SWR2 Wort zum Tag

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19DEZ2023
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„Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.“ Zwar stammt dieser Spruch aus längst vergangenen Zeiten, von damals, als Pferde noch bei der Landarbeit halfen, aber treffsicher bleibt der Spruch trotzdem. Geschenkt ist geschenkt, und nicht der Materialwert entscheidet dabei, sondern ehrliche Absicht und freundschaftliche Beziehung. Beim Einkaufen wird anprobiert und getestet, da wird sogar hingelangt und abgetastet, mit dem Bezahlen ist das Geschäft abgeschlossen, meist sogar mit Rücktauschrecht. Schenken folgt einer anderen Logik. Da sollte es großzügig zugehen und absichtslos. Sehr treffend sagt die Frau, der man(n) Blumen schenkt: „ach, das war aber nicht nötig“. Exakt: Geschenke sind nicht nötig, es geht auch ohne, und doch sind sie mehr als nötig. Sie sind eine Zugabe, die man weder einfordern noch verdienen kann. Im Grunde weiß das jeder Mensch: das, worauf es wirklich ankommt, kannst du nicht selbst leisten oder verdienen; es muss dir geschenkt werden.  Liebe kann ich mir nur schenken lassen, und Vergebung auch. Ist es nicht bei allem so, was wichtig ist?  Gilt es nicht genau das zu lernen und jeden Tag als Geschenk zu betrachten? 

In jedem ehrlichen Geschenk, ob gekauft oder selbst gestaltet, steckt immer etwas vom Schenkenden selbst drin. Fromme Juden sagten früher sogar, eigentlich müsse man jedes Geschenk zweimal machen; denn beim ersten Mal ist immer noch etwas Berechnung dabei, mindestens Dank erwartet man oder fordert es insgeheim gar. Erst beim zweiten Mal ist es ganz absichtslos. Vielleicht muss es sogar ein bisschen weh tun, man gibt ja etwas von sich selbst her und verschenkt es. Wirklich freigebig sein, ist eine Kunst; nicht nur das Schenken will gelernt sein, auch das Beschenktwerden.

Jetzt zu Weihnachten lässt sich das wieder beobachten. Wenn da bei der Bescherung an Heiligabend nur Wunschlisten abgehakt würden, die man vorher eingereicht hatte, sollte man ehrlicherweise gar nicht von Geschenken reden. Da würde ja nur angenommen und einverleibt, was man vorher gefordert hatte. Doch welch ein Strahlen im Gesicht, wenn wir wirklich noch überrascht werden. „Das war überhaupt nicht nötig, einfach geschenkt“, wunderbar.

Deshalb feiern wir Christen den Geburtstag Jesu, er ist wirklich ein Gottesgeschenk, und ohne ihn wäre die Welt ärmer.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38961
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