SWR2 Wort zum Sonntag

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Es gehört in der Bibel des Alten und des Neuen Testaments von Anfang an zu den Grund-überzeugungen, dass wir keine Unterschiede in der Wertung und Beurteilung von Men-schen vornehmen, z.B. nur deshalb, weil sie eine entsprechende Stellung haben. Dies gehört zu den Voraussetzungen eines demokratischen Rechtsstaates und unseres Um-gangs miteinander, auch wenn wir da und dort noch weit davon weg sind. Aber die Grundforderung hat ein bleibendes Fundament in der Hl. Schrift: „Ihr sollt in der Recht-sprechung kein Unrecht tun. Du sollst weder für einen Geringen noch für einen Großen Partei nehmen.“ (Lev 19,15) So am Anfang der Bibel, aber auch am Schluss, wo es im Ersten Petrusbrief heißt, dass Gott „jeden ohne Ansehen der Person nach seinem Tun beurteilt“ (1 Petr 1,17).
An diese Forderung denke ich auch immer wieder in der Krise unseres Finanz-, Wirt-schafts- und vor allem Banken-Systems. Es darf gewiss nicht verboten sein oder aus ir-gendwelchen Gründen unterlassen werden, nach Schuldigen zu suchen. Auch wenn wir wissen, dass dies dem ganzen „System“, in dem wir leben, nicht gerecht wird. Auch muss man zu hohe Gehälter, Beteiligungen und Abfindungen bei Managern und vergleichbaren Verantwortungsträgern rügen, aber man darf nicht vergessen, dass dies alles lange ge-duldet worden ist.
In diesen Tagen und Wochen kommt mir es manchmal doch so vor, als ob man es sich etwas billig macht, wenn man alles den „Managern“ zur Last legt und auf sie einschlägt. Ich will dabei nicht missverstanden werden: Manche Dinge müssen an den Tag und auch anders geordnet werden. Wenn in vielem die Moral nicht mehr vorausgesetzt werden kann, braucht es eben zwingende Gesetze. Aber es ist nicht damit getan, dass wir überall leicht Zustimmung einholen, wenn wir – dazu noch pauschal und undifferenziert – einen ganzen Berufsstand immer wieder an den Pranger stellen.
In Wirklichkeit sind nämlich viele an diesen Auswüchsen beteiligt. Hier soll sich niemand so rasch entschuldigen. Viele Politiker und auch Gewerkschaftsführer saßen und sitzen in den Aufsichtsgremien, die solche übertriebenen Zuwendungen oft nur durchwinkten. Vie-les wurde hinter verschlossenen Türen verhandelt und vereinbart. Dies sollten auch die zugeben, die nun sich auf die andere Seite schlagen und rasch durch zu einfache Schuld-zuweisungen von der Sache und auch von sich selbst ablenken.
Aber ich muss noch einen Schritt weitergehen. Nicht nur „die da oben“ denken kräftig an sich und an die Sicherung Ihrer Zukunft. Diese Mentalität der Sicherung der eigenen Pfründe um jeden Preis gibt es auch auf viel niedrigeren Ebenen und fast überall. Natür-lich geht es nicht um solche Summen, aber die Mentalität ist im Grundansatz nicht so radikal verschieden. Hier kann jeder rasch vor seiner eigenen Haustüre kehren. Es gibt manchmal eben so etwas wie eine „Atmosphäre“ und ein „Milieu“, in denen man so denkt und bis in das Unbewusste hinein so reagiert.
Deshalb ist es gut, in die Bibel hineinzuhören. Nicht zufällig warnt die Schrift von Anfang bis Ende vor jeglichem „Ansehen der Person“. Wenn man sorgfältig zuhört, sieht man freilich auch, dass hier alle einbezogen werden, auch den „Geringen“ – und erst recht denen, die andere für „Geringe“ halten – gilt dieses Wort. Man kann an allen Orten und in allen Situationen sich gegen dieses Gebot, kein Ansehen der Person auszuüben, versün-digen, weder oben noch unten.
Ich sage dies nicht, um irgendjemand an den Pranger zu stellen. Aber es wird Zeit, dass wir diese billige Kritik an den Managern und Bankern zurückschrauben und endlich – möglichst mit ihnen – an einer Verbesserung der Situation und der Strukturen arbeiten. Darauf kommt es an. Der Blick darf sich nicht ewig nach hinten wenden, sondern muss sich nach vorne richten. Und dies möglichst gemeinsam. Es ist höchste Zeit. https://www.kirche-im-swr.de/?m=5982
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