SWR1 Begegnungen

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03SEP2023
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Lars Castellucci Foto: Thomas Köhler/Photothek.

Teil 1: wo er herkommt und was er macht

Peter Annweiler trifft Lars Castellucci, Bundestagsabgeordneter aus dem Rhein-Neckar-Kreis

Seit zehn Jahren sitzt Lars Castellucci für seinen Wahlkreis in der Rhein-Neckar Region im Bundestag. Der Mann - schmaler Typ mit wachem Geist - ist noch keine fünfzig. Politisch engagiert ist er schon seit er siebzehn ist.  In der frühen Zeit seines Wirkens in Wiesloch hat ihn etwas geprägt, worauf er bis heute nicht verzichten möchte.

Ich bin viel vor Schülern und Schülerinnen unterwegs – und die fragen mich dann: Was habe ich denn gelernt oder studiert. Und dann sage ich immer, dass ich einen Kirchenchor geleitet habe. (lacht) Weil ich glaube wirklich, dass ich da sehr, sehr viel gelernt habe – auch wenn ich das nicht auf einem Zertifikat zeigen kann.

Und klar: Lars Castellucci hat auch „Zertifikate“ erworben. Er hat Politik, Geschichte, und Öffentliches Recht studiert. Er hat promoviert und eine Professur für nachhaltiges Management angetreten. Doch für sein Wirken als Politiker scheint die Chorleitung die beste Basis zu sein: Einen Klang anstoßen, den gemeinsamen Takt finden, die Gemeinschaft stärken. Ich finde, das lässt sich gut mit Herausforderungen in der Politik vergleichen.

Und obwohl Lars Castellucci heute sagt, dass er schon lange keine Zeit mehr für Chorarbeit und Orgelspiel hat, bleibt es für ihn ganz klar:

Ich bin aufgewachsen in der evangelischen Kirche und komm gar nicht umhin, mich da zugehörig zu fühlen.  Immer wenn n Posaunenchor loslegt, dann weiß ich, wo ich dazu gehöre – und das ist ja auch ein schönes Gefühl

Wie gut, wenn jemand weiß, wo er herkommt – und das bis heute wertschätzen kann.  Als religionspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion ist Lars Castellucci jedoch frei von einer Nostalgie-Haltung den Kirchen gegenüber.

Bei Themen, die jetzt auch schwierig sind, lsao, wenn ich der Auffassung bin, da hat man die Zeichen der Zeit nicht erkannt, dann äußere ich das auch gegenüber den Kirchen.

Castellucci ist es ein Anliegen, dass die Kirchen am Puls der Zeit bleiben.  Er will die interreligiöse Arbeit stärken. Für eine starke Suizidprävention setzt er sich genauso ein wie für gut geregelte Migration.

Und ganz wichtig ist ihm in allem der Zusammenhalt in unserem Land. Dazu sieht er auch die Religionsgemeinschaften verpflichtet.

Vielleicht fällt das Wort „Zusammenhalt“ auch deshalb so oft in unserem Gespräch, weil Johannes Rau sein Vorbild ist. In Castelluccis Augen einer, der genauso sozial, demokratisch und evangelisch war wie er selbst.

Als ich dreizehn war, hat er kandidiert als Bundeskanzler. Ich hab ihn dann beobachtet als einen Menschen, der versucht, zusammen zu führen: Versöhnen statt spalten - und so etwas -  vielleicht ist es altmodisch - Väterliches - das tut ja Menschen auch gut.

Ja, da stimme ich zu:  Wir haben in unserm Land zumindest gefühlt ein großes Gegeneinander. Ich nehme es Lars Castellucci ab, dass er den Zusammenhalt im Blick hat und nicht nur die Interessen einzelner oder gar seine eigenen.

 

Teil 2: was ihn prägt und wo er hin will

Lars Castellucci ist seit zehn Jahren Bundestagsabgeordneter aus dem Rhein-Neckar Kreis. Zum Profil des smarten 49jährigen gehört auch seine kirchliche Prägung.

Bei meinem Namen denken manche einfach mal schnell: Das müsste eigentlich katholisch sein und sag ich: Nee, ich bin fürchterlich protestantisch und dann da fürchterlich evangelisch und was ich damit meine ist, dass ich damit schon ein bisschendiese Regelbasiertheit, also Regeln zu haben und die auch einzuhalten – das ist mir wichtig und das versuche ich im Deutschen Bundestag auch stark zu machen.

Evangelisch und deshalb von Regeln geprägt. - Mir fällt als erstes ja immer die „evangelische Freiheit“ ein. Doch wenn ich mit Lars Castellucci weiter über Migrationspolitik spreche, wird mir klar: Freiheit und Menschenliebe sind dafür zu wenig. Ein so komplexes Feld braucht klare Regeln.

Ich glaube an die Möglichkeit guter Regeln, dass das nicht mit so viel Leid verbunden sein muss, dass da nicht immer Menschen sterben müssen, dass wir das schaffen können Regeln aufzustellen, die für alle gut sind.  Also eine ganz starke Hoffnung auf die Möglichkeit guter Lösungen -

und dabei Migranten nicht zuerst als ein „Problem“ zu sehen, sondern als Menschen mit Rechten – darin zeigt sich in meinen Augen, dass christliche Werte eine politische Haltung prägen können. Lars Castellucci:

Indem man sich für ne gute Sache einsetzt, hat man immer auch ne Hoffnung dabei, dass sie dann auch gelingen kann – das glaube ich zeichnet uns Christen und Christinnen aus – nicht exklusiv – aber es sollte uns auszeichnen.

Die Hoffnung, dass es auch im politischen Handeln „gut“ ausgehen kann, ist selten geworden in unseren Tagen. Viel stärker hat sich eine Skepsis breit gemacht, was „die da oben“ wohl noch alles verzapfen.

Es beeindruckt mich, wie Lars Castellucci – ganz ohne „die da oben-Haltung“ - Werte vertritt – und dabei menschennah und pragmatisch bleibt.

Für ihn müssen sich Hoffnung und politisches Handwerk finden. Nur so kann es angemessen in die Zukunft gehen. Und das gilt genauso für die Zukunft der Kirchen. Um die ist Lars Castellucci – trotz der Schrumpfkur, die sie gerade durchmachen -  übrigens gar nicht bange:

Da wird man sich von Gebäuden trennen. Aber wir sollen unser Herz ja gerade nicht an die Dinge hängen, die aufgehäuft worden sind. Sondern sollten frei sein, das was uns ausmacht als Christenmenschen auch spüren zu lassen. Und das geht nicht, wenn Gremien nur damit beschäftigt sind, wo es gerade wieder reinregnet…

Statt Fixierung auf Löcher in Dächern oder Kassen braucht es eine Besinnung auf den Kern der Aufgaben.

Da sein, wo es Not tut – die Wunden der Menschen heilen, Nähe, Wärme, Begegnung ermöglichen – das ist das Zentrum. Und das ist auch weiter möglich. Da bin ich ganz davon überzeugt.

Und da bin ich ganz bei Lars Castellucci.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38346
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