SWR4 Sonntagsgedanken

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10MRZ2024
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Zu viel Kirche, zu wenig Jesus. So nehmen viele Menschen wahr, was ihnen in der Öffentlichkeit begegnet, wenn von Kirche und Christentum in Deutschland die Rede ist. Die Kirche ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Sie liefert unentwegt schlechte Nachrichten, auf die die Medien einsteigen können. Viele, die frustriert aus der Kirche austreten. Frauen, die nicht gleichberechtigt sind.

Ein Paradebeispiel für diese falsche Prioritätensetzung hat sich zuletzt auf der Frühjahrsvollversammlung der deutschen Bischöfe ereignet. Die Konferenz hat ein beachtenswertes Papier verabschiedet, in dem sie sich ungewöhnlich scharf gegen rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien und für ein demokratisches Miteinander ausspricht. Völkisches Gedankengut ist nicht mit dem Christentum vereinbar, schreiben sie. Der Vorsitzende der Konferenz, Bischof Bätzing aus Limburg, geht sogar noch einen Schritt weiter, wenn er sagt, dass weder Ämter noch Ehrenämter in der katholischen Kirche mit einer Mitgliedschaft in der AfD vereinbar sind. Wer Menschen nach ihrer vermeintlichen Rasse einteilt, wer alles angeblich Undeutsche aus Deutschland vertreiben will, der kann sich nicht gleichzeitig auf das Evangelium berufen. Im Papier der Bischofskonferenz steckt also viel Jesus drin. Aber leider wurde dieses positive und klare Signal von einer Meldung überlagert, die in den Medien mehr hermacht, die schneller war und bewusst vorher platziert wurde. Aus Rom kam der Befehl: kein synodaler Rat in der deutschen Kirche. Keine verbindliche Mitsprache von Laien bei den wesentlichen Entscheidungen. Und sofort sind wir wieder bei der Kirche und ihren Strukturen - und nicht bei dem, worauf es ankommt: bei Jesus und seinen Weisungen für ein gelingendes Leben.

Ich weiß, dass dieser Gegensatz pauschal ist, zu pauschal vermutlich. Die Kirche hat immer auch etwas mit Jesus zu tun. Was aber bleibt, ist der Anschein: Der Kirche geht es darum, ihre Macht zu erhalten, und es wird viel um Feinheiten gestritten, die kein Mensch mehr versteht. Jesus dagegen ging es vor allem um das Glück des Einzelnen und das Heil der ganzen Welt. Das gerät in Vergessenheit. Eine berühmte Stelle im Johannesevangelium formuliert das so: Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab (…). Er hat ihn gesandt, (…) damit die Welt durch ihn gerettet wird (vgl. Johannes 3,16f.).

Die Botschaft ist klar. Unsere Welt braucht keine selbsternannten Führer, keine politischen Messiasse. Sie braucht: mehr Jesus. 

Für meine Verhältnisse kommt das, was Jesus wichtig war, viel zu kurz in der Kirche, weil sie sich um sich selbst dreht und ihren eigentlichen Auftrag oft vernachlässigt. Dabei hat Jesus den Menschen so viel zu geben. Ich weiß noch sehr gut, was am Ende meiner Schulzeit den Ausschlag gegeben hat, dass ich Pfarrer werden wollte: Ich wollte – sozusagen mit Jesus und seinen Gedanken im Gepäck – die Welt ein bisschen besser machen. Wie frei er mit allem umging, was Menschen unnötig belastet hat. Die starren Vorschriften der Religion hat er einfach ignoriert. Was den Menschen glücklich macht, was ihn aufatmen lässt, stand für ihn an erster Stelle. Das ist beispielhaft frei, wenn ich daran denke, wie die Kirche bis heute Menschen einteilt wegen ihres Geschlechts, ihrer Sexualität, ihrem Lebenswandel. Wenn jemand zu ihm kam, der eine große Last mit sich herumgetragen hat, weil er sich schuldig gemacht hatte – das soll bis heute vorkommen. So einen hat er getröstet, ihm verziehen und Tipps gegeben, wie er neu anfangen kann. Es geht eben nicht um die, die schon das meiste haben, sondern um die, denen was fehlt. Um die muss die Kirche sich kümmern: Und das tut sie ja auch, aber es bleibt oft unbemerkt, weil es keine Schlagzeilen produziert. Jesus steht für eine großartige Botschaft, weil sie so menschenfreundlich ist, so großherzig und zärtlich. Das braucht unsere Welt. Davon kann das Miteinander in unserer Gesellschaft bloß profitieren.

Und noch etwas: Christen glauben, dass Jesus am Kreuz gestorben ist. Aus Liebe. Er wollte damit zeigen, wie weit einer gehen kann, wenn er an der Liebe festhält. Dass die Liebe Grenzen überwindet. Am Ende sogar den Tod. Spätestens dann landen wir bei der Frage, was denn unser Leben ausgemacht hat, was wichtig war und was bleibt. Es täte mir als Teil der Kirche gut, mich immer wieder auch mit dieser letzten Konsequenz zu konfrontieren. Was bleibt von allem, was wir tun, wenn es auf das Ende zugeht? Macht und Formen und Farben und Gesetze sind es nicht. Als Jesus gekreuzigt wurde, heißt es, sind zwei übrig geblieben von den vielen, die ihm vorher die Treue geschworen hatten. Nur zwei. Eine davon war Maria, die Mutter Jesu, die auch Mutter der Kirche genannt wird. Sie geht mit Jesus durch dick und dünn. Sie bleibt bei ihm, als es eng wird, weil sie ihn liebt. Ich finde: Darauf kommt es an. Bei mir, in der Kirche, in unserer Welt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39492
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