SWR1 Begegnungen

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25DEZ2023
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Peter Annweiler trifft Ingo Bracke, Lichtkünstler und Chefbeleuchter

Teil 1: Urstoff Licht

Er kennt sich aus mit Licht: Ingo Bracke ist seit langem Licht-Künstler und seit kurzem Beleuchtungschef des Nürnberger Staatstheaters. Und weil ich heute das weihnachtliche Licht „beleuchten“ möchte, besuche ich den 51-Jährigen in seinem Atelier in der Westpfalz.

Kabel und Scheinwerfer von seinem letzten Projekt sind noch nicht weggeräumt – da sprudelt es schon aus dem flinken und feinfühligen Mann heraus.

Das unglaubliche Tolle, mit Licht zu arbeiten, ist, dass es ein Medium ist, das sehr, sehr stark ist – also was ich einsetze. Und plötzlich ist der Raum ganz anders. Und gleichzeitig ist es aber auch sehr zart.

Das hab‘ ich auch schon bei einem Weihnachtsprojekt mit ihm erlebt: Ganz zart und doch sehr kräftig ist der Kirchenraum da in eine ganz andere Farbe, Temperatur und Schwingung geraten. Ein anderes Licht legt sich durch Ingo Brackes Schaffen über vertraute Konturen und Räume, sogar über Landschaften: Ins Ahrtal, wo er geboren ist, hat er nach der Flut künstlerische „LichtBlicke“ gelegt. Und der Loreley im Mittelrheintal hat er die Schroffheit genommen und nachts mit geheimnisvollen Lichtzeichen überkleidet. 

Um überhaupt mit Licht arbeiten zu können, braucht man die Dunkelheit. Das  heißt, ich sag dann gern ein bisschen flapsig: Ich bin ein Verdunklungskünstler, ein Nachtkünstler, ein Verdunklungskünstler  und ich modelliere dann aus der Dunkelheit wieder etwas heraus.

Ohne die Erfahrung von Dunkelheit keine Wertschätzung des Lichts. Und gerade weil es durch das Kunstlicht für uns selbst im Winter immer weniger Dunkelheit gibt, ist uns womöglich auch das Erstaunliche und Geheimnisvolle des „Urstoffs“ Licht verloren gegangen.

Wenn man sich‘s aus der Physik anschaut, dann merkt man: Das ist so gar nicht greifbar: Es gibt ne Teilchentheorie – das ist also irgendwie ein Ding – und dann gibt es eine Wellentheorie – da verhält es sich ganz anders. Das ist nicht zu vereinbaren. Und eigentlich dürfte es so was gar nicht geben in unserer Welt und trotzdem ist es da.

Zumindest können wir eben Licht naturwissenschaftlich nicht vollends erfassen. Und das ist für mich auch eine weihnachtliche Einsicht: Licht und Leben sind eben nicht gänzlich zu ergründen, dafür aber wunder-bar und gott-gewollt.

Das Licht bricht sich Bahn in diese Welt und Gott Vater, der dann so was gebärendes ist, also nicht nur männliche Qualitäten, sondern auch weibliche hat, ist der, der dann diesen abstrakten Mega-Geist umbiegt, da sind wir wieder bei der Teilchentheorie mit dem Licht: Licht ist Welle und gleichzeitig Teilchen. Irgendwie schafft es dann dieser Gottvater aus der Welle ein Teilchen zu machen. Und das Teilchen ist dann – der Sohn. Oder sichtbar für uns Menschen.

Zuerst komme ich bei diesen Gedanken kaum mit. Doch dann staune ich über die Weihnachtsbotschaft des Künstlers so ganz ohne Maria, Josef und das Krippenkind:  So wie Licht beides ist - Welle und Teilchen - so ist Christus Gott und Mensch. So wie Licht wirkt – ohne dass wir genau sagen können, wie – so wirkt der mensch-gewordene Gott. Durch ihn wird es hell in der dunklen Welt. Das feiern wir an Weihnachten.

Teil 2: Weihnachten – erhellend und liebevoll

Ingo Bracke arbeitet künstlerisch mit Licht. Seit Anfang Dezember ist der 51jährige auch Chefbeleuchter am Staatstheater Nürnberg.

Ich bin als Quereinsteiger ans Theater gerutscht –… und da geht es ums Geschichtenerzählen mit Licht. Und genau das ist, was sich immer weiter durch mein Leben zieht:  Ich erzähle Geschichten mit Licht an besonderen Orten.

Und dabei kommt es ja immer drauf an, wie man eine Geschichte erzählt. Oder im Fall des Lichtkünstlers: Wie man eine Geschichte inszeniert und beleuchtet.

Schon in der Bibel ist das so: Die Evangelisten Lukas und Matthäus erzählen ganz anders von Weihnachten als Johannes. Die einen mit Darstellern, Handlung und „Story“, mit einer dramatischen Geburtsgeschichte, mit Hirten, Engeln und Königen. Der andere mit philosophischen Begriffen und mit der Wirksamkeit des Lichts. „Das Licht scheint in der Finsternis und die Finsternis hat’s nicht ergriffen.“ heißt der Weihnachtssatz des Johannesevangeliums. Ingo Bracke sagt das eine Menge:

Das Bild von Johannes ist ja genau das: Es ist erst mal eine Welt, die dunkel ist. Und das Tolle ist, dass das Licht aus irgendeinem Grunde diese Dunkelheit erhellt – und wenn man jetzt wieder in die Physik geht – das sind ja alles ungeklärte Sachen: Es ist irgendwie dunkle Materie, das heißt: rein faktisch ist es so: Wir haben ein dunkles Universum und das Licht geht da durch und es wird nicht geschluckt. 

Dass Licht wirkt und sich nicht die Dunkelheit durchsetzt – das ist also gar nicht selbstverständlich. Für mich heißt das: Weihnachten wird es, wenn ich neu staune über die Kraft und Dynamik des Lichts - eben auch in „finsteren“ Zeiten wie der unseren mit ihren Kriegen und Krisen.

Kreative und Kunstschaffende wie Ingo Bracke regen genau dieses erhellende Staunen an, indem sie altbekannte Symbole und Zeichen neu inszenieren und kombinieren.

Also das stärkste Symbol ist das Herz. Und das taucht ja nicht ganz umsonst ganz oft auf. Es gibt diese Christusdarstellungen, wo dieses Herz leuchtet. Schlussendlich ist es ein megastarkes Symbol und wenn man es schafft, es aus der Verkitschung  zu holen, dann ist es unglaublich!

Und weil der Lichtkünstler offen für die Verbindung von Kunst und Religion ist, findet sich in seiner Kunst auch eine geistliche „Herzensspur“.

Es ist halt nicht nur physisch das Herz, sondern es ist auch metaphysisch - und Liebe ist auch das stärkste metaphysische Instrument, was wir in der Zwischenmenschlichkeit haben. Deshalb sind ja auch die meisten Religionen extrem auf Herz, auf die Nächstenliebe und die Liebe fokussiert.

Eigentlich kenne ich diese Bilder ja schon lange: Licht und Herz. Aber Ingo Bracke hat sie mir bei unserem Ateliergespräch wieder frisch zum Leuchten gebracht. Deshalb kann ich heute neu sagen: Weihnachten ist das Fest der Liebe und des Lichts.

Und so wünsche ich Ihnen heute einen er-hellenden und liebe-vollen Weihnachtstag!

Mehr zur Kunst von Ingo Bracke:
https://ingobracke.de

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38972
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