SWR2 Wort zum Sonntag

SWR2 Wort zum Sonntag

Worauf hoffen wir? Worauf vertrauen wir?
Wer heute das Paradies auf Erden verspricht, - oder ein System propagiert zur Rettung aus allen drohenden Menschheitsgefahren, - wirkt verdächtig. Denn die großen erdachten Systeme zur Beglückung der Menschheit sind in den vergangenen Jahrhunderten gründlich gescheitert, missbraucht und pervertiert worden. Die großen Ratschläge der großen Theorien ziehen nicht mehr.
Vertrauenswürdig sind allenfalls noch Einzelne und ihr Weg. Menschen vertrauen Menschen, wenn sie das, wofür sie eintreten, auch leben. In dieser Perspektive erzählt das Johannesevangelium von Jesus von Nazareth: Er - der Weg in Person, er - die Wahrheit in Person. An ihm, an Gottes Liebe in Person – werden Weg, Wahrheit und Leben anschaulich und so glaubwürdig. Er redet nicht nur vom Teilen, er teilt alles, was er hat. Er redet nicht nur von Hingabe, er gibt sich hin, ganz. Er redet nicht nur von Liebe, er ist die Liebe, er redet nicht nur von einer Hoffnung, er wird von den Toten auferweckt. Jesus weckt Vertrauen durch sein Leben.

Nur: Was wird aus dem Vertrauen, wenn die, die an ihn glauben, ohne ihn weiterziehen müssen? Wie können sie weiter ohne ihn und doch mit ihm hoffen und leben? Johannes ist davon überzeugt, dass Menschen, die sich von Jesus inspirieren lassen, für Licht in dieser Welt sorgen können. Wenn sie Jesu Wort beherzigen: „Glaubt an das Licht, solange ihr's habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet.“ (Joh 12,36) Sein Licht strahlt weiter. Vertraut ihr ihm, dann werdet auch ihr strahlen, als wäret ihr seine Kinder – Kinder des Lichts.

Einem Kind des Lichts bin ich unlängst begegnet – einer Frau, Mitte bis Ende dreißig. Sie ist seit mehreren Jahren arbeitslos und bemüht sich um eine Anstellung, bisher ohne Erfolg. Es war an Weihnachten und sie war zum Festessen ins Gemeindehaus gekommen. Nach dem Essen konnte jeder sagen, was ihn im Blick auf das kommende Jahr für sich oder die Welt mit Hoffnung erfüllt. Da meldete sich auch diese Frau zu Wort und sagte: „Ich wünsche mir für die Welt nur das eine, dass einer kommt, der nichts besitzt als eine Kutte und eine Kordel und eine Unterhose, einen Franz von Assisi meine ich. Und: ich will selber schauen, worauf ich in meinem Leben verzichten kann.“
Das sagt eine, die es gar nicht üppig hat, die keinen Wohlstandsballast abwerfen kann. Und die doch spürt: Das unentwegte Kaufen und Anhäufen von Dingen macht mein Leben nicht lebenswerter, nicht heller. Im Gegenteil. Das belastet nicht nur mich, das bringt die Möglichkeiten des Lebens auf dieser Erde an die Grenze. Wenn die Welt eine Zukunft haben kann, wenn sie weiter bebaut und bewahrt werden kann - dann mit einem wie Franz von Assisi – sensibel für die Tiere und Pflanzen, sensibel für die Nöte der Anderen, sensibel für das, was man nicht braucht.

Diese Frau hat das Licht entdeckt, dass in Franz von Assisi aufgeleuchtet ist. Franz ist ein Kind des Lichts und darin auch ein Kindeskind von Jesus von Nazareth. Man braucht keine großen geistigen Anstrengungen, um diese Verwandtschaft zu entdecken: Franz von Assisi, da ist Geist vom Geist Jesu, Licht vom Licht Jesu.

Die Kinder des Lichts - die Kindeskinder Jesu - sind uns oft näher, als wir denken. Keine berühmten Heiligen. Ein Gedicht von Reiner Kunze hat mich drauf gebracht: „Kinderzeichnung“ heißt es – und ich denke, so ein Bild hat jedeR schon einmal gesehen:

Du hattest ein viereck gemalt,
darüber ein dreieck,
darauf (an die seite) zwei striche mit rauch –
fertig war
das haus
Man glaubt gar nicht, was man alles nicht braucht.

aus: Reiner Kunze, Widmungen,1977

Hatte Jesus Kinder? Und ob. Mehr als eines. Und es können immer neue dazu kommen.
„Glaubt an das Licht, solange ihr's habt, damit ihr Kinder des Lichtes werdet.“ (Joh 12,36) https://www.kirche-im-swr.de/?m=630
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