SWR2 Wort zum Tag

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23FEB2024
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Jeden Tag lese ich morgens die Losung der Herrnhuter Brüdergemein(d)e: ein Bibelwort, ein Impuls, der meinem Tag ein Licht aufsetzen soll.
Heute steht da: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne. (Psalm 22,2)
Wie kann denn so ein Wort mich heute tragen? Mir ein Licht sein?

Zieht das nicht nur runter?!  Bestärkt das nicht erst recht das Gefühl: „Ich bin einsam und verlassen.“
Wie viele Menschen schmerzt eben diese Erfahrung. Und dann steht da noch: Sogar von Gott verlassen. Der will und soll mich doch eigentlich nie im Stich lassen? Wo steckt der Trost, das Aufbauende in diesem Wort?

Bekannt ist dieses Wort aus Psalm 22 als ein Wort, das Jesus am Kreuz gesagt hat.
In seinem fürchterlichen Schmerz hat er dieses Wort herausgerufen.
Wer leiden muss, hat also einen Leidensgenossen an seiner Seite – und zwar keinen geringeren als Jesus, den Sohn Gottes. Leidende sind also im Leid gerade nicht allein.
Ist das ein Trost? Ja, das tröstet mich, das durchbricht mein Empfinden, im Schmerz und in der Einsamkeit verlassen zu sein.
Viele hören in Jesu Wort vom Kreuz nur die pure Enttäuschung über eine gottverlassene Welt voller Gewalttaten. Und die anklagende Frage: „Warum lässt DU das zu, Gott? “

Doch mich erreicht in diesem Wort noch eine andere Dimension.
In der Passionsgeschichte ist dieses Wort von Jesus gerade nicht das letzte Wort.
Gottes Geschichte mit Jesus geht weiter.
Er hat ihn nicht im Stich gelassen, sondern auferweckt – neu ins Leben gerufen.
Also gerade kein Ende.
Wo wir denken, es ist alles aus und vorbei, da wendet sich das Blatt. Von Gott her.
So steht es auch in dem Psalm, von dem Jesus am Kreuz nur die ersten Worte ausruft:
Gott erhört die Schreie der Leidenden. Und hilft ihnen heraus. So wie er auch in früheren Zeiten Menschen aus Not und Knechtschaft und Verfolgung herausgeholfen hat. So hilft er auch uns! (V.5+6)

Der Anfang eines Psalms steht für den ganzen Psalm. Und der Psalm 22 steht für eine doppelte Erfahrung: Auch noch in der tiefsten Erfahrung von Leid und Einsamkeit lebt die Hoffnung: Gott lässt mich nicht im Stich!

Ich möchte darum das Wort vom Kreuz so hören - im Licht von Ostern:
Auch wenn ich denke, ich kann nicht mehr, es ist alles unerträglich - Gott hält mich und diese Welt in seinen Händen geborgen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39388
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