SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Teil 1
„Ich möchte dich mal zum Essen einladen“, sagte neulich eine Kollegin zu mir. „Und bring deinen Mann mit. Ein paar andere Freunde sind auch da. Lass uns mal einen schönen Abend machen.“ Ich habe mich über diese Einladung gefreut. Und es wurde dann auch ein fröhlicher Abend. Wir haben geplaudert, fein gegessen und guten Wein getrunken. Ein bisschen Abwechslung im vollen Alltag. Das tat gut.
Manchmal kommen Einladungen aber auch eher ungelegen. Ich bin gerade einfach nicht in Stimmung, zu erschöpft für ein geistreiches Gespräch und im Büro liegt jede Menge unerledigter Kram. Außerdem sind da auch Gäste, mit denen ich nicht kann. Was tun? Absagen mit fadenscheinigen Gründen: Migräneanfall oder Wasserrohrbruch? Oder doch hingehen in der Hoffnung, dass der Abend trotzdem noch entspannt wird?
Jesus erzählt eine Geschichte, in der eine Einladung zum Abendessen im Mittelpunkt steht.
Es war schon ein größeres Essen als nur ein schlichtes Abendbrot. Fast ein Festessen, das da ein Mann geplant hat. Seinen Freunden wollte er was Gutes tun. Er lädt schon mal schriftlich
ein und lässt die Gäste sogar vor dem Essen von einem Angestellten abholen. Welche Ehre, welcher Service! Umso unverständlicher ist, dass jeder der Geladenen absagt. Mit Argumenten, die nicht wirklich überzeugen. Da hat einer gerade ein Grundstück gekauft und muss es angeblich begutachten. Ein anderer hat seinen Fuhrpark verstärkt und muss nun testen, ob sich der Kauf auch bezahlt gemacht hat. Die Absagen sind eine echte Beleidigung. So empfindet es der Gastgeber. Er wird wütend, erzählt Jesus, richtig sauer auf die, die trotz Einladung nicht kommen. Doch das vorbereitete Menü verderben lassen wäre zu schade. Der Mann schickt seinen Angestellten nochmals raus mit einem außergewöhnlichen Auftrag. „Such die, die niemand einlädt.
Die Krüppel und Blinden, die Armen und Obdachlosen. Lad sie ein, zu mir zu kommen. Und mit mir zu essen. Auf dass das Haus voll werde.“ Und so geschieht es dann auch.
Klingt ein bisschen wie ein Märchen, diese Geschichte, die Jesus erzählt. Die Privilegierten sind zu dumm, um ihre Chance zu ergreifen. Deshalb bekommen die Verlierer den Zuschlag.
Jesu Geschichten sind immer graderaus und unmissverständlich. Und sie sind parteiisch.
Auf der Seite derer, die auf die Hilfe anderer angewiesen sind. Auf der Seite derer, die nichts mehr leisten können. Jesus hat aber diese Geschichte nicht nur erzählt.
Er hat selbst die Schwächsten eingeladen. Zu einem Leben mit Hoffnung und Würde.
Und so wurde aus dem vermeintlichen Märchen Wirklichkeit.

Teil 2
Wer was darstellt, wird gerne eingeladen. Ob das der Bürgermeister ist oder die Bischöfin oder der Chef des örtlichen mittelständischen Unternehmens .Wichtige Menschen, die Rang und Namen haben durch das, was sie tun und leisten. Und natürlich gehört es zum guten Ton, auch ein Gastgeschenk mitzubringen. Und sich vielleicht bei nächster Gelegenheit zu revanchieren und eine Gegeneinladung auszusprechen.
Jesus erzählt eine Geschichte, in der die eingeladenen Gäste nichts mitbringen als sich selbst. Kein öffentliches Ansehen, keinen Titel, keine Schaffenskraft. Menschen, die von den Gesunden und Starken, wenn’s gut geht mitleidig durchgefüttert werden. Menschen, die normalerweise nicht mehr eingeladen werden, weil sie aus den meisten sozialen Beziehungen rausgefallen sind. Durch ihr Handicap, wegen ihrer Sucht, wegen ihrer nackten Armut. Die fast schon ärgerliche Solidarität mit denen, die nichts leisten können, gefällt mir an Jesus. Er unterläuft damit das, was viele Menschen geradezu als Glaubensbekenntnis verinnerlicht haben: „Ich leiste etwas und deshalb bin ich Mensch. Ich leiste viel, deshalb bin ich ein besonders wertvoller Mensch.“
Wenn ich so denke, gilt aber auch im Umkehrschluss: „Wenn ich nichts mehr leisten kann bin ich nur noch ein halber Mensch. Oder ein Mensch, der gar nichts mehr wert ist.“ Jesus hinterfragt dieses verhängnisvolle Denken und setzt dagegen: Du bist wertvoll, weil du von Gott geliebt bist. Du als Mensch mit diesem ganz eigenen Namen. Das was du leistest, interessiert mich nicht. Du bist mir unendlich lieb, auch wenn du keine Glanzleistungen vorweisen kannst. Ich gebe dir Würde, gerade dann, wenn du keine Topleistungen mehr bringen kannst und dir alles zwischen den Fingern zerbröselt, was du geschafft hast.
Kann ich das so einfach glauben in einer Welt und in einer Zeit, die völlig andere Maßstäbe und Kriterien hat? Für mich in Anspruch nehmen, weil ich ja auch zu diesen Leistungsorientierten gehöre wie so viele andere auch?
Kann ich das zu einem neuen Lebensmotto machen und Menschen, die mit mir leben, auch dazu motivieren? Jesus lädt dazu ein. Ein bisschen in altertümlichem Lutherdeutsch und trotzdem so schön heilsam: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Dann, wenn wieder viel von mir gefordert wird, erinnere ich mich daran. Und erst recht, wenn gar nichts mehr geht: Auch ohne vorzeigbare überprüfbare Leistungen ist mein Leben wertvoll und würdig.
Von den Einladungen, die ich so bekomme, scheint mir Jesu Einladung die wichtigste zu sein.
Ich tu mir richtig was Gutes an Leib und Seele, wenn ich sie annehme. https://www.kirche-im-swr.de/?m=6243
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