Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

08JAN2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Ich bin über einen Satz des Philosophen Peter Sloterdijk gestolpert. Er sagt: „Wir haben ein Problem mit Gott, weil er uns nicht mehr imponiert.“ Vielleicht hat er ja recht. Gott imponiert uns nicht mehr. Wir wollen uns lieber selbst imponieren. Zum Beispiel mit Städten, die wir dem Meer abringen wie in Dubai. Oder mit unserem Ausgreifen in den Weltraum bis zum Anfang des Universums. Oder mit einer künstlichen Intelligenz, die vieles besser und schneller kann als der Durchschnittsmensch. Das – und vieles mehr – sind imponierende Errungenschaften. Und dann drehe ich mich um und sehe, dass es uns nicht einmal in Europa gelingt, den Frieden zu sichern. Dass immer noch Millionen hungern. Ja, nicht einmal unsere Ehen und Familien können wir immer zu einem glücklichen Ende führen. Da geht dem Imponiergehabe die Luft aus, wie einem angestochenen Luftballon. Und Gott – wie könnte er mir imponieren? Vielleicht indem er all die Dinge geradebiegt, die mir misslingen. Das würde mir imponieren.

Doch Gott legt es offenbar gar nicht darauf an, zu imponieren. Wer als Kind kleiner Leute in die Welt kommt, der will nicht imponieren. Wer sich um die Kranken, Armen und Randexistenzen sorgt wie Jesus Christus, der will nicht beeindrucken. Gott geht es darum, dass Kranke gesund werden, Bedrückte sich aufrichten und Elenden ein Ausweg eröffnet wird. Alles nicht imponierend – aber voller Liebe, voller Zuneigung und Sorge.

Wenn ich einen Gott haben will, der mir imponiert, dann schaue ich in die Weite des Weltraums, in die Tiefe des menschlichen Bewusstseins und auf das Geheimnis des Lebens. Dann sehe ich staunend Gottes imponierende Schöpfung. Zugleich löst das keines meiner Probleme. Wenn ich aber auf den liebenden Gott schaue, wie er sich in Jesus Christus zeigt, dann ahne ich, dass dieser Gott nicht nur imponierend ist. Sondern dass er mir nahe sein will, dass er sich für mich interessiert, gerade, auch wenn mein eigenes Imponiergehabe zusammengebrochen ist und ich Hilfe und Orientierung brauche.

Wir haben ein Problem mit Gott, weil er uns nicht mehr imponiert – meint Peter Sloterdijk.

Nein, ich glaube eher, wir haben ein Problem mit Gott, wenn wir nicht seine Liebe und Zuneigung ahnen. Wenn wir ihn vor lauter eigenem Imponiergehabe nicht mehr wahrnehmen können. Gott will nicht imponieren. Er will lieben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39117
weiterlesen...