SWR2 Wort zum Tag

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12DEZ2023
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Mein Schreibtisch sieht immer nach Arbeit aus. Da liegt ein Stoß geöffneter Briefe, auf die ich noch antworten muss. Daneben Bücher, die ich für einen Vortrag wenigstens noch querlesen möchte. Auf mehreren Stapeln türmen sich Unterlagen, für die ich gerade keinen anderen Platz finde. Dazwischen ein paar persönliche Dinge. Ein Würfel aus Sandstein vom Freiburger Münster. Ein Stück Bronze als Erinnerung an einen Glockenguss. Nur in der Mitte ist ein großes Feld frei. Da schreibe ich meine Briefe. Oder platziere den Rechner, um etwas daran zu arbeiten.

Auf den ersten Blick mag das ziemlich chaotisch aussehen. Aber ich brauche diese Umgebung. Manches bekomme ich sogar nur in dieser Umgebung hin. Ganz gegen den Trend: Denn der Schreibtisch, der abends wieder gänzlich leer ist, hat in vielen Firmen Hochkonjunktur. Damit am nächsten Tag ein anderer Mitarbeiter den Schreibtisch nutzen kann, darf nichts darauf zurückgelassen werden. Denn seit Corona sind fast nie alle Mitarbeitenden auf einmal da. Und so ein Schreibtisch soll ja nicht leer stehen. Nur die Mitarbeitenden, die etwas entwickeln, die kreativ sein müssen, dürfen einen eigenen Schreibtisch behalten. Und ihre Sachen darauf auch liegen lassen. Die brauchen ihr kreatives Chaos, damit sie ihre Arbeit gut machen können.

Mich erinnert das an den Advent. In dieser Zeit versuche ich, vieles von dem wegzuräumen, was mich die Monate vorher in Anspruch genommen hat. Der Tisch, auf dem sich die Aufgaben meines Lebens angesammelt haben, soll zumindest etwas leerer werden. Ich möchte mehr Ordnung in die Unübersichtlichkeit meines Lebens bringen. Ganz weg bekomme ich sie allerdings nicht. Für mich reicht es aus, wenn ich mich besinne - wenn ich meine Sinne auf das richte, was mir wirklich wichtig ist. Etwas mehr Zeit für die Menschen, die mein Leben bereichern. Ein Lebenszeichen, über das sich der eine oder die andere freut. Womöglich ein paar Seiten mehr am Tag für ein Buch, das ich endlich fertig lesen möchte.

In einem Brief des Apostels Paulus heißt es einmal, Gott sei nicht ein „Gott der Unordnung“. Aber der Gegensatz zur Unordnung ist bei Paulus dann nicht die Ordnung, sondern der Friede. (1. Korinther 14,33) Friede ist hier der Begriff für eine erträgliche Lebenswirklichkeit. Da muss nichts perfekt sein. Aber alles soll einem besseren Leben dienen. In meiner kleinen Welt. Und in der großen sowieso.

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