SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

08JAN2024
AnhörenDownload
DruckenAutor*in

Es ist noch nicht einmal Halbzeit. Der christliche Weihnachtsfestkreis dauert 40 Tage. Heute ist also erst der fünfzehnte Tag. Und doch fühlt sich dieser Montag wahrscheinlich so an, als wäre das schon der Schlusspfiff für Weihnachten: Die Lichter werden abmontiert – die Bäume verschwinden. Alles sozusagen wieder „im Normalbetrieb“.

Wie gut, dass da Krippen in vielen Kirchen noch weiter sichtbar sind, bis zum Ende der Weihnachtszeit – bis zum 2. Februar. Warum ich mich für Krippen so begeistere? Sie veranschaulichen Geschichten. Geschichten, die mein Leben berühren und erhellen.
Manche Krippen zeigen, wie es weitergegangen ist nach jener Heiligen Nacht.
Wie Joseph und Maria mit dem Kind auf dem Esel nach Ägypten aufbrechen.
Sie fliehen vor den Gewalttaten des König Herodes.

In der Wallfahrtskirche im Weggental bei Rottenburg steht so eine Krippe. Der schwäbische Mundartdichter Josef Eberle – alias Sebastian Blau – hat auf diese Krippe ein Gedicht geschrieben.* Darin ruft er dem Jesuskind auf der Flucht mit seinen Eltern zu: „Komm wieder xsond ond lääbig – Herodes lebt et ewig.“ Auf Hochdeutsch: „Komm wieder - gesund und lebendig! Herodes lebt nicht ewig.“

Ein wunderbarer Reise- und Fluchtsegen ist das! Die Zeit der Flucht und des sich Versteckens wird einmal ein Ende haben. Du kannst dann Heimkehren. Auch Tyrannen leben nicht ewig.

Josef Eberle hat das genau so selber erlebt - und überlebt. Als er von den Nationalsozialisten als Rundfunkjournalist in Stuttgart entlassen und verfolgt wurde, da konnte er bei der jüdischen Familie seiner Frau Else Lemberger in Rexingen Unterschlupf finden. Später mussten sich beide bis zum Kriegsende auf dem Speicher eines Bahnhofs in Stuttgart verstecken. Nach Kriegsende konnte er dann wieder als Journalist arbeiten - als Mitherausgeber der „Stuttgarter Zeitung“.

Was Josef Eberle dem Jesuskind auf die Flucht zuruft, ist mir purer Weihnachtstrost: „Komm wieder xsond ond lääbig – Herodes lebt et ewig.“ Auch in großen Nöten – liegt ein offener Ausgang. Mit der Aussicht auf Freiheit und Frieden und Heimkehr. So steht es im Matthäusevangelium: Ein Kind kommt durch. Und genau das ist die frohe Botschaft dieser Krippenszene: Auch du kannst durchkommen. Gesund und lebendig.
Du und so viele, die in unseren Zeiten und an diesen Zeiten schier gar verzweifeln. Mit dieser Hoffnung gehe ich weiter ins neue Jahr.

* Sebastian Blau, s´ Weggetaler Kripple

https://www.kirche-im-swr.de/?m=39107
weiterlesen...