SWR4 Sonntagsgedanken

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28JAN2024
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Gewünscht: Gesundheit

Am Anfang des Jahres höre ich überall diesen Wunsch: „Bleib gesund“. Und das wünsche ich anderen auch: „Gesundheit“. Ist ja auch klar: Körperliche und geistige Gesundheit ist wichtig. Wenn ich krank bin, dann geht es mir schlecht. Ich bin beeinträchtigt. Kann vielleicht nicht aus dem Bett aufstehen. Oder nach draußen gehen. Bin auf Hilfe angewiesen. Meine Selbstbestimmung ist eingeschränkt.

An Leib und Seele gesund sein, das ist ein echtes Ziel. Auch in vielen Religionen. Gesundheit und Krankheit spielen hier eine wichtige Rolle. Praktisch alle Religionen erzählen davon, dass Glaube und Heilung miteinander verbunden sind. Auch das Christentum.

So finden sich viele Heilungsgeschichten in der Bibel, Jesus selbst tritt als Heiler auf. Manchmal therapiert er die Menschen. Legt ihnen die Hände auf. Dann wieder berührt er sie. Mixt eine Salbe. Macht sogar Tote lebendig. Es sind in aller Regel die ganz normalen Menschen um Jesus herum, die geheilt werden. Die Schwiegermutter seines engsten Mitarbeiters Petrus, Leprakranke, der Diener eines Hauptmanns, Blinde, Lahme, Stumme, die Tochter einer Frau, die zu ihm kommt. Viele mehr.

Klingt für mich toll, aber auch suspekt. Ich weiß, in der Antike gab’s ein anderes Verhältnis zu solchen Wunderheilungen. Man ging einfach davon aus, dass Gott oder die Götter gesund machen können. Dass Glaube heilt. Dass es Wunder gibt.

Seit der Aufklärung denken wir anders. Gesundheit ist eine Frage des medizinischen Wissens, der Ernährung, der guten Gene und des Glücks, etwa keinen Unfall zu erleiden. Und wenn ich zu einer Ärztin gehe, dann erwarte ich sicher keine Wunderheilung, sondern eine saubere Diagnose und eine gute Therapie.

Trotzdem berühren mich die Heilungsgeschichte der Bibel. Jesus, so wird erzählt, heilt, indem er auf Kranke zugeht, sie berührt, sich ihnen zuwendet. Das wiederum geht mir nah. Ich bin bedrückt oder niedergeschlagen, habe Grippe oder Corona: Da hilft es unheimlich, wenn sich jemand um mich kümmert. Mich in den Arm nimmt. Eine Suppe für mich kocht. Auch in der Medizin hat man das schon lange erkannt: Sich dem Kranken zuwenden, das hilft enorm beim Gesundwerden.

Das ist für mich das eigentliche Wunder: Dass die Nähe eines Menschen tatsächlich gesund machen kann – oder mich zumindest tröstet.

Sich selbst bestimmen

Gesund bleiben, gesund werden, das ist ein Menschheitsthema. Auch schon in der Bibel. Die erzählt in einer Geschichte von einem Menschen mit einem unreinen Geist. Einem Besessenen. Besessenheit, das klingt erst mal fremd. Aber so Leute kenne ich auch. Ein Kollege von mir, für den zählt nur Arbeit. Freizeit ist ein Fremdwort. In einem Film, den ich gesehen habe, ging es um einen jungen Erwachsenen, der von einem Computerspiel besessen war. Der musste immer weiter spielen. Und ich selbst war eine Zeitlang von einer Sammelleidenschaft besessen. Ich habe in jeder Stadt, in der ich war, eine Tasse gekauft. Jetzt ist mein Regal voll. Das hat mich geheilt.

Besessenheit, das heißt, ich bin nicht ganz ich selbst. Es ist so, als würde ich ferngesteuert. In der Antike hat man sich das so erklärt: Ein Dämon, ein böser Geist haust in einem Menschen. Solche bösen Geister finden sich in vielen Religionen, in Märchen und Mythen. Es sind fremde Mächte. Mächte, die Besitz vom Menschen ergreifen. Macht über ihn ausüben.

Etwas Ähnliches passiert ja auch bei Krankheiten. Heute wissen wir: Es sind etwa Viren, Bakterien, Krebszellen, aber auch ängstigende Gedanken oder neurologische Veränderungen, die für Krankheiten sorgen. Aber auch die ergreifen Macht über den Körper und die Seele. Und die müssen auch heute bekämpft werden: mit Medikamenten, mit Operationen, mit Wadenwickel, mit Salben, mit Gesprächen, mit frischer Luft. Damals wie heute heißt Gesundwerden, dass fremde, praktisch unsichtbare Mächte bezwungen werden. All das, was den Menschen krank macht.

Gesundheit hat also ganz viel damit zu tun, dass ich selbst über mein Leben bestimmen kann. Dass mich keine fremde Macht regiert. Genau das ist auch das Thema der biblischen Heilungsgeschichten. Jesus heilt den besessenen Mann, indem er den Dämon austreibt. Indem er die fremde Macht vertreibt. Und so den Menschen wieder zu sich kommen lässt. Nach der Heilung kann der Kranke nämlich wieder über sich selbst bestimmen. Ist frei. Das ist ganz nah an dem, was ich als gesund empfinde. Dass Menschen wieder Macht über ihr eigenes Leben zurückgewinnen. Sich selbst bestimmen und nicht die Krankheit bestimmen lassen. Glaube, so wie ich ihn verstehe, will genau das: Menschen frei und gesund machen.

Zu Mk 1,21-28

21 In Kafárnaum ging Jesus am Sabbat in die Synagoge und lehrte. 22 Und die Menschen waren voll Staunen über seine Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten. 23 In ihrer Synagoge war ein Mensch, der von einem unreinen Geist besessen war. Der begann zu schreien: 24 Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazaret? Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen? Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes. 25 Da drohte ihm Jesus: Schweig und verlass ihn! 26 Der unreine Geist zerrte den Mann hin und her und verließ ihn mit lautem Geschrei. 27 Da erschraken alle und einer fragte den andern: Was ist das? Eine neue Lehre mit Vollmacht: Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl. 28 Und sein Ruf verbreitete sich rasch im ganzen Gebiet von Galiläa.

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