SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

16AUG2023
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Hören ist für uns lebenswichtig. Das beginnt schon im Mutterleib, wo wir die Herztöne der Mutter und die Stimmen der Eltern hören und so eine erste Beziehung entsteht. Längst bevor wir auf die Welt kommen. Später lernen wir sprechen, indem wir nachahmen, was wir hören. Mit den Ohren nehmen wir wahr, was um uns herum passiert, und da wir zwei Ohren haben, können wir gut orten, woher die Geräusche kommen. Unsere Ohren sind sensible Wächter. Sie reagieren ganz fein - manchmal auf Nuancen: Was kommt mir da entgegen? Muss ich mich schützen oder kann ich offen und neugierig darauf zugehen?

Dass wir zwei Ohren haben, hat für mich noch eine weitere, symbolische Bedeutung. Bei dem einem Ohr geht es um mich. Es ist sozusagen mein Ich-Ohr, das alles aufnimmt, was für mich wichtig ist. Es hilft mir, dass ich mich in meiner Welt orientieren kann und meinen Platz finde. Dafür muss mein Ich-Ohr ständig prüfen: Muss ich jetzt aufpassen oder kann ich das vernachlässigen?

Beim anderen Ohr geht es um mein Gegenüber. Es ist mein Du-Ohr. Mit ihm höre ich zu, ohne meine Interessen und Bedürfnisse wie einen Filter über alles zu legen. Mit dem Du-Ohr höre ich hin und versuche ganz offen zu sein für mein Gegenüber. Ohne zu werten. So erfahre ich nicht nur Informationen, sondern alles, was an Gefühlen und Stimmungen mitschwingt. Dadurch entsteht zwischen uns eine Beziehung. Die braucht Vertrauen, aber sie schafft auch Vertrauen. Mit dem Du-Ohr können Beziehungen wachsen.

Mit dem Du-Ohr ist auch eine Beziehung zu Gott möglich. "Höre Israel", so beginnt das wichtigste Gebet der Juden. Beten heißt nicht zuerst, vor Gott viele Worte zu machen, sondern ganz Ohr zu sein. Still zu werden – äußerlich und innerlich - und damit dem Wort Gottes einen Raum in der eigenen Seele zu bereiten.

Dann kann es passieren, dass ein Wort aus der Bibel mich auf einmal innerlich berührt, so als wäre es direkt zu mir gesagt worden. Etwa: Fürchte dich nicht, ich bin mit dir. Ich stärke dich, ich helfe dir auch (Jes 41,10)

Das ist auch für mein Ich-Ohr eine wichtige Botschaft: Gott ist an meiner Seite und er lässt mich nicht fallen. Ich muss nicht ängstlich und voller Sorgen sein. Ich kann mir und dem Leben etwas zutrauen.

Wer Ohren hat, zu hören, der höre. So sagt Jesus. Er ermutigt uns, unsere Ohren zu öffnen. Beide. Das Ich-Ohr und das Du-Ohr. Für unsere Mitmenschen und für Gott.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=38220
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