Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ (Matthäus 7,12) – Die sogenannte „Goldene Regel“ steht im Neuen Testament. Sie stammt aber nicht von Jesus. Jesus übernimmt diese alte ethische Weisung der Menschheit. Doch er empfiehlt nicht nur, dass wir uns so verhalten sollen, er lebt es vor und tut das im persönlichen und direkten Umgang mit den Menschen: Wer krank ist, den heilt er und verändert so sein Leben. Er gibt ihm wieder Sinn und Zukunft. Wer schuldig wird, dem verzeiht Jesus. Wer am Boden ist, dem macht er Mut, wieder aufrecht zu gehen. Wer abgeschrieben ist, dem gibt er seine Würde zurück. Wer gescheitert ist, dem eröffnet Jesus neue Lebensperspektiven. Was für ein Leben, wenn ich es öfters fertig brächte, dem anderen großzügig entgegenzukommen, mit Vertrauen und – wenn nötig – ich bereit bin, ihm zu verzeihen. Und wenn ich das auch vom anderen erwarten dürfte. Zu schön, um wahr zu sein? Und trotzdem traut uns Jesus das zu, und er macht uns Mut, es immer wieder zu versuchen: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ Was mich daran besonders fasziniert ist, dass Jesus der „Goldenen Regel“ hinzufügt: „Darin besteht das Gesetz und die Propheten.“ Was für eine einfache und lebbare, befreiende und frohe Botschaft! Gleichzeitig läuft es mir eiskalt den Rücken hinunter, wenn ich daran denke: Mit welchen moralischen und frommen Vorschriften, mit welchen dogmatischen Wichtigkeiten haben die Kirchen die Gläubigen oft überfordert, ihnen Angst gemacht und einander bekämpft. Was ich noch spannend finde: Die „Goldene Regel“ ist ethischer Kern in allen anderen großen Religionen – im Hinduismus und im Buddhismus, im Judentum und im Islam. Was für eine Chance für unsere Erde, wenn die Religionen miteinander zum Vorreiter würden für eine bessere Welt: tolerant und gewaltlos, sozial-gerecht und mit Ehrfurcht vor allem, was lebt. Und wenn so die Würde des Menschen und der Erhalt der Schöpfung zum Pflichtthema Nr. 1 würden.Ich glaube: Visionen zu haben ist wichtig. Träume können wahr werden. Ich glaube an Wunder: an Wunder des menschlichen Verstandes und des Herzens.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=6688
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