Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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06APR2024
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Der Europarat[1] hat festgestellt: In Deutschland klafft die Spanne zwischen arm und reich immer mehr auseinander. Und das soll in Deutschland der Fall sein? Wo wir doch die stärkste Wirtschaftskraft in Europa sind und einen gut funktionierenden Sozialstaat haben? Dabei ist es gerade deshalb so: Weil wir so ein reiches Land sind, fällt es um so mehr ins Gewicht, dass ein Teil der Menschen in unserem Land schlecht dasteht. Und weil es in der biblischen Tradition eine klare Option für die Armen gibt, greife ich das Thema heute auf. Als Christ kann mich Ungerechtigkeit nicht unbeeindruckt lassen.

Der Europarat nennt drei Bereiche, bei denen Deutschland dringend etwas tun muss.

Erstens Armut. Betroffen sind besonders behinderte Menschen und Senioren, vor allem aber Kinder. Konkret geht es darum, die Rechte von Kindern zu stärken, damit ihre Bedürfnisse bei politischen Entscheidungen nicht vergessen werden.

Zweitens Wohnungsnot. Noch immer steigt Jahr für Jahr die Zahl von Menschen, die bei uns ohne festen Wohnsitz sind. Um daran langfristig und umfassend etwas zu ändern, muss sich auch das Mietrecht ändern, weil es Eigentümer zu wenig in die Pflicht nimmt.

Drittens Ausgrenzung. Wachsende Ungleichheit führt dazu, dass Menschen regelrecht aufeinander losgehen, indem sie den anderen verachten und beschimpfen. Rassismus und auch Judenfeindlichkeit sind die Folgen. Dagegen muss die Politik mehr unternehmen. 

Am Ende lautet das Fazit des Europarats: Das hohe Maß an Armut und sozialer Benachteiligung steht in keinem Verhältnis zum Reichtum des Landes[2]. Deutschland muss die soziale Gerechtigkeit fördern und die Lebensbedingungen für alle verbessern.

Dieses „für alle“ ist für mich der Schlüssel. Weil hier ins Spiel kommt, wie ich als Christ auf andere schaue. Vor Gott sind alle Menschen gleich. Alle haben die gleichen Rechte und Pflichten. Ungleichheit lässt sich aber nicht vermeiden. Deshalb steht der, der mehr hat, in der Pflicht zu teilen. Und teilen kann ich ganz schön viel. Ich kann andere an dem teilhaben lassen, was ich weiß, wo ich Einfluss und Beziehungen habe. Zu teilen heißt auch, ein offenes Haus zu haben und gastfreundlich zu sein. Und natürlich kann man einfach von dem abgeben, was man hat. Bei den meisten ist es ohnehin zu viel, und die die weniger haben, wären froh. Es genügt nicht, das Problem auf die Politik abzuladen. Wo ich lebe und arbeite, kann ich etwas tun – gegen die Schere von arm und reich.

[1] Der Europarat wurde 1949 zum Schutz von Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaat in Europa gegründet. Er ist von der Europäischen Union unabhängig. Ihm gehören 46 europäische Staaten an. Die Experten besuchten Deutschland im November vergangenen Jahres.

[2]https://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/Politik__Inland_/article250638849/Europarat-Deutschland-bekaempft-Armut-zu-wenig.html

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39654
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