SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

„Das hast du aber gut gemacht!“, lobt die Mutter. Die dreijährige Eva strahlt. Zum ersten Mal hat sie geholfen, den Frühstückstisch zu decken: Vorsichtig, in kleinen Schritten, hat sie den Brotkorb und die Marmelade herbei getragen und nichts ist dabei „schief gegangen“. „Hab ich eine große Tochter!“, sagt die Mutter und streicht ihr übers Haar. Am nächsten Morgen steht Eva in der Küchentür – zum Einsatz bereit. Ab jetzt hat die Mutter an ihr eine treue kleine Helferin. -
Herr Meier kommt beschwingt nach Hause. Der Chef hat ihm eine hohe Anerkennung ausgesprochen und angekündigt, dass er die Stelle des neuen Filialleiters erhalten wird. „Siehst du,“, sagt Herr Meier aufatmend zu seiner Frau, „ich hab doch gute Arbeit gemacht!“ Er holt eine Flasche Sekt aus dem Keller und es wird ein so fröhlich-harmonischer Abend wie schon lange nicht mehr.

Jeder von uns braucht Anerkennung und Ansehen. Von anderen bestätigt zu werden ist besonders in jungen Jahren wichtig, damit wir an uns selbst glauben und unsere Persönlichkeit entwickeln können. Doch auch später hängt unser Wohlbefinden immer wieder von der Anerkennung ab, die uns andere Menschen zuwenden oder verweigern.
Was unser Äußeres betrifft, so leben ganze Wirtschaftszweige davon, uns zu einem gesellschaftlich anerkannten Ansehen zu verhelfen: Mode und Kosmetik, Body-Building, Sport und Wellness.
Was allerdings am meisten öffentliches Ansehen gibt, ist materieller Besitz. „Hast du was, bist du was“, sagt das Sprichwort kurz und bündig, und daran hat sich im Lauf der Jahrtausende nichts geändert!

Dass Schönheit, Gesundheit und materielle Güter vergänglich sind, ist kein Geheimnis und doch verhalten sich viele so, als hinge ihre persönliche Ehre allein davon ab.
Ein angesehener Dorfbewohner, früher auch politisch tätig, muss regelmäßig zur Chemotherapie in die Stadt. Er lässt sich nicht, wie vorgesehen, vom Krankenwagen abholen, sondern fährt mit dem eigenen Auto, obwohl das für seinen Zustand gefährlich ist. Die Leute sollten nicht merken, dass er ernstlich krank ist!

Zerbrechlich sind die Normen der Gesellschaft. Wo ist der Grund, der uns ein tragfähiges Ansehen gibt?

(Musik)

Ich will angesehen – ich will anerkannt sein! Das heißt doch: Jemand soll mich ansehen – mich, so wie ich bin, unverwechselbar, mit meiner eigenen Geschichte. Von außen erfahre ich Zuneigung und Abneigung, Beifall und Kritik. Da kommen dann schon Fragen auf: Wer bin ich ? Bin ich der, den die anderen in mir sehen? Was bin ich noch wert, wenn Jugend, Gesundheit und Besitz dahin sind, wenn ich vielleicht nichts mehr leisten kann und zuletzt nur noch auf die Hilfe anderer angewiesen bin?
Für die Bibel stammt alles, was lebt, von Gott, dem Schöpfer der Welt. Alle Menschen - ohne Unterschied - haben also den gleichen Ursprung und daher die gleiche Würde.
Doch nicht nur das: Der Gott der Bibel ist keine anonyme Macht, die sich in ein nebulöses Jenseits zurückgezogen hat. Er will Dialog-Partner des Menschen sein. „Ich kenne dich mit Namen“, sagt er zum Propheten Mose (Exodus 33,17) und ermutigt ihn, den ihm gegebenen Auftrag zu erfüllen. Er kennt ihn wie keiner sonst. Gott traut dem Menschen zu, seinerseits Partner Gottes zu werden, ohne dass er zuvor besondere Bedingungen zu erfüllen hätte.! Partner, mehr noch: Freund Gottes sein zu dürfen – das hängt nicht ab von Besitz und gesellschaftlicher Stellung, nicht vom Bildungsgrad, nicht einmal von besonderen „moralischen“ Qualitäten!

Gott kennt mich und ruft mich mit Namen - welch eine An-erkennung und welch ein An-sehen! „Gott sieht mich. Ich bin sein Augen-blick“ , sagt der Theologe Heinrich Schlier.
Wer sich von G o t t so angenommen weiß, kann die Urteile seiner Umgebung gelassener hinnehmen und Kränkungen leichter ertragen. Dass so etwas möglich ist, erlebte ich vor einiger Zeit bei einer kranken Freundin:
Wir schauten uns einen Fernsehbericht über die Berliner Filmtage an. Die Kamera zeigte eine Gruppe eleganter Frauen, die überwiegend in Rot gekleidet waren. „Die Farbe Rot ist zur Zeit ‚in’“, erklärte der Reporter. Meine Freundin lachte: Da bin ich aber alles andere als ‚in’!“ Sie saß in ihrem weißen Nachthemd im Bett, der Körper klein, mager, leicht verwachsen, die ungefüge Atemmaske auf Nase und Ohren geschnallt, an Schläuche angeschlossen – wie schon seit Jahren. „Nein, sag selbst,“ wiederholte sie, „ ich bin w i r k l i c h nicht in!“ Und sie lachte herzlich, so gut es die Atemmaske erlaubte. -
Meine Freundin ist eine gläubige Christin. https://www.kirche-im-swr.de/?m=4254
weiterlesen...