Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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17OKT2023
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Wissen Sie, was eine ‚Lebensbescheinigung‘ ist? Ich wusste es nicht, kannte nicht mal den Begriff. Dann hat mir vor einiger Zeit eine Versicherung ein Formular zugeschickt.  Und mich aufgefordert, das auszufüllen und von einer Behörde beglaubigen zu lassen. Dieses offizielle Formular nannte sich ‚Lebensbescheinigung‘.

Es ging um so was wie eine Lebensversicherung, die nach Ablauf der Frist in kleinen monatlichen Beträgen ausbezahlt wird. Solange ich lebe. Die Versicherung wollte sich offenbar vergewissern, dass ich noch am Leben bin. Und eben das sollte ich nachweisen,  durch die ‚Lebensbescheinigung‘. 

Das Formular hat mich beschäftigt. Allein schon der Begriff, den ich überhaupt nicht kannte. Als ich dann alles bescheinigt hatte und es gerade abschicken wollte, kam noch ein Schreiben von der Versicherung: Es werde doch keine Lebensbescheinigung gebraucht, weil ich ja in Deutschland lebe. Und ich möge das Versehen entschuldigen. Also doch nicht. Ich muss nichts nachweisen, man glaubt mir auch so, dass ich lebe. 

Eine ‚Lebensbescheinigung‘, manchmal könnte ich so was auch für mich selbst brauchen. Denn es gibt Tage, die rinnen so vor sich hin, dass ich gar nicht wirklich spüre, dass ich lebe. Es steht so viel an, dass ich kaum nachkomme und das Gefühl habe: ich lebe gar nicht wirklich, ich werde gelebt. Oder das Gegenteil: Ich kann gar nichts mit meinem Tag anfangen, ich muss warten, Zeit überbrücken. Etwa, wenn ich krank bin und weiß, das dauert jetzt eine Weile, bis ich mein Leben wieder ‚in die Hand nehmen‘ kann, wie man so sagt.  

Dabei weiß ich doch, dass ich das gar nicht muss, ja, letztlich kann ich es gar nicht. Denn mein Leben liegt nicht wirklich in meiner Hand, an keinem Tag. Mein Leben liegt in einer größeren Hand, in der Hand des Schöpfers, aus der es kommt, und in die es einmal zurückgehen wird. Für ihn brauche ich keine ‚Lebensbescheinigung‘. Er zweifelt nie daran, dass ich lebe, auch wenn ich mich selbst nicht immer quicklebendig fühle.

Die amtliche ‚Lebensbescheinigung‘ hab ich am Ende doch nicht gebraucht. Ich hab sie  trotzdem aufgehoben. Einfach so, weil das so kurios ist. Brief und Siegel darauf zu haben, dass ich am 15. Mai 2020 am Leben war. Heute bin ich es immer noch. Gott sei Dank!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38627
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