SWR4 Abendgedanken BW

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In der Moschee werfen sich junge und alte Männer auf den Boden und beten. Das kann man immer wieder auf Bildern sehen. Und jedes Mal frage ich mich: Wie beten eigentlich wir Christen? Wie bete ich? Im stillen Kämmerlein, vor dem Einschlafen, im Gottesdienst?
Von Moses , dem großen Führer des alten Volkes Israel, wird in der Bibel einmal gesagt, Gott habe mit ihm geredet wie ein Mann mit seinem Freund. So wird das Gebet beschrieben. Menschen reden mit Gott wie mit einem Freund. So selbstverständlich soll das Beten sein. Auch Jesus hat die Menschen, die ihm nachgefolgt sind, als seine Freunde bezeichnet, die mit Gott reden  können wie Freundinnen und Freunde miteinander.
So wie Menschen miteinander reden, so soll es mit dem Beten sein: es gehört mitten ins Leben. Nicht nur für die Grenzsituationen ist Beten wichtig, wenn keine Medizin und kein Arzt mehr helfen können und man anscheinend nur noch beten kann. Sondern im Inland unseres Lebens, in unserem Alltag hat das  Beten seinen Platz.
Meine Hoffnungen und meinen Ärger, meine Ängste und meine Sorgen, meine Freunde und meine Kinder, auch meine Feinde und meine ungelösten Probleme kann ich im Gebet vor Gott ausbreiten. Ich kann danken, weil ich eine Sorge losgeworden bin, ich kann bitten um eine hilfreiche Idee angesichts einer Aufgabe, die mich ratlos macht, ich kann darum  bitten , dass ein Freund in seiner Einsamkeit Menschen findet, die ihn begleiten.
Dabei verändert mich das Beten. Denn wenn ich rede wie zu einem Freund, bin ich nicht mehr allein. Dann muss ich auch nicht mehr allein eine Lösung finden. Denn ich habe einen Teilhaber, einen der mithört und mitwirkt. Ich muss auch nicht mehr Stärke markieren, sondern kann mich zu meiner Schwäche bekennen. Beten verändert auch meine Umgebung. Denn wenn ich bete weiß ich, dass andere auch beten, dass vieles in einem größeren Zusammenhang anders aussehen kann und ich nicht mehr  allein betroffen bin.  Beten verändert aber auch Gott. So wie sich ein Freund auf mich einlässt und  antwortet, sich bewegt und verändert, so wird aus dem unbekannten und oft starren Bild Gottes ein Partner, der mich hört und versteht. Jesus nennt ihn Vater und ermuntert uns, ihn anzureden: Unser Vater, mein Freund. Zum Gebet gehört das Vertrauen, dass er mithört, reagiert. Jesus vergleicht das Beten einmal mit der Bitte eines Kindes an den Vater, ihm zu essen zu geben. Niemals wird er ihm dafür einen Stein anbieten. Wie die Reaktion Gottes ausfällt, das ist nicht meine Sache, das habe ich nicht in der Hand. Aber ich glaube, dass mich mein Freund nicht einfach im Stich lässt.

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