SWR3 Gedanken

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09SEP2023
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Hin und wieder läuft mir schon mal die eine oder andere Träne runter… und ganz ehrlich, manchmal auch ein paar mehr. Mal vor Freude, vor Rührung, mal aus Frust oder Traurigkeit… Vielleicht bin ich nah am Wasser gebaut, aber – ich lasse mich auch gerne anrühren, und mal so richtig loszuheulen kann ungemein befreiend sein. Finde ich. Das mag auch daran liegen, dass es wissenschaftliche Untersuchungen dazu gibt, nach denen Tränen fast schon wie ein natürliches Schmerzmittel wirken können – emotionales Weinen erhöht nämlich die Produktion von bestimmten Hormonen, die körperliche und seelische Schmerzen lindern können.

Wieder einmal staune ich darüber, wie genial der Mensch geschaffen ist. Und zum anderen denke ich nicht zum ersten Mal, wie doof ich schon immer Sprüche wie „Jetzt Heul doch nicht!“ fand und finde. Tränen gehören zum Leben dazu – oder sollten es zumindest. Sie in Zeiten großer Freude oder tiefer Traurigkeit, manchmal auch einfach nur im alltäglichen Wahnsinn zuzulassen – eine gute Idee. Und ich finde: Jede einzelne Träne, und damit auch jedes dahinter liegende und damit verbundene Gefühl, ist kostbar. In einem alten Bibelwort gibt es ein sehr schönes Bild, eine alte Bitte, die dieses Kostbarsein beschreibt: „Gott, sammle meine Tränen in deinen Krug; ohne Zweifel, du zählst sie. (Psalm 56,9) Kein „Heul doch nicht“ Oder „Sei nicht traurig, Gott ist bei dir“. Sondern ein klares Statement: Keine Träne sei umsonst geweint. Keine Träne, oder vielleicht jede damit verbundene Anstrengungen, jedes Gefühl dahinter, geht verloren, ist vergebens… Bei Gott haben nicht nur die Freudenmomente einen Platz, sondern auch die Momente des Schmerzes, der Erleichterung und des Gerührt-Seins. Und auch die Momente, wenn es „nur“ darum geht, mit Tränen den ersten akuten Schmerz zu lindern. Also: Heul doch!

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