SWR2 Wort zum Sonntag

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Wir haben uns an Meldungen über Naturkatastrophen und große Unfälle durch die blitz-schnelle, weltweite Kommunikation gewöhnt. Aber trotzdem erschüttert uns die eine oder andere Nachricht immer wieder tief. So ging es uns auch in diesen Tagen mit dem schlimmen Erdbeben in Haiti, das in einer Minute sehr vielen Menschen das Leben koste-te und eine große Zahl von Häusern zerstörte.
Leider treffen solche Katastrophen nicht selten besonders arme Länder. Die oft leichte Bauweise der Häuser erhöht die Risiken und die Opfer. Haiti zählt zu den ärmsten Län-dern des amerikanischen Kontinentes. Gerade in den letzten Jahren ist Haiti besonders durch schwere Naturkatastrophen heimgesucht worden. Erst 2008 waren beim Durchzug von vier heftigen Stürmen fast 800 Menschen gestorben. Hurrikans und Tropenstürme kommen mit einer gewissen Regelmäßigkeit über das Land. Aber auch politisch wurden die Menschen durch lange Diktaturen unterdrückt.
Man kann nur dankbar sein, dass die internationale Gemeinschaft in diesen Katastrophen rasch zur Stelle war und viele Hilfen schnell zur Verfügung stellte. Besonders die Verei-nigten Staaten, die Haiti lange Zeit etwas abschätzig als einen der vorgelagerten Hinter-höfe betrachteten, haben auch in der jetzigen Situation schnell Soforthilfe geleistet. Ein-einhalb Stunden nach dem Beben waren bereits die ersten Mannschaften mit Spürhunden am Suchen nach verschütteten Menschen. Zu dieser Zeit war kaum noch eine Kommuni-kation mit dem Telefon möglich.
Das Unglück und die Hilfe geben Anlass zu tieferem Nachdenken, so dringend und eilig zunächst jede konkrete Hilfe ist. Was hier geschieht, kann uns aus vielen Gründen nicht gleichgültig sein, selbst wenn wir durch die Vielzahl von Naturkatastrophen und kriegeri-schen Auseinandersetzungen etwas abgebrüht sind. In solchen Situationen spüren wir stark, wie eng die Menschen, gerade auch durch die Medien auf der ganzen Welt näher zusammengerückt sind. Nicht zufällig sprechen wir nicht nur von der Menschheit, son-dern von der Menschheitsfamilie.
Aber auch das, was wir zunehmend mehr und mehr als Globalisierung bezeichnen und täglich ihre Wirkungen erfahren, kommt hier konkret zur Anschauung. Für einen Augen-blick treten die wirtschaftlichen und politischen Interessen zurück. Wir betrachten solche von Unglücken betroffene Länder nicht mehr bloß als Ableger, Rohstofflieferanten oder eben nur als erst noch zu entwickelnde Länder. Wir haben alle Mittel und Informationen, um den Menschen und auch den Problemen dieser Länder näher zu kommen. Globalisie-rung bekommt dann, wenn wir uns auf solche Notsituationen auch wirklich einlassen, ein konkretes Gesicht und bleibt nicht nur ein Schlagwort.
Dies hat auch eine religiöse Dimension, die uns schon die Hl. Schrift des Alten Testa-ments nahe bringt. Der Aufruf zur Nächstenliebe betrifft nicht nur die Menschen in räum-licher Nähe, also in der Familie, in der Sippe, in der Nation. Die Liebe begrenzt sich nicht am selben Stand und Beruf. Wir können im Alten Testament gut beobachten, wie das Gebot der Nächstenliebe sich über die engsten Adressaten hinaus immer mehr ausweitet, bis es sogar heißt, Liebe den Fremden wie dich selbst (vgl. Lev 19,34; Dtn 10,19). Schließlich gilt dies im Aufruf Jesu und der ersten Christen zur Feindesliebe erst recht.
Aber jetzt kommt es darauf an, dass wir den Bruder und die Schwester in der Ferne und Fremde als Unseresgleichen annehmen. All denen, die den Ruf um Hilfe dazu hören, ge-bührt Dank. https://www.kirche-im-swr.de/?m=7523
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