Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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30OKT2023
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„Ich kann es nicht leiden, wenn die Lage schöngeredet wird. Nach dem Motto: Ist alles gar nicht so schlimm. Beschönigung geht gar nicht!“ Diese heftige Reaktion meines Freunds Toni überrascht mich. Ich habe einen Zeitungsartikel mit der Überschrift „Keine Angst“[1] erwähnt. Darin will die Autorin – angesichts der vielen aktuellen Katastrophenmeldungen – daran erinnern: es gibt durchaus Dinge, die in Deutschland gut laufen. Zu mehr als Stichworten komme ich aber nicht, da fällt er mir ins Wort: „Was läuft denn bitte gut?“ Es folgt ein Kurzreferat mit dem Fazit: Es ist nicht nur nicht gut, es ist wirklich schlimm!

Irgendwie ist die Szene skurril: Während des Gesprächs sitzen wir in der überaus warmen Oktobersonne bei einem Eisbecher und ich arbeite mich gerade durch die Sahneschicht. Und wenn es mir dann heute Abend zuhause kühl wird, kann ich die Heizung anmachen oder ich kann sogar in die Badewanne gehen.

Darüber hinaus habe ich Arbeit. Und wenn ich vom Eisessen Zahnschmerzen habe, bekomme ich zeitnah einen Termin bei meinem Zahnarzt. Mir persönlich geht es also gut. Dafür bin ich dankbar.

Es ist keine Selbstverständlichkeit! Denn gerade beim Thema Heizung war letztes Jahr um diese Zeit nicht klar, wie der Winter werden wird und ob die Vorräte in den Gasspeichern reichen. Da sind wir dieses Jahr deutlich weiter.

Das ist keine Schönrederei. Es sind schwierige Zeiten momentan, da brauche ich nur die Nachrichten anzuschauen. Aber: Es ist nicht alles schwarz. Gerade und ganz besonders hier in Deutschland. Die aktuellen weltpolitischen Themen sind kompliziert. Es gibt keine einfachen Lösungen für sie. Klar ist jedoch: Ständig nur klagen und die schlechten Dinge sehen, bringt niemanden weiter, sondern verursacht Falten und Magengeschwüre. Und: Die großen Themen lösen wir nicht gegeneinander, sondern nur miteinander.

Mein Freund Toni wollte dann den Zeitungsartikel übrigens auch mal lesen. Als Reaktion bekomme ich eine Nachricht, in der er schreibt: „Ja, stimmt schon! Meine Heizung funktioniert.“ Dahinter setzt er ein Zwinkersmiley. „Und ja, eigentlich hast du ja recht. Es gibt nicht nur schwarz und weiß – dazwischen gibt es ganz viele andere Farben.“ Ich freue mich sehr über seine Nachricht: Wir bleiben miteinander im Gespräch. Da kann der nächste Eisbecher gerne kommen.

[1] Elisabeth von Thadden, Keine Angst, in: Die ZEIT, Ausgabe 42/2023, vom 5. Oktober 2023.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38684
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