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SWR4 Abendgedanken

20JUL2023
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Meine Freundin Jana ist zu Besuch. Wir sitzen auf dem Boden, spielen mit meiner kleinen Tochter und unterhalten uns. Wir landen beim Thema Familienplanung und da sagt Jana gleich geradeheraus: „Ich will keine Kinder. Warum sollte ich denn ein Kind in diese Welt setzen, wenn es die Welt sowieso nicht retten kann?“ Ich hake nach: „Du meinst also, dass ich meinem Kind so eine Welt nicht zumuten kann?“ „Ne“, sagt Jana, „ehrlich gesagt mein ich das umgekehrt: Du kannst dieser Welt, die eh schon so schlecht dasteht, nicht noch ein Kind, oder halt noch weitere Menschen zumuten. Die machen die Lage für den Planeten ja nur noch schlimmer! Denk doch nur mal an den Klimawandel.“

Ich bin ehrlich gesagt ganz schön baff, als ich das höre.

Es gibt viele Gründe, die bei der Entscheidung für oder gegen Kinder zu bedenken sind. Und dabei ist glaube ich das Wichtigste: Niemand sollte sich deswegen rechtfertigen müssen! Aber dadurch, dass Jana mir ihre Gründe erzählt, fragt sie auch meine Entscheidung an. Denn ich habe ja schließlich ein Kind bekommen. Meine Tochter also dieser Welt zugemutet.

Ich erzähle Jana von einem jüdischen Sprichwort, das mir in dieser Frage viel bedeutet. Es lautet: „Wer ein Menschenleben rettet, rettet die ganze Welt.“ Ich finde, in diesem Satz steckt viel Wahrheit. Und er ist das genaue Gegenteil von Janas Standpunkt. Sie hat ja gesagt: Wer die Welt retten will, der muss die Menschen abschaffen.

Mein Mann und ich haben uns ein Kind gewünscht, aber dass dieser Wunsch wahr geworden ist, ist alles andere als selbstverständlich. Gute Freunde von mir probieren es schon seit einigen Jahren vergeblich. Eine andere Freundin hat den Wunsch mittlerweile aufgegeben. Ich fühle mit ihnen.

Gleichzeitig habe ich mit vollem Herzen Ja zum Leben sagen können. Bei mir war das auch ganz unabhängig davon, wie ich zu dieser Welt stehe. Ob ich sie gut oder schlecht finde.

Ich mache mir auch Sorgen um die Zukunft und ich sorge mich um meine Tochter. Ich glaube, wer liebt, der hat immer Sorgen. Aber wer Liebe hat, der hat auch den besten Grund der Welt, für eine bessere Zukunft zu sorgen. Die Zukunft, die meinem Kind und nicht mir gehört. Und ich sollte sie ihm nicht nehmen. Nicht aus diesem Grund. Denn das Leben ist ein Geschenk.

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SWR4 Abendgedanken

19JUL2023
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„Ich bin doch nicht aus Zucker!“ Das sage ich, wenn mir jemand zu wenig zutraut. Dabei könnte ich als Christin eigentlich noch viel besser kontern. Und zwar mit dem Satz: „Hey, ich kann das, ich bin aus Salz.“ In der Bibel jedenfalls macht Jesus seinen Freunden dieses ungewöhnliche Kompliment. Er sagt: „Ihr seid das Salz der Erde.[1]

So wie meine Spaghetti im Topf, ist also laut Jesus auch diese Welt gesalzen – und zwar durch die Menschen.

Dieses gar nicht mal so süße Bild beschreibt für mich sehr gut, was es heißt, in dieser Welt als Christin zu leben. Denn ob die Nudeln gesalzen sind oder nicht – das sieht man ihnen erstmal nicht an. Und so sieht man auch einem Menschen nicht an, ob er glaubt oder nicht. Nur „schmeckt“ dieser Mensch vielleicht irgendwie anders. Denn ein Christ kann sich und sein Umfeld mit der Art und Weise würzen wie er oder sie lebt. Und da ist die Dosis entscheidend.

In der Sprache des biblischen Bildes wäre ein religiöser Fanatiker allerdings ein Mensch, der nur Salz löffelt. Einer, der alle Bereiche seines Lebens ausschließlich auf seine Religion reduzieren will und nichts anderes gelten lassen kann.

Umgekehrt sagt Jesus aber auch: „Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr.“[2]

Ich verstehe Jesus da so: Wenn das Salz nicht mehr nach Salz schmeckt, dann bleibt das Essen fad. Wenn ich also meinen Geschmack oder meinen Glauben verliere, dann fehlt das, was ich eigentlich von Gott her beizutragen habe. Das mag vielleicht gar nicht so viel sein. Aber das, was jeder und jede ganz persönlich von Gottes Liebe weitergibt, das kann von nirgendwo anders hergeholt werden.

Und noch etwas spricht mich in diesem Vergleich mit dem Salz an: Salz erschafft in der richtigen Dosis keinen neuen Geschmack. Salz hebt nur auf geheimnisvolle Weise den Geschmack hervor, den das Essen bereits hat.

Und so verstehe ich mein Christ-sein: Ich füge der Welt nichts Fremdes hinzu, sondern ich will das hervorheben, was schon an Gutem vorhanden ist. Das heißt für mich beispielsweise, liebevoll die Stärken in einem Menschen sehen, Verständnis zeigen und meine Mitmenschen anerkennen und fördern.

Denn das traut mir Jesus zu, wenn er sagt: „Ihr seid das Salz der Erde.“

 

[1] Mt 5, 13.

[2] Ebd.

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SWR4 Abendgedanken

18JUL2023
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Zum Thema: In der Kirche bleiben oder gehen, habe ich diesen Satz gelesen: „Es geht gar nicht mehr um die Frage `Gehen oder Bleiben`, sondern ob es moralisch überhaupt vertretbar ist, zu bleiben.“[1]

Es geht also darum, ob ich überhaupt noch in der Kirche sein darf. Ob das noch „in Ordnung“ ist.

Mein Freund Jonas hat mir seinen Austritt so in der Art auch erklärt: „Für mich ist die Kirche eine Missbrauchsinstitution, die die Verbrecher schützt. Die Taten versucht man zu vertuschen. Sowas will ich mit meinen Kirchensteuern nicht finanzieren. Sonst würde ich mich ja quasi zum Komplizen machen!“ Für Jonas ist die ganze Kirche und alle Menschen in ihr, nichts anderes mehr. Er findet es deswegen moralisch geboten und gut, aus der Kirche auszutreten.

Ich war getroffen, als ich das gehört habe. Denn damit wirft Jonas mir ja auch indirekt vor, dass es falsch ist, wenn ich in der Kirche bleibe.

Mein Freund, der weiß, dass ich nicht nur in der Kirche bin, sondern sogar für sie arbeite. Wie oft habe ich ihm erzählt, wie gerne ich meine Arbeit mache. Mit Familien, die einen Menschen verloren haben und die ich bis zur Beerdigung und darüber hinaus begleite. Und ich denke an die Schülerinnen und Schülern, die im Religionsunterricht kritische Fragen stellen und auf der Suche nach Antworten sind. Und jeden Tag erlebe ich in den Kirchengemeinden engagierte Frauen und Männer, die sich dafür einsetzen, dass dort für Viele eine sichere Heimat entsteht, in der man Gott erfahren kann. 

Ich verstehe sehr gut, warum man über den Missbrauch in der Kirche empört ist. Ich bin es auch. Und ich verstehe sehr gut, warum sich deswegen Menschen von der Kirche abwenden. Ich tue es nicht.

Ich bleibe in der Kirche, eben weil ich auch empört bin. Ich bleibe, damit nicht die Täter, Vertuscher und Schweiger, sondern die Opfer das letzte Wort behalten. Ich möchte zusammen mit vielen anderen für eine bessere Kirche kämpfen. Und ich bin überzeugt, dass ich mit dieser Kirche auch für eine bessere Welt kämpfen kann.

Das muss nicht für jeden der richtige Weg sein. Aber ich habe Hoffnung für diese Kirche. Und ich finde: Auch wer die Hoffnung verloren hat, darf sie anderen nicht absprechen. Denn es gibt so viele Menschen, die sich für eine bessere Kirche und eine bessere Welt einsetzen. Weil sie hoffen.

 

[1]https://www.katholisch.de/artikel/45335-jesuit-es-ist-nicht-mein-job-leute-in-der-kirche-zu-halten (letzter Aufruf: 10.06.23).

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SWR4 Abendgedanken

17JUL2023
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Jeder Mensch hat 13 Geheimnisse. Im Schnitt. Das haben Forscher in einer Studie herausgefunden.[1] Die Psychologen haben erforscht, was Menschen lieber für sich behalten und inwiefern sie das belastet. Denn obwohl ein Geheimnis ja per se nichts Negatives sein muss, in der Studie geht es in erster Linie um Belastendes. Die Psychologen nennen das „schlechte“ Geheimnisse.

Ich glaube, dass Problem bei schlechten Geheimnissen ist: Sie machen besonders einsam.

So habe ich das jedenfalls bei mir selbst erlebt. Denn eine Zeit lang habe ich viel für mich behalten. Es war jede Menge Ballast, den ich mit mir rumgeschleppt habe. Klar, wenn ich erzählt hätte, was mich belastet, zum Beispiel eben demjenigen, gegenüber dem ich mich schuldig gefühlt habe, dann hätte der bestimmt gesagt: „Ach was, halb so tragisch! Schon vergeben und vergessen.“ Aber weil ich es niemanden erzählt habe, konnte mir auch niemand vergeben. Und so habe ich damals versucht meine schlechten Geheimnisse einfach zu verdrängen und zu vergessen.

Irgendwann habe ich mich aber getraut. Ich habe alles erzählt. Und zwar als ich zum ersten Mal als Erwachsene gebeichtet habe. Ein Freund hat mich dazu ermutigt, er hat mir erzählt: „Das Besondere an der Beichte ist: Du kannst Vergebung tatsächlich erleben und zwar von Gott her. Du kannst einem Geistlichen erzählen, was dich belastet und es ehrlich bereuen. Außerdem ist dabei wichtig, dass man sich wirklich vornimmt, es in Zukunft besser zu machen.“ 

Als ich das gehört habe, dachte ich mir: „Ok, ich kann es wenigstens mal versuchen.“ Trotzdem hatte ich ziemlichen Bammel. Aber dann habe ich angefangen, zu erzählen.

Der Priester hat einfach nur zugehört. Für mich war das so, als ob Gott mir zuhört. Ich konnte spüren, ich erzähle das gerade nicht nur diesem Menschen, sondern auch Gott.

Als ich fertig war, habe ich trotzdem befürchtet, dass jetzt eine Art Quittung kommt. Stattdessen hat der Priester ganz freundlich gesagt, dass Gott sich bestimmt sehr freut, dass ich heute einen neuen Weg zu ihm und zu mir selbst gefunden habe. Und dann hat er ganz schlicht gesagt: Ich spreche dich los von all deinen Sünden.

Das wars.

Seit dieser Beichte weiß ich: Erst wenn ich aufhöre, meine schlechten Geheimnisse für mich zu behalten und erst, wenn ich anfange, sie Gott zu erzählen – erst dann verändert sich etwas. Weil Gott jemand ist, der mir immer vergibt. Dann fange ich an, mich so zu sehen, wie er mich sieht – und das ist so viel mehr als einfach nur „vergeben und vergessen“.

 

[1] Vgl. https://www.spektrum.de/news/psychologie-warum-wir-geheimnisse-haben/1568206 (letzter Aufruf 15.06.23).

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SWR4 Abendgedanken

17FEB2023
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Gestern habe ich mal wieder gesündigt. Ich habe in ein paar Minuten eine ganze Tafel Schokolade gegessen. Nur ein kurzer Moment der Schwäche und plötzlich war die ganze Tafel weg. Zurück blieb nur ich – mit schokoladenverschmierten Fingern und einem schlechten Gewissen.

Solche kleinen Sünden hängen mir oft länger nach. Oder wenn ich das Gefühl habe, dass ich etwas falsch gemacht habe oder mir etwas misslungen ist. Wie zum Beispiel vor ein paar Wochen im Parkhaus vor der Einfahrtsschranke: Ich habe mit dem Auto zu weit weg vom Schalter angehalten und konnte das Ticktet nicht ziehen. Hinter mir hat sich schon eine Schlange gebildet. Nachdem ich mich erfolglos aus dem Fenster gestreckt habe, musste ich schließlich mit hochrotem Kopf aus dem Auto aussteigen, um an das Ticket zu kommen. Am liebsten wäre ich vor Scham im Boden versunken.

Aber warum überhaupt? Warum fühle ich mich schuldig oder schäme mich bei so alltäglichen Schwächen und Fehlern? So als hätte ich gesündigt. Dabei ist doch eigentlich überhaupt nichts passiert. Jedenfalls nichts, was mir leidtun müsste. Schließlich habe ich weder mir noch jemand anderen damit ein Leid angetan. Genau das wäre nämlich tatsächlich eine Sünde. Jedenfalls so eine, wie sie der christlicheGlaube definiert.

Das Wort „Sünde“ kann man aus dem altnordischen Verb „sund“ herleiten und es bedeutet übersetzt: trennen oder absondern. Im Christentum ist damit die Trennung von Gott gemeint. Etwas ist also dann Sünde, wenn ich mich damit von Gott und seiner Liebe trenne. Weil jeder Mensch ein Abbild Gottes ist, bedeutet sündigen dabei vor allen Dingen auch, sich von seinen Mitmenschen „abzutrennen“. Ich sündige, wenn ich mich von den Menschen um mich herum abwende und den Beziehungen, die ich zu ihnen habe, schade. Sie bewusst verletzte.

So betrachtet ist eine ganze Tafel Schokolade auf einmal zu essen natürlich keine Sünde, es sei denn, ichhätte sie jemand anderem mit Absicht weggegessen. Und auch für die Aktion an der Parkschranke muss ich mich nicht schämen. Schließlich wollte ich niemanden bewusst ärgern.

Zu wissen, was für mich als Christin Sünde ist, und was nicht, ist für mich eine Riesenbefreiung: denn dann wird mir bewusst, dass das meiste, was bei mir an einem Tag so schief läuft, zwar ärgerlich oder auch mal peinlich sein kann. Von Gott aber trennt es mich nicht und mit anderen Menschen kann es mich im besten Fall sogar verbinden.

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SWR4 Abendgedanken

16FEB2023
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Heute, am „schmutzigen Donnerstag“, geht die fünfte Jahreszeit wieder in die heiße Phase. Und ich merke auch dieses Jahr: Mir fehlt ein bisschen das „Narren-Gen“. Leider. Denn wenn sich alte Freunde wieder in der Heimat treffen, Familien gemeinsam durch die Straßen ziehen und alle zusammen die bunten Bräuchepflegen, ist das eigentlich was Tolles.

Zum Beispiel, wenn die Narren die Rathäuser stürmen und symbolisch die Macht übernehmen. Oder wenn die Menschen durch die Straßen ziehen, sich verkleiden und besonders die Mächtigen veralbern. Für ein paar Tage herrscht fast überall eine verkehrte Welt.

Eine verkehrte Welt begegnet mir aber nicht nur an den närrischen Tagen. Sie ist auch so etwas wie die Kernbotschaft meines Glaubens. Denn über Jesus wird in der Bibel gesagt, dass er die Dinge auf den Kopf stellen wird. Dort heißt es: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.“1

Jesus erklärt den Menschen: Mit mir bricht eine Zeit an, in der nicht die Starken und Reichen herrschen, sondern im Gegenteil: In der die Schwachen und Armen an erster Stelle stehen. Statt sich mit den Mächtigen zu verbinden, geht Jesus zu denen, die am Rande stehen – die als wertlos gelten oder sich selbst für wertlos halten. Und er zeigt ihnen, wie unendlich kostbar in Gottes Augen sind. Jesus verkündigt „das Königreich der Demütigen und Schwachen“. Er sagt: „Die Letzten werden die Erste sein.“2

So wie an der Fasnet, wenn Politiker wie in Stockach vors Narrengericht müssen und alles auf dem Kopf steht, so ist auch in der Welt, von der Jesus spricht, alles verkehrt. Aber nur auf den ersten Blick. Denn seine Botschaft ist keine verquere Theorie und auch kein toller Spaß, der nach ein paar Tagen sein Ende hat. Jesus zeigt, dass mit ihm tatsächlich eine neue Zeit beginnt: eine Welt, in der die Liebe mächtiger ist als der Tod.

Wenn jetzt wieder die vielen Narren unterwegs sind, erinnern sie mich daran, dass ich auf eine bessere Welt hoffen kann. Und ich frage mich, was auch in meinem Leben auf den Kopf gestellt werden muss, damit es in Gottes Augen richtig herumläuft.

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SWR4 Abendgedanken

15FEB2023
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Ich habe jetzt vorgesorgt. Auch wenn meine Stimme vielleicht jung klingt: In meinem Alter war es jetzt dran, dass ich ans Alter denke. Also haben mein Mann und ich uns beraten lassen. Über Versicherungen, Geldanlangen und natürlich die Rente. Wir haben Tabellen und Statistiken studiert, über Inflationsraten gefachsimpelt und unsere Ein- und Ausgaben für die Zukunft kalkuliert. Auch wenn man sich natürlich nie sicher sein kann, wie es einem im Alter geht: für später vorgesorgt zu haben, gibt mir ein besseres Gefühl.

Heute schon an morgen zu denken – das ist ein Grundgedanke des Menschseins. Kein Wunder also, dass sich der auch in der Bibel findet. Er ist sogar so etwas wie die allererste Nachricht, die Jesus in der Öffentlichkeit an die Menschen richtet und die lautet:

„Metanoia“. Das heißt übersetzt: „Denkt an das, was danach kommt!“

Jesus fordert die Menschen dazu auf, für später vorzusorgen. Er sagt: „Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, sondern sammelt euch Schätze im Himmel. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“1 Ihm geht es also um unser Leben nach dem Tod. Denn wenn alle meine Arbeitsjahre vorbei sein werden, dann habe ich zwar vorgesorgt. Wenn aber all meine Lebensjahre vorbei sind, welche Vorsorge habe ich danngetroffen?

Anders als fürs Alter kann ich meinen Weg in den Himmel natürlich nicht mit Listen und Tabellen berechnen und kalkulieren. Aber dank Jesus kann ich mich trotzdem schon jetzt vorbereiten und zwar indem ich in meinem Herzen Schätze sammle – etwas, das ewig bleibt. Zum Beispiel die Momente, in denen ich anderenvergebe, anstatt auf mein Recht zu pochen. Oder in denen ich bereit bin, etwas zu geben, anstatt zu nehmen. Solche Momente können viel von mir fordern, Liebe ist eben oft kein leichter Weg. Aber es sind solche Momente der Liebe, in denen ich Jesus nachfolge, und so schon ein bisschen für den Himmel

„üben“ kann.

Denn daran glaube ich ganz fest: Dass das, was ich tue, für Gott zählt. Dass er sich dafür interessiert, wie es in meinem Herzen aussieht. Aber dass ich vor allem und trotzdem darauf hoffen kann, dass er am Ende,wie ein guter Vater, schon längst für mich vorgesorgt hat.

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SWR4 Abendgedanken

14FEB2023
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Heute ist Valentinstag und damit der Tag der „Liebeserklärungen“. Aber was heißt das eigentlich,„jemanden lieben“?

Das Symbol der Liebe kennt wohl jedes Kind: ein Herz oder manchmal auch ein Herz mit einem Pfeil mittendurch. Das durchbohrte Herz hat seinen Ursprung in der römischen Mythologie. Dort wird der Gott der Liebe als kleiner Junge mit Pfeil und Bogen dargestellt und heißt Amor. Wen Amor mit seinem Pfeil ins Herz trifft, so der Mythos, der verliebt sich über beide Ohren. Bis heute schmücken deshalb Engelsputten mit Pfeil und Bogen so manche Valentinstagskarte. Aber der kleine Amor hat es faustdick hinter den Ohren. Denn wer von Amors Pfeil getroffen wird, der ist im wahrsten Sinne des Wortes „erledigt“. Dererliegt seinen Gefühlen. Und so treibt Amor seine Spielchen mit den Menschen.

So amüsant dieser Mythos auch ist, ich finde: Er verfehlt das, was die Liebe im Kern ausmacht. Denn, wenn ich zum Beispiel an mich und meinen Mann denke, dann muss ich sagen: die Liebe zwischen uns fühlt sich für mich nicht an wie ein blindes Schicksal, das mich getroffen hat. Und wenn mein Mann und ich uns unsere Liebe erklären, sagen wir uns damit auch nicht, dass wir uns willenlos erlegen sind. Im Gegenteil.

Der Heilige Augustinus hat einmal gesagt:

„‚Ich liebe dich‘ bedeutet übersetzt ‚Ich will, dass du bist‘.“

Wenn ich also zu meinem Mann sage, dass ich ihn liebe, dann sage ich damit nicht nur, was ich fühle, sondern vor allem, was ich will: Ich will, dass es dich gibt. Ich will, dass du lebst und glücklich bist.

Das klingt vielleicht simpel, aber für mich trifft das den Kern der Sache.

Ich finde den anderen Menschen so wichtig, dass ich will, dass er da ist. Liebe will Leben für den anderen.

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SWR4 Abendgedanken

13FEB2023
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Manche Tage sind so schön, dass man sich wünscht, sie würden niemals enden.

Ich weiß noch genau in meiner Kindheit. Da war der erste Tag der Sommerferien so ein Tag. Wenn ich mich am Morgen noch einmal genüsslich im Bett herumgedreht habe. Vor mir nichts als sechs herrliche freie Wochen ohne Schule – ein endloser Reichtum. Doch wie die Ferien so geht leider auch jeder schöne Tag irgendwann zu Ende. Und auf den Abend folgt die Nacht.

Aber was wäre, wenn das nicht so wäre? Wenn der Tag niemals enden würde?

Wie sich das anfühlen kann, habe ich vor ein paar Jahren im Sommerurlaub auf Island erlebt. In Island geht die Sonne von Mai bis Juli nie ganz unter. Selbst an ihrem tiefsten Punkt ist sie immer noch oberhalb des Horizonts zu sehen und steigt von dort wieder empor. Es wird in dieser Zeit also nie dunkel. Ich weiß noch, wie ich mitten in der Nacht im Hellen vorm Zelt sitzen und auf einen Gletscher schauen konnte. Jede Müdigkeit war wie weggeblasen. Weil der Tag scheinbar nicht zu Ende ging, schien mir für einen Augenblick auch meine Zeit, ja mein ganzes Leben kein Ende mehr zu haben. Ein unglaubliches Gefühl!

Dieses unglaubliche Gefühl, das habe ich vor kurzem noch einmal viel tiefer erlebt. Und zwar als unsere kleine Tochter auf die Welt gekommen ist. So lange hatten mein Mann und ich uns auf sie gefreut. Dann endlich war sie da. Ein kleines Mädchen, das mit staunenden Augen die Welt um sich herum entdeckt.

Ich weiß noch ganz genau, wie sie mich zum ersten Mal angelächelt hat. Oder wie sie zum ersten Mal lautüber die Faxen von ihrem Papa gelacht hat.

Irgendwie erstaunlich: Jetzt, wo ich erwachsen bin und so etwas wie der erste Ferientag seinen Zauber fast ganz verloren hat – jetzt fängt mit meiner kleinen Tochter plötzlich alles wieder von vorne an. Jetzterlebe ich die Welt durch ihre Augen noch einmal neu.

Natürlich weiß ich, dass so wie jeder Tag auch das Leben irgendwann sein Ende hat. Und doch: Wenn ich meiner Tochter dabei zuschaue, wie sie diese Welt entdeckt, dann fühle ich mich manchmal wie damals in Island. Dann scheint es mir für einen Augenblick, als würde die Zeit niemals enden. Und in mir ist so viel Dankbarkeit – ganz hell und reich, wie ein Tag, der nie zu Ende geht.

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SWR4 Abendgedanken

14APR2022
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Heute Abend feiere ich in meiner Kirche das „letzte Abendmahl“. Wie jedes Jahr an Gründonnerstag. Dabei denke ich daran, wie Jesus mit seinen Jüngern an diesem Abend noch einmal zusammensitzt. Gemeinsam essen sie, bevor er am nächsten Tag am Kreuz hingerichtet wird. Jesus weiß, was ihm bevorsteht. Trotzdem flieht er nicht oder taucht unter, sondern er setzt sich in aller Ruhe und ganz bewusst mit seinen Jüngern an den Tisch.

Was dann passiert ist, ist viel mehr als ein einfaches Abendessen. Jesus teilt mit seinen Jüngern nicht nur Brot und Wein, sondern er sagt: „Das, was jetzt und in den nächsten Tagen mit mir passiert, das ist nicht einfach ein Ereignis in der Geschichte, sondern: Immer wenn Menschen, so wie wir heute, das Brot und den Wein miteinander teilen, haben sie an dieser Geschichte teil.“

Bis heute feiern Christen auf der ganzen Welt deshalb heute Abend gemeinsam Abendmahl. Oder wie es in der katholischen Kirche heißt: Eucharistie.

Immer wenn ich Eucharistie feiere, erinnere ich mich nicht nur an Jesus und seine Geschichte, sondern in diesem Ritual ist er für mich wirklich da. Zwar anders als er damals für seine Jünger da gewesen ist, aber genauso wirklich. Ich kann Jesus zwar nicht sehen, aber in Brot und Wein wird er für mich sozusagen auf verborgene Weise sichtbar.

Das klingt vielleicht seltsam. Aber eigentlich verhält es sich bei vielen Dingen in meinem Leben so. Jedenfalls bei den Dingen, die mir wichtig sind. Mein Zuhause, mein Mann, der letzte Urlaub…das sind alles Dinge, die ich sehen kann. Aber das, was sie für mich erst so schön und wertvoll macht, ist viel eher: Der Frieden in meinem Zuhause, die Liebe zu meinem Mann und die Freude am letzten Urlaub. Es sind diese unsichtbaren Dinge, die in meinem Leben wirklich zählen.

Aber für die unsichtbaren Dinge brauche ich etwas, das ich sehen oder spüren kann. So wie z.B. einen Kuss, der mich die Liebe meines Mannes sehen und spüren lässt. Oder eben das Brot in der Eucharistie, bei dem ich etwas von Jesus, von Gottes Gegenwart schmecken kann.

Jesus hat mir am Gründonnerstag ein sichtbares Zeichen geschenkt, damit ich nicht vergesse, dass er auch heute und auch für mich wirklich da ist. Seine unsichtbare Liebe kann ich mit allen Sinnen erleben: in Brot und Wein.

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