SWR2 Wort zum Sonntag

SWR2 Wort zum Sonntag

Im Augenblick werden durch Wortgefechte viele Probleme in der Politik und in der öffentlichen Diskussion erst so richtig geschaffen. Nun könnte man darüber hinweggehen, denn zum politischen Leben gehört die Auseinandersetzung, am besten durch die Kraft des Wortes. Dass da auch viel Gerede und Geschwätz dabei sind, ist nicht so ungewöhnlich. Was aber in letzter Zeit nachdenklicher stimmt, ist die Art und Weise, wie politisch tätige Menschen, die zum Teil auch eine lange und hohe Verantwortung in unserem Gemeinwesen tragen, behandelt werden. Gewiss muss man in jeder öffentlichen Position eine Menge von Kritik, manchmal auch Häme ertragen, ohne selbst in diesem Stil zurückschlagen zu können. Was aber in letzter Zeit sich ereignet hat, geht darüber hinaus.
Am deutlichsten ist dies vor und nach dem Rücktritt von Bundespräsident Köhler geschehen. Zur Kultur des Wortes gehört auch, dass man ein vielleicht missverständliches, aber doch auch leicht zu interpretierendes Wort vernünftig auslegt. Worte mit Achtung und Wohlwollen auszulegen gehört zu den Grundregeln z.B. der klassischen Redekunst. Heute muss man gelegentlich den Eindruck gewinnen, bei jedem diskutablen Wort vor allem politisch Verantwortlicher würde ein Wolfsrudel freigelassen, das sich darauf stürzt. Dazu gehört freilich auch, dass man einige, die es nicht verdienen, niedermacht, andere, die es auch nicht verdienen, in den Himmel hebt. Anständigkeit und Bodenständigkeit, Bescheidenheit und Bewährung in vielen kleinen Dingen werden eher verhöhnt. Man hat den Eindruck, dass man gewisse Leute von vornherein erledigen will.
In diesem Zusammenhang ist es eine Aufgabe der Kirche zu Maß und Mäßigung aufzurufen. Wer viele Jahre, oft ein Jahrzehnt und mehr, im Dienst der Gesellschaft und des Staates steht und sich wirklich für diese Aufgabe - aus welchen Motiven immer - verzehrt hat, verdient nicht weniger Achtung und Respekt wie jeder andere Mensch. Dies ist fast immer auch ein Gebot der Gerechtigkeit und der Wahrheit. Es hat aber auch etwas zu tun mit der Anerkennung, heute ein Schlüsselwort für das Gelingen der sozialen Beziehungen unter den Menschen. Menschenwürde darf nicht zu einem inflationären Allerweltswort werden, das man billig und bei jeder Gelegenheit, wo es einem passt, zitiert. Im Respekt nicht nur vor einem Amt, sondern nicht weniger vor der Person dessen, der Verantwortung für andere übernommen hat, zeigt sich auch die Achtung der Menschenwürde.
Für den Christen ist es aber auch wichtig, dass er dabei sich etwas sagen lässt vom Wort Gottes her. Hier kann man auch für unser politisches Leben viel z.B. aus dem Brief des Jakobus lernen. Da wird uns schon am Anfang gesagt: „Jeder Mensch soll schnell bereit sein zu hören, aber zurückhaltend im Reden und nicht schnell zum Zorn bereit." (1,19) Der Verfasser weiß um die unglaubliche Macht des Wortes und der Zunge. „So ist auch die Zunge nur ein kleines Körperglied und rühmt sich doch großer Dinge. Und wie klein kann ein Feuer sein, das einen großen Wald in Brand steckt. Auch die Zunge ist ein Feuer, eine Welt voll Ungerechtigkeit. Die Zunge ist der Teil, der den ganzen Menschen verdirbt und das Rad des Lebens in Brand setzt; sie selbst aber ist von der Hölle in Brand gesetzt." (3,5-6) Der Jakobusbrief, hinter dem ein sehr praktischer und nüchterner Sinn steht, weiß, wie viel der Mensch zähmen kann. „Die Zunge kann jedoch kein Mensch zähmen, dieses ruhelose Übel, voll von tödlichem Gift .... Aus ein und demselben Mund kommt Segen und Fluch. Meine Brüder, so darf es nicht sein.." (3,8.10)
Vielleicht können diese Worte uns etwas zur Besinnung wachrütteln. Gelegenheit zum Wettstreit ist dann noch genug, vor allem im Tun der Nächstenliebe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=8515
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