SWR4 Abendgedanken

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23JAN2024
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Es gibt so viele schöne alte Worte, die in unserer Sprache nicht mehr vorkommen. Schabernack zum Beispiel. Das sagt heute kaum mehr jemand, aber es ist ein wundervolles Wort für Unsinn oder Spaß. Oder das Wort „Wonne“. Ich finde, das klingt noch mal ganz anders als einfach nur „Freude“. Und kennen Sie noch „Lindigkeit“? Das Wort meint in etwa das, was wir heute mit Freundlichkeit oder Sanftmut wiedergeben. - Am schönsten finde ich aber das Wort „harren“. Auch das verwendet keiner mehr. Aber manche kennen das Wort noch aus alten Gesangbuchliedern. Da heißt es zum Beispiel: „Harre, meine Seele, harre des Herrn“. Auch in der Bibel kann man das Wort finden. Im Buch des Propheten Jesaja steht: „Die auf den Herrn harren bekommen neue Kraft“ (Jes. 40,31)

Harren, das bedeutet so viel wie Warten. Aber es ist eine besondere Art des Wartens. Nicht wie ungeduldig in einer Warteschlange vor einer Kasse. Oder wie ängstliches Warten auf eine ärztliche Diagnose. Ärgerliches Warten auf dem Bahnsteig, weil der Zug Verspätung hat. Verzweifeltes Warten auf Hilfe in Not.

„Harren“ ist etwas anderes. Harren, das ist Durchhalten. Das ist eine Mischung aus sehnsuchtsvollem Warten voller Vorfreude, aber auch Ängstlichkeit. Harren bezeichnet ein Warten, bei dem ich es fast nicht aushalten kann, bis endlich das kommt, worauf ich warte.

Und nun lese ich in der Bibel, dass ich genauso auf Gott warten darf. Wenn ich in einer schwierigen Situation bin, wenn ich mir Sorgen mache um mich oder einen anderen Menschen und Gott um Hilfe und Beistand bitte; wenn mir die Kraft für das Leben fehlt, dann ist die Zeit, um zu harren. Voller Sehnsucht warte ich dann darauf, dass Gott etwas tut. Vielleicht erhört er mein Gebet. Vielleicht hilft er. Vielleicht zeigt er einen Weg. Dieses Harren ist aber nicht einfach ein Nichtstun. Sondern wenn die Bibel von Harren spricht, dann meint sie immer, dass Menschen beten, hoffen, zu Gott schreien und jeden Tag nicht aufgeben, ihr Leben weiterzuleben. Aber immer in der Hoffnung: Es lohnt sich. Wer auf den Herrn harrt, wartet nicht umsonst. Er bekommt neue Kraft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39176
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