Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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Macht hat viele Gesichter. So viele wie die Menschen, die sie ausüben. Auch bei de-nen, die mit Jesus und seinem Prozess zu tun hatten, spielte Macht eine Rolle. Pila-tus hat sie inne, die Macht. Doch die Leute wissen, dass er um seine Macht fürchten muss, und tricksen ihn, den Mächtigen, mit seiner eigenen Angst aus. Aber immer gibt es auch Einzelne, die ganz nebenbei, ganz unauffällig mitziehen an den Fäden der Macht.
So war es auch in der Nacht, an die Christen heute, am Gründonnerstag, denken. Jesus wird festgenommen, und seine Freunde bleiben verängstigt zurück. Im Ge-fängnishof brennt ein Feuer, und Petrus, sein Vertrauter, setzt sich zu einer Gruppe von Leuten, die sich dort aufwärmen. Auch ihm ist kalt, außen und mehr noch innen. Im Schutz der Dunkelheit und der fremden Menschen will er so nahe wie möglich bei Jesus bleiben und aus den Gesprächen vielleicht erfahren, wie es jetzt weitergehen wird.
Aber er kann nicht untertauchen. Eine Frau, irgendeine Tagelöhnerin, erkennt im Feuerschein sein Gesicht und sagt: He, du da drüben, du bist doch auch einer von seinen Leuten!? Jetzt schauen alle auf ihn. Und wie durch einen Reflex gesteuert, sagt er: Ich? Wie kommst du darauf, ich kenn den überhaupt nicht, ich bin nur zufällig hier. Aber die Frau beharrt: Du verrätst dich ja, wenn du den Mund aufmachst, man erkennt dich doch sofort an deinen Dialekt Und nochmals beteuert Petrus, dieser Fels von einem Mann, dass er mit Jesus nie was tun hatte.
Die Frau am Feuer, sie wirkt so harmlos. Sie sagt, was ihr auffällt, nichts weiter. Wirklich nicht? Vielleicht war es ihr im ersten Moment gar nicht bewusst, welche Macht sie plötzlich in der Hand hatte, und was sie mit ihrer Bemerkung bewirken konnte. Aber dann, als Petrus in die Enge getrieben wird, beginnt sie, ihren kleinen Triumph zu genießen. Und die anderen, die sie zuvor kaum beachtet haben, schau-en auf sie, sie weiß etwas, das alle interessiert. Vielleicht hat sie sich nicht oft in ih-rem Leben bedeutend gefühlt, aber jetzt, jetzt ist sie wer.
Die Magd am Feuer, sie sitzt oft mit dabei, wenn über Menschen gesprochen wird. Wenn man sich hinreißen lässt, zu tratschen oder ein Gerücht weiterzuerzählen. Wenn ein Verbrecher überführt ist und es alle immer schon gewusst haben, dass mit dem was nicht stimmt.
Wie sie hieß, die Magd am Feuer, wir wissen es nicht. Viele Namen würden zu ihr passen, meiner zum Beispiel auch.


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