SWR3 Gedanken

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22APR2024
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„O mein Gott!“, sagt der Realitystar, als er von der kniffligen Mutprobe erfährt. „O mein Gott!“ sagt die Influencerin, als sie den Gürtel mit der Glitzerschnalle auf dem Tablet entdeckt. Und „O mein Gott!“ sagen auch meine Söhne, wenn sie einen krassen Zaubertrick bei Youtube sehen.

Jetzt könnte ich als Theologe natürlich anfangen zu schimpfen auf die ganze „O mein Gott!“-Sagerei. Tu ich aber nicht. Es heißt zwar, du sollst den Namen Gottes nicht gedankenlos benutzen, aber „O mein Gott!“ ist für mich ein Gebet. Und wem sollte ich das Beten verbieten!

Klar, je mehr es von Herzen kommt und je ehrlicher es gemeint ist, desto eher kann man auch von Gebet sprechen: „O mein Gott, wie viel Leid muss Tante Gisela noch ertragen?“ Oder: „O mein Gott, wie reißt mich diese Band mit!“ Oder: „O mein Gott, wie bunt blüht diese Blumenwiese!“

Der Ausruf „O“ steht dafür, dass etwas aus mir rausbricht, ich muss es einfach loswerden, was mich bedrückt, freut oder staunen lässt. Und das „mein“ steht dafür, dass Gott auch mir gehört, oder zumindest zu mir gehört. Dass er mein ist. Und das ist der beste Hinweis darauf, wo ich ihn suchen kann: Wohl weniger in der Realityshow, im Schaufenster oder bei Youtube. Sondern tief in mir, in meinem Herzen. O mein Gott!

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