SWR3 Gedanken

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22JAN2024
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Es ist nicht das erste Mal, dass ich so eine Geschichte höre, aber immer neu empört es mich: Eine junge Frau kommt weinend in die Kirche. Sie erzählt: Ihr Vater ist vor vier Tagen gestorben. Drei Tage danach stand die Polizei vor der Tür. Die Frau hat Schulden. Sie kann sie nicht bezahlen. Ihre Mutter konnte einen Teil davon übernehmen. Sie haben ihr Zeit gegeben. Bis heute. Dann soll sie ins Gefängnis.

Das schlimmste für sie: Dann kann sie nicht zur Beerdigung des Vaters. Solche Haftstrafen gibt es bei Schulden, aber auch wenn Leute eine Geldstrafe nicht bezahlen können, oft wegen geringer Vergehen: Schwarzfahren oder Diebstahl.

Diese Haftstrafen treffen nur Menschen, die sowieso nichts oder wenig haben. Diese Haftstrafen kriminalisieren Menschen, die es schwer haben, über die Runden zu kommen. Menschen, die in Armut leben. 2023 wurde das Recht geändert.

Die Tagessätze wurden halbiert. Das Gesetz ist nun weniger streng. Dennoch bleibt die Ungerechtigkeit:

Wer Geld hat, wer zum Beispiel Millionen Steuern hinterzieht und den Staat und die Allgemeinheit richtig schädigt, kann sich oft freikaufen. Hätten alle, die Steuern in großem Stil hinterziehen, nicht diese Möglichkeit, unsere Gefängnisse wären voll von Superreichen. Mit Leuten, die den Staat, also alle anderen bestehlen. Hunderte Millionen auf Kosten der Allgemeinheit.

Anstatt dessen sitzen Menschen in den Gefängnissen, wegen Schulden oder unbezahlter Tickets, wegen 50 oder 100 Euro. Menschen, die nichts haben, sitzen im Gefängnis, einfach weil sie arm sind. Mit dem Gefühl, dass sie nichts sind, nichts wert für diese Gesellschaft. Mich regt das auf. Ich finde es absurd und ungerecht. Diese Leute bräuchten Hilfe und Unterstützung. Nicht Gefängnisstrafen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39210
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