SWR4 Abendgedanken RP

SWR4 Abendgedanken RP

Spätestens heute sind die Weihnachtskrippen in den Kirchen abgebaut. Mit den Kerzen ist es aber trotzdem nicht ganz vorbei: in den Gottesdiensten wird am 2. Februar Mariä Lichtmess gefeiert. Da ist es Brauch, die mitgebrachten Kerzen zu segnen. Das verbindet sie sozusagen mit dem Licht der Heiligen Nacht. Das Licht wird in den Alltag des Jahres hineingetragen, denn die gesegneten Kerzen werden Angehörigen geschenkt und in schweren Stunden angezündet. Früher gab es sogar bestimmte Kerzen, die Gefahren wie Blitz und Hagel von Haus und Hof fernhalten sollten. Ehrlich gesagt verlasse ich mich beim Unwetter lieber auf Blitzableiter und nicht auf Kerzen. Aber der Gedanke gefällt mir, dass das Licht der Weihnacht jeden Tag scheinen kann. Auch das Fest Maria Lichtmess geht auf so einen Lichtblick zurück. Auf den alten Simeon, der in Jerusalem dem kleinen Jesuskind begegnet. Simeon ist ein frommer und weiser Mann. Er hofft, dass er nicht sterben wird, bevor er seinen Erlöser, seinen Retter trifft. Im Tempel von Jerusalem begegnet er Maria und Josef mit ihrem 40 Tage alten Baby. Simeon nimmt es auf den Arm und erkennt in ihm den menschgewordenen Gott. Jetzt ist er sich sicher: Er kann in Frieden gehen, denn Gott ist da. Gott ist bei ihm, Gott ist bei den Menschen, es kann nichts mehr passieren. Und er kann nicht anders, er muss seine ganzen Gefühle in ein wunderbares Gebet packen. Dieses Gebet des Simeon berührt bis heute Menschen, und wird bis heute im Abendgebet der Kirche gebetet: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht, wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. Denn meine Augen haben das Heil gesehen, dass du vor allen Völkern bereitet hast."  Aber erzählt dieses Gebet nicht eigentlich von einer verdrehten Welt? Eigentlich brauchen doch Kinder die Erwachsenen. Eigentlich sind es die Erwachsenen, die die Kinder beschützen sollen. Bei Simeon und Jesus ist das anders: in dem kleinen Baby erkennt der alte Simeon das wahre Gesicht Gottes. Das überwältigt ihn: der große Retter-Gott ist zart, ist verletzlich und verschenkt sich in einem Kind. Das gibt ihm Hoffnung, das lässt sein Herz ganz ruhig werden: Gott macht sich klein, Gott ist zart. Daran möchte ich denken, wenn ich im Alltag eine Kerze zum Gebet anzünde.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9882
weiterlesen...