SWR3 Gedanken

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16SEP2023
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Vor den Sommerferien wurde in meiner Stadt ein riesiges Kirchenfest gefeiert, das es schon seit dem Mittelalter gibt: Die Aachener Heiligtumsfahrt. Ich bin neu in Aachen und war erstmal skeptisch. Denn bei der Heiligtumsfahrt geht es um Reliquien, und mit Reliquien konnte ich bis dahin nur wenig anfangen. Bei den meisten ist ja gar nicht klar, ob sie echt sind. Oder sogar ziemlich sicher, dass sie es nicht sind. Also warum soll ich mir die Windel von Jesus ansehen, ein altes Stück Stoff, das Jesus mit großer Wahrscheinlichkeit nie getragen hat? Tatsächlich habe ich bei der Heiligtumsfahrt nur wenige Menschen getroffen, die die Reliquien für echt halten. Den meisten war das gar nicht wichtig. Für sie sind die heiligen Stücke eine Art Brücke. Um ihren Glauben ein bisschen konkreter zu machen, weil er sonst oft abstrakt bleibt.

Ich musste dabei an Gegenstände in meinem Leben denken: Den Ring, den ich von meiner Oma geerbt habe, zum Beispiel. Der ist objektiv gesehen nicht besonders wertvoll. Zu Geld machen könnte ich ihn jedenfalls nicht. Trotzdem ist er einer meiner größten Schätze, weil er mich mit ihr verbindet. Ich denke daran, wie sie ihn früher getragen hat. Und wie mein Opa in mir nach ihrem Tod geschenkt hat. Natürlich kann ich auch so an meine Oma denken. Aber wenn ich den Ring an meinem Finger drehe, fällt es mir leichter, mich ihr nahe zu fühlen. Auch er ist eine Brücke.

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