Anstöße sonn- und feiertags

Anstöße sonn- und feiertags

01NOV2023
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Mein Freund Peter legt sein Portemonnaie im Café neben seine Kaffeetasse. Als sich jemand an den Nachbartisch setzt, nimmt Peter das Portemonnaie weg und legt es auf die andere Seite zwischen uns. „Du glaubst, er wird es dir klauen?“, frage ich ihn. Peter schaut mich ertappt und zugleich verlegen an. „Entschuldige, ein Reflex von mir. Man weiß ja nie.“ Das erinnert mich an meine Oma. Sie sagte immer: „Alles Spitzbuben da draußen!“

Da wirkt das aktuelle Buch, das ich gerade lese wie eine Gegenoffensive. Der Autor Rutger Bregman[1] vertritt die revolutionäre These: die meisten Menschen sind im Grunde gut und sie handeln auch so. Er hat viel Unverständnis dafür geerntet: „Haben Sie sie noch alle? Sehen Sie denn keine Nachrichten?“

 

Und tatsächlich entsteht ja der Eindruck: eine einzige Tagesschau widerlegt seine These.

Aber Nachrichten beschäftigen sich nicht mit dem, was gut und normal läuft. Sie berichten von den schlimmen und außergewöhnlichen Dingen. Und je öfter ich davon höre, umso mehr halte ich diese Dinge für das normale.

Und so prägen sie womöglich mein Menschenbild, bis ich selbst irgendwann sage: „Ich kann niemanden mehr trauen!“

Das will ich aber nicht. Ich möchte nicht so ein enges und dunkles Menschenbild. Und der heutige Feiertag „Allerheiligen“ ist eine gute Gelegenheit für mich, darüber nachzudenken. An Allerheiligen wird daran erinnert: unzählige Menschen haben ein wirklich bemerkenswertes Leben gelebt oder tun das gerade, indem sie sich zum Beispiel mit all ihrer Energie für andere einsetzen. Neben den bekannten Persönlichkeiten wie Mutter Theresa oder Martin Luther King gibt es unzählige mehr, die nie bekannt werden. Ich denke da zum Beispiel an meine Freundin Maria-Elena: Ich finde es total irre, wie sie sich jeden Tag um die Kinder, die Familie, die Arbeit und den Haushalt kümmert und alles organisiert. Oder mein Freund Toni, der einfach ein Händchen dafür hat, meine wirren Gedanken auf den Punkt und zu einem Ziel zu bringen. Jede und jeder kennt solche Menschen. Es gibt sie überall und sie sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Ich glaube es lohnt sich für mich, die Welt stärker aus dieser Perspektive zu sehen.

[1] Rutger Bregman, Im Grunde gut, Eine neue Geschichte der Menschheit, Berlin 2022.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38686
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