SWR3 Gedanken

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10SEP2023
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Normalerweise denke ich selten an den Tod. Wenn doch, dann meistens, weil das Thema plötzlich über mich hereinbricht – wenn jemand in meinem Umkreis stirbt oder mir ein Foto meiner verstorbenen Großeltern in die Hände fällt. Dann trifft es mich manchmal wie ein Schlag, dass auch mein Leben irgendwann zu Ende sein wird. Seit ich umgezogen bin, gibt es in meiner Nachbarschaft aber einen Ort, an dem Leben und Tod ganz nah beieinander liegen: eine Grabeskirche. Die heißt zwar so wie die berühmte Grabeskirche in Jerusalem, aber hier werden die Verstorbenen aus der Gemeinde bestattet. In Urnengräbern, die sich fast durch den ganzen Raum ziehen. Und anders als in einer Friedhofskapelle finden hier auch noch ganz normale Gottesdienste statt. Dass beides an diesem Ort zusammenkommt, beeindruckt mich. Menschen feiern hier Gottesdienst, denken über ihr Leben nach und schöpfen neue Kraft dafür. Und sie tun das mit ihren Verstorbenen im Rücken. Für die Menschen hier ist es offenbar kein Widerspruch, vom Leben zu sprechen und dabei immer auch an den Tod zu denken. Der Tod und die Verstorbenen sind selbstverständlich Teil des Lebens. In Momenten der Trauer, aber auch wenn es ein Fest zu feiern gibt; eine Taufe oder die Erstkommunion. Dadurch dass der Tod so präsent ist, wird vieles, was mir in meinem Leben wahnsinnig groß und wichtig erscheint, ein bisschen relativiert – ein Streit zum Beispiel oder die Sorge vor einer schwierigen Aufgabe. Manchmal tut das gut. Und in der Grabeskirche wird etwas gelebt, das Teil meiner christlichen Hoffnung ist: Dass die Verstorbenen nie ganz aufhören, Teil meines Lebens zu sein. Dass Menschen, die ich liebe, nie einfach weg sind, sondern wir weiterhin verbunden bleiben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38379
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