Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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09JAN2024
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Wenn die Supermarktkette den Preis für ein Waschmittel senkt, dann jubelt der Sprecher in der Werbung, als ob er einen Lottogewinn zu verkünden hätte. Wenn mein Enkel zwei Lego-Steine im Computerspiel aufeinander setzt, dann bekommt er Beifall aus dem Lautsprecher, als ob er den Mainzer Dom nachgebaut hätte. Und wenn ich in meinem Online-Sprachkurs auch nur einen Satz richtig übersetze, beglückwünscht mich eine Comicfigur enthusiastisch zu meinem Sprachgenie.

Mir geht dieser Dauerjubel auf die Nerven. Zum einen sind es banale Anlässe, die da bejubelt werden – zwei Legosteine, eine Preissenkung. Zum anderen ist offensichtlich, was dieser Jubel bezweckt: Ich soll ja nicht wirklich für meine außerordentliche Leistung belohnt werden. Ich soll vielmehr bei der Stange bleiben, soll weiter in diesem Supermarkt kaufen, Lego-Steinchen aufschichten und das Sprachprogramm benutzen. Dieser Jubel ist eine seidene Fessel, die mich weiter an Produkte und Dienstleistungen binden soll.

Dabei hat Jubel gar nichts mit Fesseln oder Binden zu tun. Jubel ist vielmehr der befreite Freudenschrei, wenn sich eine bedrohliche Situation zum Besseren wendet. In der Bibel jubeln Menschen vor allem, wenn sie befreit werden. Als Gott die Israeliten am Roten Meer vor den Ägyptern rettet, da jubelt Moses mit dem ganzen Volk über die phantastische Rettung. Als Jesus einen Menschen von seiner Blindheit befreit, da jubeln die Umstehenden und preisen Gott. Befreiung lässt spontanen Jubel aufkommen. Und solche Anlässe zum Jubeln haben wir auch heute. Wenn verschüttete Bergleute in Indien nach Tagen befreit werden können, dann ist das ein Grund zum Jubeln. Wenn Geiseln freikommen oder ein Konvoi zu den Hungernden im Katastrophengebiet durchkommt, aber auch wenn Kranke genesen – das alles sind Gründe zum Jubeln. Und der Jubel bleibt berechtigt, trotz allen Elends auf der Welt. Wir sollten unbedingt immer wieder in so einen berechtigten Jubel ausbrechen. Denn es gibt die rettende Tat und das befreiende Ereignis, trotz allem. Und die verdienen bejubelt zu werden. Mehr als Waschmittel und Legosteine.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39118
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