Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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30MRZ2024
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Ein paar Frauen auf dem Weg zum Friedhof. So beginnt die Geschichte von Ostern. Vielleicht fällt mir deshalb heute die Stimme meiner Mutter ein, wie sie abends ruft: „Ich geh noch auf den Friedhof!“ An unendlich vielen Abenden hat sie einen Spaziergang zum Friedhof gemacht. Es sei denn, meine Tante von nebenan hat gesagt: „Ich gieß die Oma heute mit“. Jahrzehntelang haben meine Eltern die großen Familiengräber ihrer Eltern gepflegt. Und die Gräber von kinderlos verstorbenen Onkeln und Tanten gleich mit. Mehrmals im Jahr frisch bepflanzt, geharkt und gegossen.

Weder mein Bruder noch ich wohnen noch im Dorf unserer Kindheit. Auch meine Cousinen und Cousins sind in alle Welt verstreut. Keine von uns wird an heißen Sommerabenden Gräber gießen gehen. Deshalb haben meine Eltern beschlossen, dass sie einmal in einem Urnengrab beigesetzt werden möchten. Auf einem frisch angelegten Gräberfeld, das aussieht wie ein kleiner Park. Möglichkeiten zur individuellen Grabgestaltung gibt es dort kaum. Aber es ist schön da. Ich bin froh, dass meine Eltern sich darüber Gedanken gemacht haben, wie sie einmal bestattet werden möchten. Und dass sie mit uns Kindern darüber gesprochen haben. Auch ich selbst denke immer mal darüber nach, wie ich mir das einmal vorstelle. Ich möchte zum Beispiel auf keinen Fall, dass mein Leichnam einmal verbrannt wird. Feuer war auch zu Lebzeiten nicht mein Element. Und gerade habe ich von einer ganz neuen Möglichkeit gehört, die nennt sich „Reerdigung“. Da wird der tote Körper in einem eigens dafür ausgestatteten Behältnis auf Heu und Stroh gebettet, so wie das Jesuskind in seiner Krippe. Durch die Zugabe bestimmter Mikroorganismen dauert es nur 40 Tage und Nächte, bis der Körper auf natürliche Weise wieder zu Erde geworden ist. Und in dieser ganzen Zeit wird er sanft hin- und hergeschaukelt. Wie in einer Wiege. Wie in dem Lied “Swing low, sweet chariot, coming for to carry me home:” Fahr vorsichtig, schaukle mich sacht, du lieber Himmelswagen, der mich nach Hause bringen wird. Eine schöne Vorstellung für mich. Nach 40 Tagen kann die Erde dann in einem Grab beigesetzt werden. Wo das einmal sein wird, weiß ich noch nicht. Aber ich hoffe, es ist dann jemand in der Nähe, der es gießt.    

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39582
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