben Werte, die sich aus dem christlichen Glauben nähren.
Ich möchte Ihnen von Schülern der Georg-Forster-Gesamtschule in Wörrstadt erzählen. Was sie in Religion im Fach Christliche Ethik für sich entdeckt haben und wie sie sich weiter engagieren.


Teil I
Es gibt so ein gängiges Vorurteil, das lautet: die Jugendlichen von heute interessieren sich für nichts, weder für Glaube und Religion noch für Politik.
Schüler der Georg-Forster-Gesamtschule in Wörrstadt widersprechen diesem Vorurteil. Maria Kronenberger aus der 12. Klasse formuliert ihre Wertvorstellungen so:

Für mich sind die Gebote von Nächstenliebe wichtig, denn ich denke, man sollte seinen Nächsten so behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte und ich denke, dass man alle seine Mitmenschen gleich behandeln sollte und nicht bevorzugen oder benachteiligen.

Nächstenliebe ist für sie zusammen gefasst in dem Sprichwort: Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem andern zu. Der Gedanke der Nächstenliebe stammt aus der Bibel. Jesus bezieht sich immer wieder auf die 10 Gebote, die manche Schüler vom Konfirmandenunterricht her kennen. Und Maria Kronenberger weiß auf Anhieb noch folgende Gebote zu benennen.

Man soll nicht lügen und nicht stehlen und nicht töten und seinen Nächsten so behandeln, wie man sich selbst behandeln würde oder selbst behandelt werden möchte.

Das sind für sie wichtige Grundlagen ihrer alltäglichen persönlichen Entscheidungen. Und sie kann sich auch gut vorstellen, wie es unter uns zuginge, wenn jeder nur an sich selber denken würde.

Da würd’s keine Gemeinschaft geben und Leute könnten nicht miteinander umgehen und es würd´ mehr Streit und Kriege geben, wenn jeder nach seinen Rechten leben würde.

Für Maria Kronenberger eine schlimme Vorstellung.
Samuel Schneider auch aus der 12. Klasse, sieht das ganz ähnlich:

An christlichen Werten ist mir vor allem der Punkt wichtig der Nächstenliebe, weil nur, wenn man seinen Nächsten so behandelt wie sich selbst, dann kann ‚ne Gesellschaft überhaupt funktionieren, weil sonst, wenn jeder das machen würde, wenn jeder selbst sich in den Vordergrund stellen würde, dann würde die Gesellschaft zusammenbrechen, also, das ist ein sehr wichtiger Grundsatz.

Und weil dieser Grundsatz für ihn so wichtig ist, hat er sich im Unterricht mit der Geschichte Europas auseinandergesetzt. Im 18. und 19. Jahrhundert haben sich die europäischen Staaten in fremden Erdteilen Völker unterworfen, das ist der so genannte Kolonialismus. Die Spuren dieser Unterwerfung, die den Menschen großes Leid zugefügt hat, sind auch heute noch unübersehbar.

TeilII
Haben Jugendliche auch christliche Werte? Fragen viele. Ja, sage ich. Als Religionslehrer der Georg Forster Gesamtschule in Wörrstadt habe ich die Erfahrung gemacht: Für viele Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse sind die 10 Gebote und die Nächstenliebe wichtige Lebensgrundsätze. Einige von ihnen haben Aufsätze geschrieben zu wichtigen ethischen Problemen. Samuel Schneider, Schüler der 12. Klasse hat sich mit dem Thema Kolonialismus beschäftigt.

Der Kolonialismus war früher vor allem im Bereich Afrika: Da haben sich die europäischen Länder Afrika, Teile von Afrika einfach angeeignet, die sind darein, nach Afrika und haben Teile erobert, haben dann Raubbau begangen, haben Rohstoffe gestohlen, haben dann auch noch das Volk unterjocht, haben Sklaven sich genommen.

Das war nicht nur in Afrika so, Deutschland, England, Spanien, Portugal, Holland, Frankreich, Belgien, sie alle haben versucht, rohstoffreiche Länder zu erobern, dabei kamen viele hunderttausende Menschen ums Leben, und, was nach christlichen Wertvorstellungen eher unvorstellbar war, sie haben Menschen ihrer Menschenwürde beraubt und sie zu Sklaven gemacht.
Das Schicksal dieser Sklaven hat Samuel Schneider besonders berührt:

Das Schicksal der Sklaven war, dass sie, dass sie alles für ihre Herren, sag ich mal, tun mussten die hatten dann keine Möglichkeit mehr, daraus zu kommen, und sind dann abtransportiert worden nach Europa, auch später dann nach Amerika, vor allem war das ziemlich viel, die mussten dann auf Baumwollplantagen zum Beispiel arbeiten.

Dieses Wissen ist auch in einer dramatischen Geschichte verarbeitet worden, sie ist mehrfach verfilmt worden, es ist der Roman: Onkel Toms Hütte. Durch diesen Roman kann man verstehen, wie schlimm die Arbeitsbedingungen wirklich waren, wie sehr die Arbeitskraft der Sklaven ausgebeutet wurde und wie wenig Rechte sie hatten. Auf dem Hintergrund dieser schlimmen Erfahrungen haben sie in ihrer Musik, in den Gospelsongs, Hoffnung und Kraft gefunden. Zum Beispiel das berühmte „Oh when the saints go marching in“. Diese ganz eigene Musik half ihnen, dieses Elend ertragen und durchstehen zu können.
Heute ist die Sklaverei abgeschafft und weltweit geächtet. Auch ein Ergebnis der christlichen Werte, die Menschen innehalten und zur Einsicht kommen ließen.
Und doch ist die Sklaverei heute nicht wirklich beseitigt, wie Samuel Schneider weiß.

In den Entwicklungsländern gibt’s immer noch Kinderarbeit in Industrien oder auch noch normalen Sklavenhandel auf Baumwollplantagen. Wir sind eigentlich alle davon noch heutzutage betroffen, die Kleidung allein, die wir anziehen, wenn wir irgendwelchen billigen T-Shirts kaufen für nur 5 €, man weiss nicht unbedingt, wo die her kommen, die können kleine Kinder gemacht haben, die können Sklaven gemacht haben, oder Arbeiter aus der Dritten Welt, die Billiglohn bekommen, wir wissen gar nicht so wirklich, was dahinter steckt, damit ist eigentlich jeder betroffen, da muss sich jeder mal mit auseinandersetzen.

Jeder von uns hier ist von den schlimmen Verhältnissen in den Entwicklungsländern betroffen, haben die Schüler herausgefunden. Denn vieles, was wir hier kaufen, Schnäppchenware vor allem, hat etwas mit der Sklavenarbeit in diesen Ländern zu tun.
Die Welt ist klein geworden - aus der Sicht der Jugend heute. Sie sehen viele Zusammenhänge, die der älteren Generation so noch nicht wirklich deutlich geworden sind.
Was tun? Kann man versuchen den christlichen Werten von Nächstenliebe auch in solchen Fällen Geltung zu verschaffen?
Samuel Schneider hat sich wie viele andere dazu seine Gedanken gemacht, darüber mehr nach der nächsten Musik.



Teil III
Jugendliche machen sich Gedanken über das Unrecht in der Welt. Wie die Armut in den Entwicklungsländern etwas mit uns zu tun hat. Sklaverei gab es nicht nur früher, auch heute können Menschen nicht von ihrer Hände Arbeit leben, auch wenn sie hart arbeiten. Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse der Georg Forster Gesamtschule in Wörrstadt haben darüber geforscht. Was tun gegen Ungerechtigkeit in der Welt? Samuel Schneider hat eine Idee, was man dagegen tun kann.
Ja, vor allem erst mal Aufklärung, wir leben ja jetzt alle in Deutschland, in `ner freien Demokratie und wir kennen das ja gar nicht, dass das sein kann, dass T-Shirts oder irgendwelche Kleidungsstücke da von Kindern gefertigt werden, dass man vielleicht zu so einem Boykott aufruft, dass man diese Waren dann nicht mehr kauft und dann müssen sich auch die Länder dann umstellen, dass sie eben keine Kinderarbeit mehr betreiben.

Eigentlich ist es ja ganz einfach. Wenn Produkte von Kindern hergestellt werden oder zu einem unfairen Lohn produziert werden, dann gilt es einfach, diese Dinge nicht mehr zu kaufen. Dazu müsste man sich natürlich informieren. Wo kommt das her, was ich kaufe? Wer hat es gemacht? Warum ist es so billig? Samuel Schneider setzt auf Aufklärung. Was durch Ausbeutung von Menschen hergestellt wird, sollte einfach nicht mehr gekauft werden. Man kann auch mit gerechtem Lohn einen Gewinn machen, wissen manche modernen Manager. Samuel Schneider hat sich selbst etwas vorgenommen, das ich interessant finde.

Ja in Zukunft könnt ich vor allem darauf achten, es gibt ja diese Siegel „Fair Trade“, dass Waren auch aus Ländern kommen, von Leuten kommen, die mit normalem Lohn behandelt wurden und keine Kinderarbeit und dass die Leute dann anständig versorgt werden in den Ländern, dass sie normale Verhältnisse dann haben und es ist dann ziemlich wichtig, dass man solche Organisationen da unterstützt, damit die dann mehr hervorkommen, dass es dann mehr von diesen Organisationen gibt.

Aus Nächstenliebe darauf achten, wie die Waren für uns produziert werden. Das gilt für die Nahrungsmittel in unserem Alltag, das gilt zum Beispiel für Milch, für die unsere Bauern immer weniger Geld bekommen, das gilt für Kleider, die in Billiglohnländern unter schlimmen Arbeitsbedingungen produziert werden und vieles mehr. Die Warenzeichen: Fair Trade bedeutet: Mit diesem Produkt wird fairer Handel getrieben. Dieses Zeichen zeigt: Kleinbauern bekommen angemessene Preise für Kaffee, Kakao und Bananen. Übrigens, diese Bananen, die inzwischen auch Discounter hier verkaufen, schmecken viel besser.
Kolonialismus, Sklavenarbeit und Kinderarbeit- die gibt es auch heute noch, wissen die Schüler der 12. Klasse der Gesamtschule. Und sie haben sich vorgenommen, dagegen etwas zu tun. Und zwar aufgrund ihrer christlichen Überzeugung und mit dem Gebot der Nächstenliebe.

Vor allem mit der Nächstenliebe, man muss ja auch sich um andere kümmern, selbst wenn man nur ein T-Shirt kauft muss man denken, was dahinter steckt eigentlich.

Erkennen, was dahinter steckt und dann neue Wege gehen. Das werden viele tausend Schülerinnen und Schüler in den kommenden Wochen bis zum Beginn der Sommerferien tun. Denn sie werden einen Tag lang für die Aktion „Tagwerk“ arbeiten.
So unterstützen die Schülerinnen und Schüler der Georg-Forster-Gesamtschule in Wörrstadt zum Beispiel ein Kinderhilfsprojekt in Südafrika.
Ja, Jugend hat Tugend, hat auch heute noch christliche Werte. So habe ich das erlebt und freue mich, dass wir Älteren von diesen Jugendlichen selbst eine Menge lernen können. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6223
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SWR4 Abendgedanken RP

Mit den Eröffnungsgottesdienstes und dem "Abend der Begegnung" wird heute der 32. Deutsche Evangelische Kirchentag in Bremen eröffnet. 250 000 Menschen flanieren durch die Bremer Innenstadt und lassen sich von der Atmosphäre des Kirchentags begeistern. Darunter sind auch Menschen aus unserer Region, die frühere Kirchentage miterlebt haben, von diesem Kirchentag viel erwarten und viel nach Hause mitnehmen wollen.

Teil 1
Der Deutsche evangelische Kirchentag – ein Ort der Begegnung - das evangelische Großereignis, es zieht alle zwei Jahre hunderttausende junge und alte Menschen in die großen Städte. Kirchentag – das sind Gottesdienste, Musikfestivals, geistliche Erlebnisse in den Kirchen und auf den großen Podiumsveranstaltungen. Diskutieren, Singen – mitswingen –auf dem Markt der Möglichkeiten neue Impulse bekommen, all das kann der Kirchentag sein.
Warum zieht dieses Ereignis auch Menschen aus unserer Region immer wieder an?
Nana Röhm hat gerade Abitur gemacht, sie war schon mehrmals auf dem Kirchentag:

Also das Schönste, was ich auf dem Kirchentag bis jetzt erlebt hab ist das gemeinsame Musizieren, vor allen Dingen die Gospelsinger zu hören, auch mal zu zuhören, abzuschalten und danach auch viele gemeinsame Erfahrungen mit den Gruppen was zusammen zu machen, zu singen, zu musizieren.

Pfarrer Harald Esders-Winterberg aus Partenheim freut sich jedes mal wieder auf diese Tage:

Bei Kirchentag denke ich an die Gemeinschaft von vielen Menschen, an offene Begegnun-gen, an volle Strassen, schöne Musik und viele gute Gespräche.

Hiltrud Runkel ist Filialleiterin einer Bank und nimmt sich in diesen Tagen Urlaub:

Ich freue mich beim Kirchentag eigentlich am meisten auf die Gemeinschaft mit anderen Mensche, auf Gleichgesinnte, auf das Feierabendmahl, ich bin gern mit Leuten zusammen, wir beten gemeinsam, wir haben dieselben Interessen. Früher habe ich im Chor mal mitgesungen beim Abschlussgottesdienst, wir haben geprobt den ganzen Kirchentag über und dann gemeinsam am Abschlussgottesdienst die Lieder gesungen, das war ein ganz tolles Erlebnis, dann bekommt man Gänsehaut, wenn man da vor steht, alles singt zusammen, ich weiß gar nicht, wie viel Menschen wir waren.

Und die Erzieherin Heidi Runkel war schon vor einigen Jahrzehnten zum ersten Mal auf dem Kirchentag, sie war damals noch Konfirmandin und ist mit einer Jugendgruppe hingefahren. Wie viele Jugendliche, wenn sie richtig angesprochen werden, war sie besonders empfänglich für Musik und geistliche Erlebnisse, wie sie zum Beispiel eine ökumenische Klostergemeinschaft aus Frankreich überzeugend feiert

Beeindruckt hat mich damals die Nacht der Lichter von den Brüdern von Taizé, die Taizé-Lieder, und das ist etwas, wo ich mich jedes mal drauf freue, wenn ich zum Kirchentag fahre, dass ich auf die Nacht der Lichter gehe zu den Brüdern von Taizé.

Mensch, wo bist Du?", so lautet die Losung des Kirchentages in Bremen, der von heute an bis zum Sonntag veranstaltet wird. Die Losung nimmt ein Zitat aus der Paradiesgeschichte mit Adam und Eva auf. In 3500 Veranstaltungen und Angeboten, beim Abend der Begegnung, der jetzt im Augenblick gerade in Bremen so viele Menschen anzieht. Auf dem „Markt der Möglichkeiten“, der kirchliche Initiativen, Projekte, Gemeindegruppen und auch zum Beispiel die dia-konische Arbeit der evangelischen Kirche vorstellt, kann man sich informieren über die vielen tausende Angebote, die die evangelische Kirche in Deutschland macht.

Teil 2
Auch Menschen aus unserer Region haben sich darauf ganz unterschiedlich vorbereitet. Was erwartet sie, was erwarten sie?
Heidi Runkel, von Beruf Erzieherin, war schon oft auf dem Kirchentag. Und hat sich rechtzeitig auch auf den Bremer Kirchentag vorbereitet:

Ich melde mich an, ich bekomme das Programm geschickt, freue mich dann schon darauf, melde mich immer früh an, wenn es geht, damit ich viele Wochen Zeit hab, das Programm durchzulesen, das hab ich auch jetzt gemacht. Es ist ne unglaubliche Vielfalt und ich hab jetzt so mir nen kleinen Tageskalender angelegt.

Uli Röhm aus Jugenheim in Rheinhessen arbeitet als Journalist und Redakteur beim Zweiten Deutsche Fernsehen. Er begleitet seit vielen Jahren Kirchentage und hat eine besondere Ver-antwortung für den Bereich Bildung und Erziehung, eine Aufgabe, die sich wie selbstverständ-lich aus der Kirchentagslosung ergibt: „Mensch, wo bist Du?“ ist das Motto dieses Kirchentages- eine Anfrage an unsere Verantwortung in der Gesellschaft.

Ich bin Mitglied der Projektgruppe, die die Hauptpodienreihen vorbereitet, das sind thematische Großveranstaltungen unter dem Stichwort: Erziehen und Bilden, zwei von diesen moderiere ich selber, darüber hinaus habe ich aber auch ’nen Training für Moderatoren durchgeführt für ehrenamtliche Kirchentagsmoderatoren und ich hab des Novum beim Kirchentag, zum ersten Mal ‘en Online-Forum mit der sueddeutschen.de und taz.de initiiert, bei der wir vor dem Kirchentag die Themen des Kirchentags diskutieren.

Er leitet eine Podiumsdiskussion mit prominenten Politikern, er hat vorher immer etwas Sorge

Die größte Herausforderung ist, sicher zu sein, dass diejenigen prominenten Referenten, Gesine Schwan, Bundesarbeitsminister Olaf Scholz, auch wirklich da sind, auf die man so ‘ne Veranstaltung zugespitzt und ausgerichtet hat.

Und gerade auf die Politiker sind viele besonders gespannt. Ihre Gedanken kennt man ja aus Presse, Funk und Fernsehen. Da sind die Politiker oft routiniert, sind gut vorbereitet und wollen ein gutes Bild abgeben. Aber die Kirchentagsbesucher wollen sie anders erleben. Hiltrud Runkel ist Seit Jahrzehnten im Bankensektor tätig, sie hat ein gutes Gespür für Menschen und weiß, ob sie es aufrichtig meinen oder nur schauspielern .Sie hat etwas anderes gespürt als das, was man immer im Fernsehen präsentiert bekommt.

Ich war einmal dabei, da war die Frau Merkel in einem Podiumsgespräch dabei, und ich habs ihr richtig angemerkt, der Frau, und gespürt, dass sie das, was sie da sagte (...), aber dass sie das wirklich echt gemeint und ernst gemeint hat und nicht nur so, weil sie jetzt Politi-kerin ist einfach dem Volk gefallen möchte, also, das war ganz toll.

Auch Politiker hautnah persönlich erleben, vielleicht sogar ein paar Worte von Mensch zu Mensch mit ihnen sprechen, das reizt die Besucherinnen und Besucher.

Der Fernsehredakteur Uli Röhm genießt besonders die Vorbereitungszeit und stellt dabei im-mer wieder fest:

Selten kommt man in seinem normalen Berufsumfeld mit so vielen interessanten Menschen zusammen, die mitenander ein Programm entwickeln, sich darüber Gedanken machen, da kommen Ideen und Impulse, auf die wäre man alleine nie gekommen. Und beim Kirchentag selber hab ich den Eindruck ist des die einzige Veranstaltung in Deutschland im Moment, in dem völlig unterschiedliche politische, gesellschaftspolitische Positionen ausgetauscht werden können, wo man offen miteinander diskutieren und Argumente austauscht.

Teil 3
Gut vorbereitet nehmen über 100 000 Menschen - auch aus unserer Region in Rheinhessen- am Kirchentag teil. Sie feiern singen und beten und diskutieren. Anregungen bietet ihnen der so genannte „Markt der Möglichkeiten“ das ist eine riesige Halle, in der sich unterschiedlichste kirchliche Gruppen mit ihren Projekten vorstellen. Das geht von Entwicklungshilfegruppen über fairen Handel zu Friedensinitiativen, den Angeboten der Diakonie, der Johanniter und viele an-dere Gruppen.
Am kommenden Sonntag ist alles vorbei. Wenn sie dann sicher müde und voller Eindrücke wieder nach Hause kommen, was werden sie mitnehmen?

Dazu Uli Röhm:

Diejenigen Jugendlichen, die zu ‘nem Kirchentag fahren, stell ich regelmäßig fest, sind erstaunt, was man dort alles erleben kann, was man an Impulsen bekommt sowohl inhaltlich wie formal und ich glaube schon, dass, wer einmal an ‘nem Kirchentag war, wird dieses Um-setzen in seinem eigenen Bereich, Jugendarbeit, Kirchenarbeit anders betreiben, als er’s vor-her getan hat.

Heidi Runkel ist davon begeistert und entdeckt immer wieder auch für sich selbst eine ganz besondere Beziehung zu ihren Glauben und zu Jesus. Er lehrt ja, die Schöpfung zu bewahren, Frieden zu bringen statt Streit und Gerechtigkeit statt Gewalt und Unterdrückung. Sie sagt das ganz schlicht:

Ich kann einfach nur raten: Fahrt mal hin, Leute, guckts Euch an, es macht Spaß, da die Gemeinschaft zu erleben und vielleicht bekommt man auch ein anderes Bild zu Jesus. Für mich ist das Hauptmerk immer noch, aber das ist nicht nur auf dem Kirchentag so, sondern ich be-mühe mich täglich, dass ich meinen Blick auf Jesus nicht verliere oder meine Beziehung zu Jesus nicht verliere, es ist mir ganz wichtig!

So werden am Sonntag die vielen Menschen aus Osten und Westen, aus Süden und Norden wieder nach Hause kommen mit ihren Erlebnissen. Hiltrud Runkel hat da ihre Erfahrungen, die will sie auch auf das Leben in Partenheim in Rheinhessen übertragen:

Was ich immer so ganz toll finde, was mich auch immer wieder hinzieht auf den Kirchen-tag: Einfach dieses, diese Atmosphäre, dieses Zusammengehörigkeitsgefühl, diese vielen Menschen, die alle gleich gesinnt sind in der Straßenbahn, in der U-Bahn, überall wird gesun-gen,(bitte schneiden)... es ist so eine ganz große Gemeinschaft und da fühl ich mich eigentlich wohl dabei, das möchte ich so’ n bisschen übertragen hier in unsere Region, dass wir uns auch als eine Gemeinschaft fühlen.

So ist der Deutsche evangelische Kirchentag in Bremen ein Ereignis, das viele Vorbereitungen braucht, aber dann viele Impulse in die Gemeinden in der Region hineinträgt. „Mensch, wo bist Du“? Christ, wo bist Du? Wie sieht das aus, wenn ich mich als Christ in dieser Zeit mit so vielen Fragen auseinandersetzen muss und manchmal wenig Antworten habe? In der Gemein-schaft vieler gleich gesinnter Christenmenschen fällt es leichter, offene Fragen auch einmal stehen zu lassen und auszuhalten, Antworten aus dem Glauben heraus zu wagen und einfach Gemeinschaft zu erleben. Das belebt dann auch die Gemeinde zu Hause.

Nana Röhm schwärmt davon:

Ich finds schön, dann Teil einer großen Gemeinschaft zu sein.https://www.kirche-im-swr.de/?m=6040
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SWR4 Abendgedanken RP

Der evangelische Kindergarten in Jugenheim hat Angebote für fast alle Kinder in der kleinen Dorfgemeinde vom ersten Lebensjahr bis zum Schulanfang. Ich lade Sie ein, mit mir nach Jugenheim zu kommen, einem 1500 Seelendorf in Rheinhessen. Der evangelische Kindergarten hier ist nach "Martin-Luther-King" benannt, ein anspruchsvoller Name mit einem anspruchsvollen Programm.

Teil 1

Im Schatten des Kirchturms und der großen Barockkirche, umgeben von Bäumen und Büschen liegt er - der evangelische Kindergarten „Martin-Luther-King“ von Jugenheim. Wir sind im großen Versammlungsraum, es ist „Glitzerstunde“, so heißt die letzte gemeinsame Stunde vor dem Wochenschluss. Alle Erzieherinnen sind mit dabei, mit dabei ist auch eine Gitarre. Fast 50 Kinder drängen sich um die Leiterin, Frau Hertha, sie erzählt eine Piratengeschichte. Die Kinder hängen an ihren Lippen und stöhnen auf, wenn Gefahren drohen, sie machen die Bewegungen des Schiffes begeistert mit, sie klatschen, stampfen, rudern und sind ganz Ohr. Und zum Schluss singen sie gemeinsam ein Piratenlied

Heidi Hertha singt ein Lied mit den Kindern:
Hickeldi, Pickeldi, Popp und Pu fuhrn übers Meer in nem alten Schuh, Hickeldi konnte am weitesten sehn und deshalb war er der Kapitän. Aloahee, o Je oh jee, alohahee, o je o je!

Verabschiedung, mit einem kleinen Spiel gehen die Kinder aus dem großen Raum heraus, die mit gestreiften Pullovern zuerst, dann die mit blauen Hosen, dann die mit der Farbe Orange an Schuhen, Hose, Pullover, Orange, das ist schon eine schwerere Farbe zwischen gelb und rot, die zu erkennen nicht leicht fällt. Ist das orange? Fragt ein Kind, ja, sagt Frau Hertha, beglückt schiebt es sich durch die Tür. Nun kann das Wochenende kommen, nach dem Mittagessen und einer Freispielphase werden die Kinder wieder nach Hause entlassen.
Ein evangelischer Kindergarten hat den Anspruch, so etwas wie ein Urvertrauen zu vermitteln. Ein Vertrauen in Gott und in ein Wissen um die Grundzüge des christlichen Glaubens. Die Kinder sollen christliche Werte kennen lernen und zusätzlich werden sogar alte Rollenverteilungen aufgebrochen, die Jungen müssen auch kochen oder die Puppe wickeln, Mädchen an der Werkbank stehen oder Riesentürme bauen und umgekehrt. Frau Hertha, die Leiterin, sieht ihre Aufgaben darin,

, dass eine evangelische Kindertagesstätte sich in der sozialpädagogischen Arbeit vom christlichen Menschenbild her führen lässt, sie ist Bestandteil unser täglichen Arbeit, sie wird nicht losgelöst, sondern findet in vielfältigen Formen Ausdruck in unserer Arbeit, es werden biblische Geschichten erzählt, christliche Feste und Gottesdienste werden gefeiert, es wird eine christliche Wertorientierung erlebt, das heißt, wir sind ein Ort der Gemeinschaft und des sozialen Lernens, der den Kindern den Weg zu einer selbstbewussten, lebensbejahenden und verantwortungsvollen Persönlichkeit anbietet.

Und wenn die Kinder dann manchmal zu dominant und zu selbstbewußt auftreten?

Das ist ‚ne weitere Herausforderung für uns, für uns vielleicht weniger, aber vielleicht eher für die Eltern, wenn die Kinder sehr selbstbewusst sind, aber ich denke in der heutigen Zeit ist ein gesundes Selbstbewusstsein bestimmt sehr sinnvoll.

Teil 2

Der evangelische Kindergarten in Jugenheim. Er hat Platz für 50 Kinder in zwei Gruppen und eine Kinderkrippe mit zehn Kindern. Die Kinder sollen zu selbstbewussten jungen Menschen heranwachsen, die im christlichen Glauben Urvertrauen und eine Orientierung kennen lernen, auch wenn sie selber nicht getauft sind oder einer anderen Religion angehören.
Hille Runkel hat zwei Kinder im evangelischen Kindergarten

Für mich ist es in einem christlichen Kindergarten ganz wichtig, dass die Kinder an den Glauben herangeführt werden, dass die lernen, was die kirchlichen Feiertage, welche kirchlichen Feiertage es gibt und was die bedeuten, also was feiern wir an Erntedank oder an Ostern, dass die Kinder da einfach herangeführt werden. Und zum andern erwarte ich vom Kindergarten, dass die Kinder das Miteinander lernen, dass sie lernen, dass jedes Kind Stärken hat, aber auch jedes Kind Schwächen hat und dass man auch jeden so akzeptieren kann und sollte, wie er ist und dass dies ganze letztendlich in unserer eher leistungsorientierten Gesellschaft einfach eine Bereicherung ist.

Hille Runkel hat sich bereiterklärt, auch selbst in der Kindergartenarbeit aktiver mitzumachen.

Ich engagiere mich jetzt im Elternausschuss hier im Kindergarten in Jugenheim und das bereitet mir auch sehr viel Freude, also es ist schon toll, sich dort einbringen zu können und auch zu merken, dass, dass die Ideen und Anregungen der Eltern aufgenommen werden und so ist das Ganze ein tollesTeam, wo man auch wirklich was erreichen kann für die Kinder.

Aber für die Kinder findet sie wichtig, dass sie einfach frei sind zu spielen und sich im Spiel zu erfahren.

Hille Runkel:
Also die Anforderungen, die an die Erzieherinnen gestellt werden, was alles umgesetzt werden soll im Kindergarten, sehe ich teilweise als zu hoch gesteckt. Ich denke einfach, dass es wichtig ist, dass die Kinder in den ersten Lebensjahren auch einfach lernen zu spielen, miteinander zu spielen, miteinander klar zu kommen, und ich bin auch der Meinung, dass viele von uns Eltern unterschätzen, was eigentlich beim Spielen alles passiert. Und ja, diese, diese ersten Jahre, natürlich müssen die Kinder dort was lernen, müssen motorisch vorangebracht werden, die sprachliche Entwicklung ist wichtig, auch das musikalische, aber das alles kann spielerisch passieren, und ich denke, dann ist das ein guter Start fürs weitere Leben.

Ähnlich sieht es auch Katja Klein, Mutter von zwei Kindern, das erste ist jetzt im Kindergarten.

Ich denke, dass es für Kinder fast noch schwieriger ist heute als früher, weil sie in ein Lebensumfeld reinwachsen, das sehr heterogen ist, sie haben viele Wahlmöglichkeiten, das ist auch gut so, aber ich denke, es ist sicher wichtig, dass sie am Anfang eine feste Orientierung mitbekommen, damit sie später damit zurecht kommen und auch für sich wählen können, was sie von dem vielfältigen Angebot, was wir heute eher haben, für sich haben möchten und was sie nicht haben möchten.

Die evangelische christliche Prägung, das spielerische Lernen, die Erfahrungen von Gemeinschaft und Solidarität, all das muss in die Erlebniswelt der Kinder hineinwachsen, dabei werden sie durchaus auch dazu ermuntert zu widersprechen, Dinge zu befragen und zu hinterfragen. Das findet Katja Klein ausgesprochen gut.

Also generell möchte ich, dass meine Kinder mit nem offenen Geist aufwachsen, sicher christlich verortet, aber auch hinterfragen. Und ich glaube in dem Moment, in dem es ihnen nicht erlaubt würde, christliche Werte zu hinterfragen und zu hinterdenken, das würde mir einen Schritt zu weit gehen, genau das sollen sie ja mitbekommen.
So ist die Kindergartenarbeit eingebettet in die Erlebniswelt der Kinder, ihre Fragen und ihre Erfahrungen werden bedacht und bewusst gefördert. So möchte es auch die Ortsgemeinde und besonders der Bürgermeister Herbert Petri.

Teil 3

Der evangelische Kindergarten Martin-Luther-King in Jugenheim in Rheinhessen verbindet als moderne evangelische Kindertagesstätte christliche Kindererziehung mit den Erwartungen der Eltern. Diese inhaltliche Arbeit der Kirche wird unterstützt durch die Ortsgemeinde in Jugenheim, sie hat die Bauverantwortung für den Kindergarten. Sorgt also dafür, dass das Haus in Ordnung ist, dass Renovierungen durchgeführt werden können und sogar weitere Anbauten ermöglicht werden.

Bürgermeister Herbert Petri ist diese Zusammenarbeit mit der Kirchengemeinde wichtig.
Ich erwarte von einem Kindergarten in unserer Ortsgemeinde, wir sind eine kleine Ortsgemeinde, dass ein solcher Kindergarten eine zeitgemäße pädagogische Ausrichtung den Kindern anbietet und insbesondere die Teambildung und die Sozialisierung vor dem Hintergrund einer christlichen Erziehung aber auch vor dem Hintergrund unserer dörflichen Gemeinschaft entwickelt. (Dörfliche Gemeinschaft meine ich, dass Kinder auch die Verbindungen über den Kindergarten zu unsren Vereinen, zu unsrem dörflichen Zusammenleben und diese Besonderheiten, dieses Einbringen in unsrer Gemeinschaft miterleben und mitbeigebracht bekommen.)

In Jugenheim klappt das gut, und die Ortsgemeinde plant jetzt etwas Neues, weil die Kinderzahl wächst und junge Eltern Unterstützung brauchen, um Beruf und Kindererziehung miteinander verbinden zu können. Darin finde ich unsere Gemeinde, die Ortsgemeinde und die Kirchengemeinde Jugenheim vorbildlich.

Ziel ist es, einen weiteren Gruppenraum, wahrscheinlich vor dem Hintergrund entweder Neugestaltung der Gruppe oder einer ...altersgemischten Gruppe einen weiteren Gruppenraum anzubauen.

So arbeiten Kommune und Kirche in Jugenheim Hand in Hand. Bürgermeister und Pfarrer, sie sind stolz auf ihren Kindergarten, der allen Jugenheimer Kindern eine Gemeinschaft anbietet.
Dass der Kindergarten nach dem großen amerikanischen Bürgerrechtler nach Martin Luther King benannt wurde, dazu meint Bürgermeister Herbert Petri:

Martin Luther King ist jemand, der für die Rechte von Minderheiten und Unterdrückten gestritten hat und Kinder sollten lernen im Rahmen ihrer Erziehung, dass gerade der Einsatz für besondere Belange auch im Rahmen von Kindern es wert ist, sich dafür einzusetzen., dass jedes Kind ein Recht hat auf eine gute, eine zeitgemäße Vorbereitung auf das, was dann als Nächstes ansteht, nämlich die Schule und die sollte unabhängig davon sein, welche Vorgaben oder welche Hilfen ein Elternhaus zur Verfügung stellen kann, deshalb ist es mir wichtig, dass der Kindergarten hier eine gute Vorbereitung für das Leben, für die Schule leistet und zwar für alle Kinder, die ihm anvertraut sind.

Das kann Katja Klein als Mutter eines Kindergartenkindes nur unterstreichen. Was kann ihr Kind von Martin Luther King lernen?

Ja, wenn sie mal so tolle Redner werden würden..nein, grundsätzlich war Martin-Luther King natürlich ein unheimlicher Vordenker, Freigeist, der bewegt und berührt die Leute mit dem, was er gesagt und getan hat auch noch heute, insofern ist das sicher ein schönes Vorbild für die Kinder, wenn sie mehr über ihn erfahren.

Der evangelische Kindergarten in Jugenheim ist ein Beispiel für die gute Zusammenarbeit zwischen Erzieherinnen und Eltern, zwischen Kindern und Kirche, zwischen Kirchengemeinde und Ortsgemeinde, ja, Kinder können auch Vorbild für die Erwachsenen werden, Jesus sagt: Wenn ihr nicht werdet wie Kinder, könnt ihr in das Reich Gottes nicht kommen! Kinder sind noch nicht so festgelegt, sie sind noch nicht so in die Dorfstrukturen hineingewachsen, dass sie ihren Meinungen über die Mitbewohner im Dorf festzementiert sind, wie das bei den Eingesessenen oft der Fall ist. Sie lassen sich überraschen und können staunen über jede neue Erfahrung im Kindergarten oder in der Dorfgemeinschaft. Sie erfahren fröhliche Feste, lernen, ihren Alltag spielerisch zu bewältigen, sie hören spannende Geschichten, sie hören biblische Geschichten, machen erste naturwissenschaftliche Experimente und werden an Leib und Seele gefördert. Und all das ausgerichtet an einem großen Bürgerrechtler, an Martin-Luther-King, der einen Traum hatte, dass Menschen aller Völker und Nationen, aller Rassen und Religionen friedlich miteinander aufwachsen und eine friedlichere Welt ermöglichen. Das ist seit altersher der Ansatz der evangelischen Kirche, es ist auch heute ein moderner Ansatz, der weit in die Zukunft weist. https://www.kirche-im-swr.de/?m=5505
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