SWR Kultur Wort zum Tag

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18SEP2023
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Manchmal bügele ich Geschirrhandtücher. Dann wird es kritisch. Das passiert an Tagen, da wünsche ich mir mein Haus ordentlicher, als es ist, und die Welt übersichtlicher. Ich wünsche mir Ordnung – und wenn es die schon im großen Ganzen nicht gibt, dann bitte wenigstens in meinem Küchenschrank.

Den Wunsch, die Welt möge einfacher sein als sie ist – den nehme ich zur Zeit vielerorts wahr. Manche hören einfach keine Nachrichten mehr. Andere stürzen sich in eine kleine, überschaubare Aufgabe. Ich habe den Eindruck: Auch wenn Menschen plötzlich rechtspopulistisch wählen, steckt dahinter – neben manchem anderen – ein Wunsch nach Klarheit. Aber die hat dann einen hohen Preis.

Das, was die Welt so kompliziert macht, blenden Populisten nämlich aus. Als wäre alles in Wirklichkeit ganz einfach. Oder am besten so wie früher. Kein Wort fällt dann zu dem, was früher gar nicht besser war. Manchmal wird die Suche nach einer ewigen und einfachen Ordnung geradezu gefährlich. 

Die Theologie hat damit ihre Erfahrungen gemacht. Anfang des 20. Jahrhunderts war die Rede von „Schöpfungsordnungen“ unter lutherischen Theologen beliebt. Ehe, Obrigkeit und Kirche galten als in die Grundordnung der Welt eingeschrieben. Im Nationalsozialismus haben manche Theologen die Zahl der Schöpfungsordnungen dann erweitert – um so etwas wie Volk und Rasse. Biblisch findet sich das nicht. Aber viele Menschen haben es geglaubt.  Was gottgegeben schien, entpuppte sich auf fatale Weise als willkürlich gesetzt. Auf eine Schöpfungsordnung, auf der ich mich ausruhen kann, hoffe ich also lieber nicht.

Trotzdem: Die biblische Schöpfungsgeschichte spricht mich gerade dadurch an, dass sie davon erzählt, wie Gott die Welt ordnet: Er scheidet Licht und Finsternis, Himmel und Erde, Wasser und Land. Aus Tohuwabohu entsteht eine Ordnung, die Grenzen hat und gut tut. Sie dient dem Leben. Was dort erzählt wird, setzt einiges an Kreativität voraus – und es setzt große Kreativität frei. Kein Wunder also, dass die Wörter Schöpfung – „creatio“ – und unsere Kreativität in einem direkten Zusammenhang stehen. Gottes Schöpferhandeln ist kreativ: Es erschafft Neues – und es ermutigt uns Menschen kreativ zu sein.

Meine liebevoll gebügelten Geschirrhandtücher – sie geben mir eine Pause, Klarheit und Ordnung. Damit helfen meiner Kreativität auf die Sprünge. Und die wird gerade gebraucht – meine, Deine, Ihre. Damit die Welt wieder etwas mehr in Ordnung kommt. Die Handtücher sind aber bloß Mittel zum Zweck. Man sollte sie nicht zum allgemeinen Gesetz machen wollen. Auch wenn das früher immer so war.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38396
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