SWR2 Wort zum Tag

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05SEP2023
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Was ist eine „Streiterehe“?
Ein Paar, das ständig miteinander im Clinch liegt? Das seine Konflikte laut und in aller Öffentlichkeit austrägt? Eine unangenehme Vorstellung. Aber dass es Streit gibt – in Partnerschaften und Familien – das ist kein Geheimnis. Doch das hat Graf Nikolaus von Zinzendorf nicht im Sinn gehabt, als er sich im 18. Jahrhundert für eine »Streiterehe« ausgesprochen hat.

Es gibt im Deutschen nämlich noch eine zweite Bedeutung von „streiten“:
Etwas miteinander erstreiten - im Sinn von: „etwas gemeinsam anpacken und durchstehen“. Eine gemeinsame Aufgabe zusammen vorantreiben. Und dabei füreinander einstehen. Als Team. Das hört sich für mich an wie ein Echo auf ein bekanntes Jesuswort: „Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht trennen.“ Was wörtlich übersetzt heißt: „Was Gott zusammengespannt hat, soll der Mensch nicht trennen...“ Partnerschaft also als ein Gespann, das etwas bewegt, gemeinsam an einem Strang zieht.

Für Zinzendorf und seine gleichaltrige Frau war das Bezeugen des Evangeliums ihr „gemeinsames Projekt“ – so würde man heute wohl sagen. Sie nannten ihre Ehe auch deshalb eine »Streiterehe«.
Als ich als Student auf diese Vorstellung gestoßen bin -  musste ich darüber den Kopf schütteln. Ist es doch ein sehr anderes Konzept von Partnerschaft, als jene weit verbreitete romantische Vorstellung, die auf gegenseitiger Anziehung, Zuneigung und Selbstverwirklichung basiert.

Und doch lässt mich die „Streiterehe“ und die damit verbundene Vorstellung nicht los. Wenn ich Paare sehe, die sich mit aller Kraft gemeinsam für ihre Kinder engagieren.
Wie schön ist das.  Oder wenn ich an bäuerliche Betriebe denke, wo Partnerschaft oft ein hohes Maß an beruflichem Zusammenwirken erfordert.

Und wie bereichernd und inspirierend kann es sein, wenn Paare sich in der Politik oder in der Wissenschaft gemeinsam engagieren oder als Ärzte zusammen wirken. Heute möchten viele Beruf und Partnerschaft strikt trennen. Das ist ein verständliches Bedürfnis.

Aber ich denke, es hat auch seinen Charme, wenn dieses alte Modell von einer „Streiterehe“ als Möglichkeit nicht gänzlich vergessen wird. Auch und gerade dann, wenn es mal wirklich Krach und Streit gibt. Dann sich mit einem Augenzwinkern an „die „Streiterehe“ erinnern – das kann auf eine andere Ebene führen. Und an das erinnern, wofür man zusammen ist. Mir hat das schon manchmal weitergeholfen.

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