SWR2 Wort zum Tag

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07DEZ2023
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Vor Jahren bin ich mal nach einer langen Wanderung in einem typischen alpenländischen Urlaubsort gelandet. In den Straßen ist mir an vielen Häusern ein Schild mit der Aufschrift Fremdenzimmer aufgefallen.

Ich bin dann in ein Wirtshaus gegangen, das völlig überfüllt gewesen ist. Ich habe nur noch Platz an einem Tisch gefunden, an dem schon eine Gruppe gesessen hat. Wie sich herausstellte, waren es lauter Einheimische. Wir kamen ins Gespräch und unterhielten uns über die Berge der Region. Die interessantesten Routen durch die Wände, die idyllischsten Seen, die urigsten Almen und die schönsten Aussichtspunkte. Weil ich schon oft dort in der Gegend gewesen war und mich einigermaßen auskannte, konnte ich gut mitreden und ich hatte den Eindruck gehabt, dass ich akzeptiert wurde. Da es allesamt ältere Männer gewesen sind und es mich immer interessiert, wie es früher gewesen ist, fragte ich schließlich, wie sehr sich der Ort gewandelt hat. Wovon die Leute hier leben und wie groß der Einfluss des Tourismus ist. Dabei bin ich auch auf die auffallend vielen Fremdenzimmerschilder zu sprechen gekommen. Ich hatte den Eindruck, dass jeder, der hier lebt, sein Geld mit Tourismus verdient oder zumindest die Kasse ein wenig damit aufbessert. Das war auch so, habe ich zur Antwort bekommen. Von der Landwirtschaft zu leben lohne sich nicht mehr, sagten sie, viele von den Jungen arbeiteten in der Stadt und pendelten hin und her, einige lebten ganz vom Tourismus. Aber beinahe jeder vermietete Zimmer an Touristen. Einer von Ihnen sagte, dass er auch zwei Fremdenzimmer anbiete. Aber eigentlich, fügte er hinzu, kämen dort seit vielen Jahren immer die gleichen Gäste, die hier Urlaub machen. Das sei bei den meisten so. Man kenne sich mittlerweile und freue sich immer schon, wenn zu den entsprechenden Zeiten die entsprechenden Gäste kommen. Die anderen am Tisch stimmten zu, dass es bei ihnen auch so sei und auch bei allen, die sie kannten.

Natürlich geht es bei dem ganzen um Tourismus, auch darum Geld zu verdienen. Die Gäste, auch wenn sie schon lange kommen, zahlen vermutlich die normalen Tarife. Aber dennoch, ich finde, es ist ein schönes Bild. Wenn man überlegt, was passieren kann, wenn man Fremdenzimmer anbietet. Es ist gut zu wissen, dass in all den Fremdenzimmern mittlerweile Freunde wohnen. 

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