SWR2 Wort zum Tag

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05MRZ2024
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Im Chor singen wir gerade eine Messe von Giacomo Puccini. Ein kurzes, beschwingtes Stück daraus hat es mir besonders angetan. Es beginnt leise, mit nur wenigen Stimmen; andere kommen dazu; ein herrlich fröhlicher Walzer entwickelt sich. Das erwartet man nicht mitten in diesem geistlichen Werk. Das Stück steht am Ende des Glaubensbekenntnisses. Es vertont nur wenige Wörter „et vitam venturi saeculi“. Zusammen mit den Takten vorher heißt das „Ich erwarte … das Leben der kommenden Welt“. Kurzum, es handelt vom ewigen Leben. Puccini, der Opernkomponist, hat seine Hoffnung in dem Walzer musikalisch ausgemalt. Beim Singen fühle ich mich förmlich auf einen Ball versetzt. Menschen, die tanzen, sich freuen. Einer stößt mit dem anderen an. Nach wenigen Takten im Fortissimo folgt auch schon das Amen und das Ganze ist wieder vorbei.

Unser Chorleiter hat die musikalischen Bilder vor uns hingemalt und im Chor haben wir darüber gewitzelt. Von der ewigen Party bei Gott; wie sich frisch gewachsene Flügel wohl anfühlen und wie es sich damit wohl tanzt. Es wurde viel gelacht.

Der ewige Walzer bei Gott – es ist eines von unzähligen Bildern, in denen Christen im Lauf der Geschichte ihre Hoffnung zum Ausdruck gebracht haben: ein besonderes und sehr anschauliches Bild. Heute gehen wir zu Recht kritisch mit solchen Vorstellungen vom Paradies um. Manches ist höchstens im Scherz sagbar. Das Sprechen bleibt zögerlich, riskant geradezu. Ich will ja nicht naiv sein – und schon gar nicht anmaßend.

Ganz gleich, wie ich mich zu den christlichen Entwürfen stelle, die Fragestellung bleibt: Was gibt mir Hoffnung in meinem Leben? Und wie begegne ich dem Tod? Ich persönlich brauche lebendige Bilder, die ich dem Tod und der Zerstörung, die wir gerade erleben, entgegensetzen kann. Einen schönen Walzer zu tanzen, für mich gehört das zum lebendigsten, was das Leben zu bieten hat. Wenn es passt, dann wird mit jeder Drehung die Freude ein bisschen größer – Glückseligkeit, für mich ist ein Walzer dafür ein stimmiges Bild. Ein Moment, in dem ich spüren kann, dass da mehr ist als wir hier. Durch die Bewegung und die Musik verbunden zu sein mit etwas Größerem – für mich ist das ein Hoffnungsbild.

Angesichts all der Katastrophen in den Nachrichten werde ich Puccinis Walzer noch manches Mal fröhlich trällern – nicht als Vertröstung. Sondern weil er mich stark macht für alle Gangarten des Lebens: auch für beherzte Schritte oder schwierige Anstiege. Für das Leben – so herausfordernd und so schön es ist.

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