SWR2 Wort zum Sonntag

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In der Ferienzeit gibt es vielleicht Gelegenheit, das dritte Weltrundschreiben von Papst Benedikt XVI., das von ihm am 29. Juni unterschrieben und am 7. Juli 2009 veröffentlicht worden ist, zur Hand zu nehmen und zu lesen. Die Meldungen des Tages sind schnell verflogen. Damit darf aber ein solches Dokument nicht einfach im Archiv landen.
Papst Benedikt geht überaus sorgfältig und bedächtig vor mit der Veröffentlichung von Enzykliken. Es ist das dritte Weltrundschreiben. Es lässt sich unschwer erkennen, dass er darin Grundlagen unseres Glaubens vertiefen will. Im Jahr 2006 ging es um das christli-che Gottesverständnis mit dem Titel „Deus Caritas est“, „Gott ist die Liebe“; 2007 folgte das Schreiben über die christliche Hoffnung, „Spe Salvi“. Nun widmet er das neue Schreiben der christlichen Liebe, „Caritas in veritate“. Es ist leicht zu erkennen, dass der Papst damit insgesamt einer erhellenden Vertiefung der drei göttlichen Tugenden nach-geht: Glaube, Hoffnung, Liebe. Dies sind die Grundsäulen des christlichen Menschenbil-des, in der heiligen Schrift außerordentlich gut bezeugt sind. So heißt es ja schon beim hl. Paulus: „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ (1 Kor 13,13).
Nun lässt sich nicht übersehen, dass dem Papst eine bestimmte Akzentuierung des The-mas „Liebe“ in diesem Schreiben besonders am Herzen liegt. Liebe wird nämlich hier vor allem im Dienst einer humanen weltweiten Entwicklung verstanden. Dass Gott die Liebe ist, hat er ja schon mit zahlreichen Hinweisen auf die Notwendigkeit der menschlichen Caritas in seinem ersten Schreiben ausführlicher dargelegt. Bei der erneuten Zuwendung steht in diesem dritten Lehrschreiben eine ganz bestimmte Perspektive im Vordergrund: die aktuelle Globalisierungs- und Gerechtigkeitsdebatte. Darum hat der Papst auch das Erscheinen dieses Schreibens weiter hinausgeschoben, weil er auf die Krise der weltwei-ten Banken-, Wirtschafts- und Finanzsysteme, die seit dem Spätherbst letzten Jahres soviel einschneidende Änderungen gebracht haben, stärker eingehen wollte, als dies wohl bei den ersten Planungen der Fall war.
Nun ist das Thema für eine Weltkirche, wie sie die katholische Glaubensgemeinschaft in besonderer Weise ist, nicht fremd. Zunächst heißt ja „katholisch“ soviel wie weltumspan-nend. Die katholische Soziallehre, die das Thema internationaler Gerechtigkeit und Aus-gleich zwischen Armen und Reichen immer schon im Auge haben musste, war – angefan-gen von der ausgleichenden Kollekte zwischen den Kirchen Klein-Asiens und den Armen in Jerusalem vom hl. Paulus angeregt und tief ausgelegt (vgl. 2 Kor 8) – bis zur Notwen-digkeit einer Stellungnahme über das Vorgehen Europas mit fremden Völkern bei der Kolonialisierung in der frühen Neuzeit, elementar herausgefordert.
Aber erst das immer stärkere Bewusstsein von der Zusammengehörigkeit und notwendi-gen Solidarität der vielen Völker in der einen Welt hat die Sorge um diese wechselseitige Rücksicht für die notwendige Unterstützung noch dringlicher gemacht. Die beiden Welt-kriege des 20. Jahrhunderts haben dies besonders anschaulich angemahnt. So entstan-den nach dem ersten Weltkrieg der Völkerbund und nach dem zweiten Weltkrieg die Ver-einten Nationen (UNO). In den letzten Jahrzehnten ist diese Globalisierung, wie wir sie nennen, besonders in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht ungewöhnlich beschleu-nigt worden. In atemberaubender Geschwindigkeit werden z.B. riesige Finanzsummen um die Welt geschickt. Keiner ist mehr allein. Um so stärker werden natürlich auch die Lücken in der Gerechtigkeit unter den Völkern erkennbar. So kam es zu immer stärkeren Forderungen nach einer Entwicklung gerade auch der Völker der Dritten Welt.
Dies ist der Hintergrund für die neue Enzyklika. Schon Papst Paul VI. hat im Jahr 1967 die erste Entwicklungsenzyklika „Fortschritt der Völker“ („Populorum progressio“) und 20 Jahre später (1987) ließ Johannes Paul II. eine weitere Entwicklungsenzyklika folgen: „Sollicitudo rei socialis“. Nun werden wir eingeladen, wiederum gut 20 Jahre später die-ses jüngste Dokument zu der immer brisanter gewordenen Globalisierungsfrage sorgfäl-tig zu studieren. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6437
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