SWR1 3vor8

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01OKT2023
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In allen Lebenslagen immer genau wissen, was jetzt das Richtige ist – das wäre toll. Aber so ist es im Leben selten. Im Evangelium von heute finde ich einen Hinweis dazu.

„Ein Mann hatte zwei Söhne“ so beginnt Jesus das Gleichnis. Und so beginnt es ja oft in der Bibel. Oft geht es um Geschwisterpaare, in der der eine eher der Gute, der andere der Böse ist. Kain und Abel zum Beispiel.

 

So eindeutig kann man das in dem Gleichnis von heute nicht sagen – der eine gut, der andere schlecht. Da werden die beiden Söhne vom Vater gebeten in den Weinberg zu gehen, um bei der Arbeit zu helfen. Der eine sagt zuerst nein, macht es dann aber doch. Der andere sagt ja, tut aber letztlich nichts. Wenn Jesus die Zuhörenden fragt „Wer von beiden hat den Willen seines Vaters erfüllt?“ (Mt 21,31) ist allen klar: natürlich der erste. Am Ende zählt das Ergebnis. Taten statt Worte.

Ich denke, das ist richtig. Aber je länger ich mir das Gleichnis anschaue, desto mehr ahne ich, dass es nicht so einfach ist wie es im ersten Moment aussieht. Dass das Leben oft komplexer und nicht so klar ist. Natürlich wäre es super, wenn ich in allen Lebenslagen wüsste: das ist das Richtige – das sage ich und das tue ich. Aber so ist es ja selten. Wie oft weiß ich eigentlich, was gut wäre, aber kann es dann doch nicht einhalten. Weil die Zeit fehlt. Weil mir anderes wichtiger ist. Oder ich sage lieber erst einmal nein, hab nachher aber ein schlechtes Gewissen und ringe mich dazu durch, es doch zu tun. Beide Situationen kenne ich. Beides Mal schwanke ich – suche ich die richtige Entscheidung, die ich auch durchhalten kann.

Jesus richtet sich mit dem Gleichnis an die Pharisäer. Eine religiöse Gruppe, die sich mehr um die fromme Fassade sorgt, als um einen Glauben, der auch in Taten sichtbar wird. Und auch wenn Jesus mit den beiden Söhnen die Kategorien richtig und falsch aufmacht und die Pharisäer damit provoziert, so vermute ich, dass er mir auch zeigen möchte: ich bin nicht auf meine erste Reaktion festgelegt. Ich habe die Chance, mich zu korrigieren. Nötig ist dazu, dass ich mir klar mache, was ich will, aber auch nach dem frage, was für andere gut ist, oder was Gott von mir verlangt. Im Leben wie im Glauben kann ich mich nicht bequem einrichten, sondern bin aufgefordert, mich zu positionieren und vielleicht auch zu korrigieren.

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