SWR4 Abendgedanken

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23NOV2023
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Ich habe so großen Respekt vor Schwester Barbara.

Sie ist Dominikanerin, also eine Ordensfrau und wohnt in München. Sie hat dort lange als Krankenschwester in der mobilen Pflege gearbeitet.

Jetzt hat sie vor kurzem die Stelle gewechselt. Schon allein das beindruckt mich, dass sie sich mit Anfang sechzig nochmals aufmacht und sich in eine ganz neue und andere Aufgabe einarbeitet. Sie ist jetzt in einem Haus für psychisch kranke Frauen, die kein Zuhause mehr haben. Das klingt schon nicht einfach. Offiziell heißt es: ein Haus für psychisch kranke Frauen, die von Obdachlosigkeit betroffen oder gefährdet sind.

Schwester Barbara und ich haben vor vielen Jahren eine Fortbildung miteinander gemacht und uns lange nicht mehr gesehen. Sie erzählt mir von ihrer neuen Aufgabe. Und ich merke, wie ich still werde, weil mir das alles so fremd ist. Die Frauen dort wissen, dass Barbara eine Ordensfrau ist, auch wenn sie kein Ordensgewand trägt. Und wenn sie Nachtdienst hat und alleine im Haus ist, kommt immer wieder die eine oder andere zu ihr und erzählt ihre Geschichte.

Die meisten haben eine schwierige Vergangenheit. Manche wohnten lange Zeit auf der Straße, einige haben Probleme mit Alkohol oder Drogen und viele haben sexuelle Übergriffe erfahren oder haben als Prostituierte gearbeitet. Und all das spielt bei manchen auch jetzt noch eine Rolle.

Schwester Barbara erzählt mir auch, dass sie dort gelernt hat, nur zu geben, ohne zu erwarten, dass sie etwas dafür zurückbekommt. Weil viele der Frauen kein „Danke“ mehr über die Lippen bekommen. Manche sind durch Sucht und schlimme Erlebnisse psychisch so verletzt, dass sie fast nicht mehr in der Lage sind eine Beziehung zu jemandem aufzubauen.

Ich kann mir kaum vorstellen, wie man das aushalten kann. Jeden Tag diese schlimmen Geschichten zu hören. Jeden Tag sich neu darauf einzulassen und immer nur zu helfen, aber oft nichts dafür zurückzubekommen.

Sie sagt zu mir, dass das nur geht, weil sie zuhause oft lange in Stille betet. Sie bekommt dadurch Abstand zu dem, was die Frauen ihr erzählt haben. Und gleichzeitig legt sie sie Gott ans Herz, wenn sie betet.

Dieses Haus in München ist für die Gesellschaft unsichtbar, wie viele solcher Einrichtungen. Für mich ja auch. Aber es ist so wichtig, dass es solche Einrichtungen gibt. Und auch Menschen, wie Schwester Barbara. Die sich um die kümmern, die niemanden haben. Und denen zuhören, die keinen zum Reden haben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38829
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