Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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02OKT2023
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„Es kommen ja doch nur alte Menschen in die Kirche“, so wehrt ein Bekannter meinen Versuch ab, ihn in einen Gottesdienst einzuladen. Und er hat ja recht. Jedenfalls ist das auch meine Erfahrung, dass überwiegend ältere Menschen zum Gottesdienst kommen. Ich kann verstehen, dass Jüngere das nicht einladend finden, wenn sie vor allem auf Rentnerinnen und Rentner und nicht auch auf junge Leute stoßen.

Und zugleich bin ich dankbar für die älteren Menschen in der Kirche, nicht nur im Gottesdienst. Zum einen wird nichts besser, wenn sie sich auch zurückziehen. Zum anderen habe ich gerade im Urlaub eine besondere Bedeutung der Alten für die Kirche kennengelernt.

Meine Frau und ich waren viel in kleinen Orten unterwegs, weil wir uns für Kirchen in Dörfern und Kleinstädten interessieren. Manchmal bergen sie Schätze – ein Wandmalerei, eine Skulptur, eine Grabplatte. Die können viel über die Menschen und ihren Glauben in der Region aussagen. Leider sind viele dieser kleinen Kirchen geschlossen, aus Angst vor Diebstahl und Vandalismus. Wenn sie aber offen sind, dann häufig deshalb, weil ältere Gemeindemitglieder bereit sind, auf das Innere der Kirche acht zu geben. Sie bewachen dann aber nicht nur die Kunstschätze, den Altar und den Opferstock. Sondern sie geben meist bereitwillig Auskunft – über die Kirche, die Gemeinde und den Ort. In vielen Gesprächen haben wir deshalb mehr erfahren und verstanden, als uns ein Kunstführer vermitteln konnte. Und natürlich sind es Alte, die die Kirche offenhalten. Die Jungen haben dafür keine Zeit, müssen sich um Beruf, Familie oder andere Pflichten kümmern.

Für mich halten die Alten nicht nur buchstäblich die Kirchentür offen. Gerade jetzt, da die Institution Kirche den Menschen den Zugang schwermacht, bin ich dankbar für die alten Christinnen und Christen, die die Erinnerung an andere kirchliche Zeiten offenhalten. Die sich zum Beispiel erinnern an die Aufbrüche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Die sich erinnern, dass Kirche auch anders und besser geht. Und die über diese Erinnerung ermutigend Auskunft geben können, wenn man sie denn fragt. Früher nannte man solche mutmachende Erinnerung Tradition. Die Alten halten die Kirche offen – auch und nicht zuletzt für die Jungen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38460
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