Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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25JAN2024
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Ein Mädchen hat einen unheilbaren Hirntumor. Die Therapien lindern ihre Schmerzen ein bisschen und verzögern den Tod eine kurze Zeit. Mit 14 Jahren stirbt sie.

Das sind so Momente, wo ich denke: „Warum sie, warum nicht ich?“

Ich lebe gern und will noch nicht sterben. Das habe ich mehr als deutlich gespürt, als ich selbst zweimal schwer krank war. Ich habe da gemerkt, wie ich mich an mein Leben klammere und wie sehr ich hoffe, dass das Ende noch auf sich warten lässt. Ich neige zwar nicht dazu zu fragen, warum das gerade mir passiert. Dazu weiß ich zu gut, wie viele Leute Krebs bekommen und dass man vergebens nach Gründen sucht, warum es den einen trifft und den anderen nicht. Trotzdem denke ich: „Ich bitte nicht!“

Aber da bei dem 14-Jährigen Mädchen, da hat sich das umgedreht. Weil sie noch so jung ist, und ich schon alt. Weil sie noch das meiste an Leben vor sich hat, und ich das meiste schon hinter mir. Da hat sich, was ich für richtig, gar gerecht halte, um 180 Grad gedreht. Und ich habe mir sogar überlegt, was wäre, wenn man das Schicksal eines anderen Menschen auf sich übertragen könnte. Wäre doch bloß ich todkrank und nicht sie! Mein Vater hat etwas Ähnliches hin und wieder in drastische Worte gepackt. Er konnte zu mir sagen: „Ich wäre bereit, Dir meinen Arm zu geben, wenn du ihn brauchen würdest.“ Das hat mir ungeheuer imponiert und ich habe gespürt, wie gern er mich hat, wie er zeigen will, dass er mich liebt.

Trotzdem. Es geht nicht! Jeder muss selbst tragen, was in seinem Leben passiert. Keiner kann einem anderen das abnehmen, was er an Leid durchmachen muss. Und Sterben… Sterben muss sowieso jeder selbst. Das ist hart, aber es stimmt. Ich halte es für klug, mir das immer wieder klarzumachen. Und  solange ich eine gute Zeit habe, mich auch öfter zu fragen: Warum ich nicht? Warum lebe ich noch, warum bin ich gesund, warum habe ich heute einen glücklichen Tag? Nicht um mir die gute Stimmung zu verderben, aber um mir klar zu machen: Ich hab’s gut. Dafür ist ein stummer Dank das Mindeste. Und eine helfende Hand, wo jemand mich braucht.

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