Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Wenn Menschen nach dem Himmel fragen, dann fragen sie oft nach der Gerechtigkeit. Im Lukasevangelium erzählt Jesus ein Gleichnis zu diesem Thema. Da ist von einem reichen Mann die Rede, der weit mehr hat, als er braucht. Vor seiner Tür liegt Lazarus, arm, hungrig und krank. Vergeblich hofft er, dass ihm der Reiche etwas abgibt. Beide sterben. Lazarus wird von Engeln in Abrahams Schoß getragen. Der Reiche kommt in die Unterwelt, wo er qualvolle Schmerzen leidet. Er ruft nach oben und will, dass Lazarus runterkommt und ihm mit etwas Wasser die Zunge kühlt. Aber Abraham erwidert: Denk daran, dass du schon zu Lebzeiten deinen Anteil am Guten erhalten hast, Lazarus aber nur Schlechtes. Jetzt wird er dafür getröstet, du aber mußt leiden." (Lukasevangelium 16, 19-31) Ich höre das mit sehr gemischten Gefühlen, denn ich gehöre zu den Menschen, denen es relativ gut geht. Und die Geschichte ist sowohl tröstlich als auch mahnend. Tröstlich, weil sie verspricht, daß die Ungerechtigkeit aufhört. Der arme Lazarus hat jetzt alles, was er zum Glück braucht. Von den Engeln wird er in Abrahams Schoß getragen, der immer Ausgesetzte schwebt hinüber in die denkbar wärmste Geborgenheit. Und genauso gut gefällt mir, daß Abraham ihn beharrlich verteidigt, als der Reiche noch von der Hölle aus versucht, Lazarus herumzukommandieren. Lazarus muß nicht mehr einsam vegetieren, nicht mehr hungern, keine Schmerzen mehr leiden, und er ist beschützt. Der Himmel verspricht den Elenden das Glück, lautet also die tröstende Botschaft, mindestens soviel, daß das Elend des irdischen Lebens ausgeglichen wird. Und die mahnende Botschaft? Die heißt: Wer nur für sich lebt und dabei mehr hat, als er braucht, wer andere in Not schickt oder sie ungerührt und untätig darin lässt, der kann vom Himmel nicht die Glückseligkeit erwarten. Das Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus verspricht, daß der Himmel Gerechtigkeit bringt. Aber mit diesem Versprechen für die Zukunft ist es nicht getan. Denn der gerechte Himmel hängt zusammen mit der gerechten Erde. Es kann keiner auf den Himmel im biblischen Sinne zuleben, ohne hier einen gerechten Umgang zu versuchen. Brauchen wir, um das anzupacken, eine Drohung oder eher eine Verheißung - oder einfach ein menschliches Herz?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=9309
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