SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Heute ist Totensonntag. Ich möchte ich Sie zu einem Gang über den Friedhof einladen. Hier ist ein Ort der Ruhe, wo wir unsere Alltagsgedanken einmal loslassen können. Ich möchte mit Ihnen einige Grabsteine besuchen, denen ich begegnet bin und die mich beeindruckt haben.
Einer dieser Grabsteine erinnert an eine Wanduhr: Zwei Zifferblätter sind darauf eingraviert. Die Zeiger des oberen geben eine genaue Zeit an: 5 Minuten nach 7 (Uhr), daneben steht der Name „Arthur“. Diese ungewöhnliche Botschaft macht betroffen: „Um 5 nach 7“ fand dieses Leben also sein Ende, die Erschütterung darüber ist gleichsam zu Stein geworden. Vielleicht kam der Verstorbene durch einen Verkehrsunfall ums Leben, vielleicht starb er nach langer Krankheit. - Das untere Zifferblatt ist leer. Einmal wird es den Namen und die Sterbezeit dessen angeben, , der dem Toten in dieses Grab folgen wird.
„5 nach 7“ – Der Tod ist eine Zäsur, wie es keine zweite gibt – schonungslos, unwiderruflich. Innerhalb einer Sekunde löscht ein Leben aus - und nichts ist mehr, wie es vorher war.
Was den Angehörigen bleibt, ist vor allem die liebevolle Erinnerung. So sagen es viele Grabinschriften in immer neuen Variationen. „Geliebt, beweint und unvergessen“, heißt es auf dem Grabmal einer 29-Jährigen. „Unvergessen in unseren Herzen“, sagt ein anderes - und ein drittes verspricht: „Du bist immer bei uns.“
Solche Versprechen können einen Menschen im Laufe der Zeit überfordern, und so ist es vielleicht kein Zufall, dass auf den Grabsteinen immer wieder „d i e Liebe“ genannt wird. Sie tritt gleichsam als überpersönliche Macht für uns ein, wenn unser aktuelles Andenken an die Verstorbenen schwächer wird. „Die Liebe höret nimmer auf, sie überdauert Tod und Grab“, so steht es auf einem Stein und auf dem nächsten : „Das Leben vergeht – die Liebe bleibt.“
Für manchen mögen das nur leere Floskeln sein. Inhaltlich aber drücken sie eine Ahnung und eine starke Sehnsucht aus: Die Liebe soll das letzte Wort haben und nicht der Tod!


Teil 2

In den „Sonntagsgedanken“ sind Sie dazu eingeladen, einen Spaziergang über den Friedhof zu machen und mit einigen Grabsteinen ins Gespräch zu kommen.
Was geschieht im Tod! Vor allem: Gibt es ein Danach? Diese Frage ist so alt wie die Menschheit selbst und lässt uns nicht in Ruhe. Doch hier können wir im strengen Sinn nichts mehr wissen, nichts beweisen oder widerlegen. Ob medizinische Erkenntnisse oder Nahtoderlebnisse – sie alle bleiben „außen vor“ und haben die eigentliche Grenze nicht überschritten.
„Ich glaube an das ewige Leben“, so lautet das klare Bekenntnis auf einem Grabstein und das Kreuz darüber lässt den christlichen Hintergrund erkennen.
Was heißt „ewiges Leben“? Eine bloße Verlängerung der irdischen Zeit ist wohl nicht gemeint, sondern eine Existenz von ganz anderer, nie gekannter Qualität. Die Grabinschriften sprechen davon in Bildern: „Der Tod geleitet uns hinein in neues Leben“ heißt es da oder „Tod ist Leben – Sterben (ist die ) Pforte.“
Eine tröstliche Vorstellung: der Tod als eine gütige Instanz, die uns durch eine dunkle Tür hindurchführt, d a m i t wir zu unserem eigentlichen Leben gelangen oder, wie es in der Bibel heißt, zu einem „Leben in Fülle“.
Christen glauben, dass sie durch den Tod hindurch zur endgültigen Gemeinschaft mit Gott gelangen. Sie haben dafür nur eine einzige Begründung: Gottes unermessliche Liebe. Zeuge dafür ist Jesus von Nazaret und dies bis zum Tod am Kreuz. Wenn Gott die Liebe selbst ist, dann wird er uns, seine Geschöpfe, lieben ohne Begrenzung und Ende und uns zu sich rufen – zusammen mit allen, die wir geliebt haben.

Liebe will Ewigkeit – diese Erfahrung können wir schon hier auf Erden machen. Manchmal erleben wir uns außerhalb von Ort und Zeit: wenn wir einen Menschen „grenzenlos“ lieben, wenn wir überwältigt sind von der Schönheit einer Landschaft oder einer bewegenden Musik. Vielleicht liegt darin eine Ahnung, dass wir auf Ewiges hin angelegt sind.
Augustinus, ein Theologe um 400, deutete es so:
„Unruhig ist unser Herz, o Gott, bis es ruht in dir.“

Ein Gang über den Friedhof tut gut:. Er hilft uns, zur Ruhe zu kommen und uns auf Wesentliches zu besinnen: auf unseren Tod und auf unser Leben.
Ich wünsche uns, dass wir erfahren dürfen, was uns eine Grabinschrift sagt:
„Ob blind oder sehend – dort sind wir im Licht.“ https://www.kirche-im-swr.de/?m=4846
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