SWR2 Wort zum Tag

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20JAN2024
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Ich freue mich immer, wenn jemand von meinen Freunden oder Bekannten heiratet. Ganz besonders wenn dann Kinder kommen und sie eine Familie gründen. Ich finde Familie sehr wichtig, sie ist der Ort an dem ein neu geborener Mensch zum ersten Mal anderen Menschen begegnet. Der Ort, der seine Anfänge prägt.

Eine Besonderheit des christlichen Glaubens ist, dass auch Gott in Menschengestalt auf die Welt gekommen ist. Und auch er ist zum ersten Mal in seiner Familie als Mensch anderen Menschen Aug in Aug begegnet. Ich finde es spannend, was das denn für eine Familie war, in die Gott geboren wurde. Da ist eine unehelich schwangere Frau, die mit ihrem Verlobten, der nicht der Vater des Kindes ist, diese Familie gründet. Man kann da nicht gerade von grundsoliden Verhältnissen sprechen. Es ist keine Familie, die den Idealvorstellungen der Kirche entspricht, in die Jesus da hineingeboren wird. Im Gegenteil. Die Amtskirche hätte in den folgenden 2000 Jahren so einiges an diesen Verhältnissen auszusetzen gehabt. Ich finde das eigentlich verwunderlich. Denn einerseits hat die Kirche eine klare Definition davon, was als Familie gilt und was nicht. Verkürzt gesagt: Verheiratete Eltern, eigene Kinder. Andererseits beruft sie sich aber auf Jesus, der in eine Familie geboren ist, die diesem kirchlichen Idealbild nicht entspricht. Ich finde es grundsätzlich nicht schlimm und nicht falsch ein bestimmtes Familienbild zu bevorzugen. Das ist völlig in Ordnung, aber ich finde es schwierig ein solches Bild als das einzig richtige zu propagieren. Denn es gibt eben nicht nur diese eine ideale Form. Vermutlich ist das Ideal sogar eher selten geworden und gerade heute gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten Familie zu bilden, zu pflegen und zu leben. Und mein Eindruck ist, dass diese Möglichkeiten nicht zwangsläufig schlechter sind als die klassische Vorstellung. Sie sind nur ein bisschen anders. Ich stelle mir vor, dass Maria, Joseph und Jesus trotz der von den gesellschaftlichen Forderungen her gesehenen schwierigen Voraussetzungen, eine glückliche Familie gewesen sind. Auch wenn sie vielleicht die verlangte Form nicht ganz eingehalten haben, sie haben ihr Zusammensein mit Leben und mit Liebe gefüllt. Das ist doch das Wichtigste. Ich glaube, die Autoren der Evangelien haben die heilige Familie ganz bewusst ein bisschen unheilig dargestellt. Weil sie einen Blick für die Wirklichkeit hatten. Weil sie wussten, wie es läuft bei den Menschen. Da sind sie manchen  kirchlichen Vorstellungen weit voraus. Sie sind von der Wirklichkeit ausgegangen, nicht von einer Idealvorstellung. Das hätte der Amtskirche zu allen Zeiten in vielen Bereichen auch gut getan. Und würde ihr auch heute noch guttun.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39169
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