SWR2 Wort zum Tag

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21MRZ2024
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Der Frühling ist die Lieblingsjahreszeit Gottes! Da bin ich mir ziemlich sicher. Die Schöpfung wird neu - unübersehbar und kraftvoll. Der Frühling ist auf jeden Fall meine Lieblingsjahreszeit. Gestern hat sie auch im astronomischen Kalender wieder begonnen. Mit einem Mal sprosst es überall hellgrün. Wie ein Flaum. Dann mit immer kräftiger werdendem, dunklerem Grünton. Im Garten vor dem Fenster wachsen Krokusse, Narzissen und Tulpen und überziehen die Erde mit Farbe. Ein Satz aus der Bibel fällt mir dazu ein. Ein Prophet gibt ihn im Auftrag Gottes an seine Mitmenschen weiter: „Gedenkt nicht an das Frühere und achtet nicht auf das Vorige! Denn siehe, ich will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr’s denn nicht?“ (Jesaja 43,1+19)

Was ich besonders mit dem Frühling verbinde, ist sein Licht. Licht – das Werk des ersten Tages schon bei der biblischen Urerzählung der Schöpfung. Jeden Tag ist es einige Minuten länger da. Das hat dem Frühling einen weiteren Namen gegeben. Aus dem mittelalterlichen Wort für „lang“ - lang für die längeren Tage - hat sich der Name Lenz entwickelt. Dieser Name wird manchmal dafür verwendet, das Alter eines Menschen anzugeben. Ein schöner Brauch, finde ich, das Lebensalter nach den Frühlingsanfängen zu zählen. Man zählt nicht die Sommer, die Herbste oder die Winter eines Lebens. Sondern die Lenze! Und sagt dann: Er oder sie ist soundsoviele Lenze alt. Eine Zählweise, die auch in übertragenem Sinn ihr Recht hat. Denn jedes Leben setzt sich aus einer Kette von Neuanfängen zusammen. Und immer ist eine Ahnung da, dass die Welt auf Dauer nicht so bleiben wird, wie sie sich derzeit darstellt. Die Erfahrung der Schöpfung, die immer wieder neu aufleuchtet, ist eines der stärksten Hoffnungsbilder für die Welt. Ein unübersehbarer Widerspruch gegen alles, was mich sorgenvoll stimmt, wenn ich an die Zukunft denke. Von einem Historiker habe ich unlängst den Satz gehört: „Die Geschichte der Welt ist eine Abfolge von Kriegen.“ Ich denke: Genauso könnte man behaupten: Die Geschichte der Welt ist eine Kette von Neuschöpfungen. Manchmal gegen alle Vernunft. Und gegen allen Augenschein.

Dass die Lichtfenster am Tag länger werden, darauf warte ich. Und dass Gott seiner Schöpfung noch viele Lenze gönnt. Darauf vertraue ich. Wenn denn der Frühling schon Gottes Lieblingsjahreszeit ist.

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